Glazialrelikt

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Leitart der spätpleistozänen Klimaepoche (Dryaszeit) ist die namengebende Weiße Silberwurz (Dryas octopetala). Das Verbreitungsareal des Eiszeit-Relikts zeigt zwischen den Hauptarealen in den Alpen und Skandinavien eine breite Lücke.

Als Glazialrelikte (lateinisch glacies „Eis“ und relictum „Rest“ – „eiszeitliche Relikte“) bezeichnet man kälte- sowie oft auch lichtliebende Pflanzen und Tiere, deren ursprünglicher Verbreitungsschwerpunkt in arktischen Regionen oder in den Hochgebirgen lag, die sich aber während der Kaltzeiten im Pleistozän von ihren ursprünglichen Verbreitungsgebieten in tiefere beziehungsweise südlicher gelegene Regionen ausbreiten konnten. Während der anschließenden Erwärmung mussten sie sich durch vertikale Wanderung auf klimatisch kühlere Standorte, beispielsweise im Gebirge, zurückziehen. Die verschiedenen Populationen wurden dadurch biogeographisch voneinander getrennt; die erhaltenen Teilareale bilden durch die entstandene Disjunktion eine arkto-alpine Gruppe, deren einzelne Arten zu vier Areal-Typen gehören.[1] Durch die Isolation können sich die einzelnen Populationen genetisch auseinanderentwickeln.

Insbesondere für alpine Pflanzen- und Tierarten bedeutete das Herabsteigen von isolierten Hochlagen häufig, dass sich in dieser Zeit ihr Verbreitungsgebiet vergrößern konnte, da sie sich in den Ebenen über weite Gebiete ausdehnen konnten. Bei einer anschließenden Erwärmung konnten sie sich dann entweder auf neue, bisher nicht besiedelte hoch gelegene Standorte zurückziehen oder sich an einzelnen, geeigneten Standorten erhalten. Anschaulich gesprochen sind es Arten, die sich im Wärmemeer auf Kälteinseln erhalten haben.

Ein gut untersuchtes Glazialrelikt ist die Weiße Silberwurz (Dryas octopetala), Leitart der besonders in der Jüngeren Dryaszeit am Ende der letzten Eiszeit in Europa dominanten Dryas-Floren. Saxifraga nivalis und Pedicularis sudetica haben beide eigentlich ein rein arktisches Verbreitungsgebiet (Saxifraga nivalis z. B. auf Spitzbergen,[2] Pedicularis sudetica z. B. im Norden Kanadas[3]), sind aber als Relikte auch aus dem Riesengebirge bekannt.[4][5] Die Moltebeere (Rubus chamaemorus) ist eine Art der Borealen Zone mit zwei Standorten in Norddeutschland. Ein erstes bekannt gewordenes Beispiel eines Glazialreliktes in den Pyrenäen ist der Pyrenäen-Gebirgsmolch (Calotriton asper).[6]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Vorkommen der folgenden Beispiele als (mögliches) Relikt sind im jeweiligen Artikel erklärt.

Flora
Fauna

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vladimir Stevanović, Snežana Vukojičić, Jasmina Šinžar-Sekulić, Maja Lazarević, Gordana Tomović, Kit Tan: Distribution and diversity of Arctic-Alpine species in the Balkans. Plant Systematics and Evolution, Dezember 2009, 283.219, (PDF)
  2. Saxifraga nivalis L. = Micranthes nivalis The Flora of Svalbard (abgerufen am 25. Dezember 2015)
  3. S. G. Aiken, M. J. Dallwitz, L. L. Consaul, C. L. McJannet, L. J. Gillespie, R. L. Boles, G. W. Argus, J. M. Gillett, P. J. Scott, R. Elven, M. C. LeBlanc, A. K. Brysting und H. Solstad: Flora of the Canadian Arctic Archipelago: Descriptions, Illustrations, Identification, and Information Retrieval. Ab: 1999; Pedicularis sudetica Willd. Online-Version vom Mai 2011 (abgerufen am 25. Dezember 2015)
  4. Johann Kachler: Encyclopädisches Pflanzen-Wörterbuch aller einheimischen und fremden Vegetabilien. Druck und Verlag von J. P. Sollinger, Wien 1829, S. 187
  5. Johann Gottfried Sommer: Das Königreich Böhmen statistisch-topographisch dargestellt. Band 3, Bidschower Kreis. Verlag der J. G. Calve’schen Buchhandlung, Prag 1835, S. 32–33
  6. Juan Manuel López-García, Hugues-Alexandre Blain, Ethel Allué, Sandra Bañuls, Amelia Bargalló, Patricia Martín, Juan Ignacio Morales, Mireia Pedro, Anna Rodríguez, Alex Solé, F. Xavier Oms: First fossil evidence of an “interglacial refugium” in the Pyrenean region. In: Naturwissenschaften 97, Nr. 8, 2010, S. 753–761, doi:10.1007/s00114-010-0695-6.