Glühkopfmotor

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zweitakt-Glühkopfmotor: (1) Glühkopf, (2) Brennraum, (3) Kolben, (4) Kurbelgehäuse mit Überströmkanal, links der Auspuff

Der Glühkopfmotor, ursprünglich nach seinem Erfinder Herbert Akroyd Stuart auch als Akroyd-Motor oder nach dem ersten Hersteller Richard Hornsby & Sons ab 1891 als Hornsby-Akroyd-Motor bekannt,[1] ist ein Verbrennungsmotor mit innerer Gemischbildung und niedriger Verdichtung. Dieser Motor arbeitet meist nach dem Zweitaktprinzip mit Kurbelkastenspülung.[2] Dabei wird während des Verdichtungstaktes der Kraftstoff auf die glühend heiße Innenwand des Brennraums eingespritzt, der als Glühkopf ausgebildet ist, das heißt, er wird nicht gekühlt, ist im Betrieb rotglühend und durch Kanäle im Zylinderkopf mit dem Zylinder verbunden. Der Treibstoff verdampft an der heißen Oberfläche und entzündet sich gegen Ende der Kompression im oberen Totpunkt. Problematisch ist dabei die schlechte Steuerbarkeit des Zündzeitpunktes der Selbstzündung, die sowohl das Verdichtungsverhältnis als auch den möglichen Drehzahl­bereich einschränkt (geringe Elastizität).

Der zunächst als Viertakter hergestellte Hornsby-Akroyd-Motor und spätere Zweitakt-Glühkopfmotoren waren vor allem in robuster Bauweise für Landmaschinen, Schiffsantriebe und stationäre Antriebe ausgelegt, mit einer relativ niedrigen Drehzahl und dadurch nur geringer Literleistung bei großem Hubraum.[3] Durch ihr niedriges Verdichtungsverhältnis erreichen sie nur mäßigen Wirkungsgrad mit entsprechend hohem Kraftstoffverbrauch.

Trotzdem waren Glühkopfmotoren sehr erfolgreich, da sie seinerzeit vor allem für kleine Stromgeneratoren und Antriebe in Industrie und Landwirtschaft eine kostengünstige Alternative zu den damals in diesem Sektor noch verbreiteten Dampfmaschinen waren und so zahlreiche neue Anwendungsfelder erschließen konnten, für die Dampfmaschinen viel zu groß, aufwändig und teuer waren.

Auch als später kleinere Dieselmotoren aufkamen, konnten sich Glühkopfmotoren noch für viele Jahrzehnte behaupten (besonders im in Deutschland sehr beliebten Ackerschlepper Lanz Bulldog), da ihre einfache Technik günstig zu produzieren war und geringe Ansprüche an Zündwilligkeit und Klopffestigkeit des Kraftstoffs stellt. Weiter entwickelt zum direkteinspritzenden Glühkopfmotor als robustem Vielstoffmotor wurden sie noch bis um 1960 gebaut.

Bis heute werden im Modellbau kleine Glühzündermotoren mit ähnlichem Funktionsprinzip verwendet.

Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Glühkopfmotor ist eine Wärmekraftmaschine, speziell Hubkolbenmotor. Hinsichtlich der Einordnung zwischen Otto- und Dieselmotor wurde beim Glühkopfmotor zuweilen von einer dritten Art gesprochen, da er Merkmale beider Motorprinzipien in sich vereint:

  • Mit dem Ottomotor teilt der Glühkopfmotor den niedrigeren Arbeitsdruck und die zeitlich voneinander getrennte Gemischbildungs- und Verbrennungsphase. Beim Dieselmotor überschneiden sich diese beiden Phasen. In Glühkopfmotoren ist der Kraftstoff bei der Zündung schon weitgehend mit der Luft vermischt. Nachteilig ist die schlechte Steuerbarkeit des Zündzeitpunktes der Selbstzündung (unbeherrschter Zündzeitpunkt), die sowohl das Verdichtungsverhältnis als auch den Drehzahlbereich einschränkt (geringe Elastizität).
  • Mit dem Dieselmotor teilt der Glühkopfmotor die innere Gemischbildung und das Fehlen von Zündkerzen, wobei sich beim Glühkopfmotor die Zündung des Kraftstoffes wesentlich von der des Dieselmotors unterscheidet. Anders als Dieselmotoren, die mit Kompressionszündung arbeiten, entzündet sich beim Glühkopfmotor der Kraftstoff durch eine Zündhilfe, den namengebenden heißen Glühkopf. Deshalb reicht bei Glühkopfmotoren ein wesentlich niedrigeres Verdichtungsverhältnis aus.
  • Ein weiterer Vorteil gegenüber Dieselmotoren ist, dass man durch Verdampfung des Kraftstoffs im Glühkopf nicht auf eine gute Zerstäubung durch die Einspritzdüse und damit hohen Einspritzdruck angewiesen ist, um ein zündfähiges Kraftstoff-Luft-Gemisch zu erzielen.

Verwendung & Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Glühkopfmotor wurde von dem Engländer Herbert Akroyd Stuart erfunden. Die ersten Patente stammen von 1886, aber das wichtigste Patent ist von 1890.[4] Ab 1891 wurden die ersten Glühkopfmotoren von der englischen Firma Richard Hornsby & Sons in Grantham hergestellt, die mit ihrem Hornsby-Akroyd-Motor Lokomobile und 1896 auch eine erste Lokomotive ausstattete.

Die Hornsby-Akroyd-Motoren waren zunächst Viertaktmotoren, spätere Glühkopfmotoren überwiegend Zweitakter. Glühkopfmotoren wurden ein- und mehrzylindrig hergestellt und lange Zeit als Schiffsmotoren gebaut, etwa als Hilfsmotoren für kleinere Segelschiffe. Der schwedische Hersteller Bolinders Mekaniska Verkstad erreichte bei Motoren für Fischerboote in den 1920er Jahren 80 % Marktanteil.

Glühkopfmotoren in Landmaschinen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hornsby Raupenschlepper (1905)
Lanz Bulldog HL (Bj. 1928): 12 PS Einzylinder-Zweitakt-Glühkopfmotor; Hubraum 6,2 L; max. 4,3 km/h

Die englische Firma Richard Hornsby & Sons war 1896 die erste, die einen Ackerschlepper mit ihrem 20 PS (15 kW) starken Hornsby-Akroyd-Motor baute, sowie im Jahr 1905 den ersten Raupenschlepper mit Glühkopfmotor, indem der bewährte Radschlepper mit einem Kettenlaufwerk (Gleisketten) ausgerüstet wurde.

Die russische Firma Mamin-Sibirjak baute ab 1903 Glühkopfmotoren und begann ab 1912 damit, Ackerschlepper zu produzieren. Im gleichen Jahr begann auch die schwedische Firma J.V. Svensons Motorfabrik in Augustendal Motorpflüge mit Glühkopfmotor herzustellen.[5] 1913 kam ein weiterer schwedischer Hersteller, Munktells Mekaniska Värkstads AB in Eskilstuna mit einem großen 8,3 Tonnen schweren Zweizylinder-Glühkopf-Ackerschlepper auf den Markt.[5]

In Deutschland bekannt wurde der Glühkopfmotor vor allem durch den Lanz Bulldog, den die Heinrich Lanz AG in Mannheim ab 1921 produzierte (Lanz HL). Die schlechte Verbrennung dieses Motors brachte in der Landwirtschaft allerdings ein Problem mit sich: Mancher Lanz Bulldog soll mit Funkenflug in den Abgasen Felder und Scheunen in Brand gesteckt haben, was mit nachträglich geänderten Auspuffanlagen gelöst wurde.[6][7][8]

Ablösung durch Dieselmotoren ab 1930[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab Ende der 1920er Jahre bekamen Glühkopfmotoren eine Alternative in Gestalt von kleinen Dieselmotoren mit Vorkammereinspritzung, die sparsamer waren und immer kostengünstiger wurden. Trotzdem wurden unter anderem Traktoren mit Glühkopfmotor als robustem Vielstoffmotor zumindest in Deutschland von der Firma Heinrich Lanz AG noch weiter entwickelt und als Direkteinspritzender Glühkopfmotor (auch „Halbdieselmotor“ genannt) bis um 1960 gebaut.[9][10][11][12][13][14][15]

Glühkopfmotoren waren einfach aufgebaut, hatten daher geringe Anschaffungskosten als im Kraftstoffverbrauch sparsamere Dieselmotoren und hatten geringere Anforderungen an Zündwilligkeit und Klopffestigkeit des Kraftstoffs. Deshalb ließen sie sich mit den billigsten oder jeweils verfügbaren Kraftstoffen betreiben (Vielstoffmotor):[16] Selbst kleine Schiffsmotoren konnten außer Schweröl auch altes Motorenöl verbrennen oder liefen sogar mit Rohöl.

Glühzündermotoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Modellbau werden als Kleinstverbrennungsmotoren bis etwa 30 cm³ Hubraum die sogenannten Glühkerzen- bzw. Glühzündermotoren verwendet, die nach einem ähnlichen Funktionsprinzip arbeiten.

Hersteller von Glühkopfmotoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bekannte Hersteller von Glühkopfmotoren waren Richard Hornsby & Sons die Heinrich Lanz AG, Ursus S.A. (Nachbau des Lanz), Bolinder-Munktell, Schlüter, Landini oder Pampa Bulldog.

Handhabung & Betriebsweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lanz Bulldog D8506 (Bj. 1951): 35 PS 10,3 Liter Einzylinder-Zweitakt-Mitteldruck-Glühkopfmotor

Kraftstoff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glühkopfmotoren können mit normalem Dieselkraftstoff, mit Schweröl, Tran, Paraffin, mit allen Pflanzenölen und sogar mit Rohöl oder Teeröl betrieben werden (Vielstoffmotor).[16]

Funktion des Glühkopfs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die kugelförmige Vorkammer, der eigentliche Glühkopf, wird vorgeheizt und während des Betriebes nicht aktiv gekühlt. Der in den Glühkopf gespritzte Kraftstoff verdampft, und der tangentiale Verbindungskanal zum Zylinder sorgt während des Verdichtungstaktes durch einströmende Luft für eine kräftige Verwirbelung und Verdampfung. Durch die niedrige Verdampfungsgeschwindigkeit dauert es jedoch relativ lange, bis ein zündfähiges Kraftstoff-Luft-Gemisch entsteht, was sehr frühzeitige Einspritzung des Kraftstoffs (ca. 130° Kurbelwinkel vor dem oberen Totpunkt) erfordert, viel früher als beim Dieselmotor.[17][9]

Vorwärmen des Glühkopfs „Vorglühen“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorwärmen des Glühkopfs mit einer Lötlampe bei einem Lanz Bulldog

Bevor ein kalter Glühkopfmotor gestartet werden kann, muss der Glühkopf durch Fremdheizung (Lötlampe) vorgewärmt werden.[18][19]

Alternativ existieren Bauformen mit separatem kleinen Benzintank und einer Zündkerze im Glühkopf, womit der Motor im Benzinbetrieb gestartet werden kann. Nach Erreichen der Betriebstemperatur wird auf Schwerölbetrieb umgeschaltet.[20]

Längere Leerlaufzeiten sind konstruktionsbedingt nicht möglich, da der Glühkopf mangels Wärmenachlieferung auskühlt, so dass der Motor stehen bleibt.[21] Dieses Auskühlen kann durch die Form des Glühkopfes (sog. Zündsack) und eine im Spritzwinkel verstellbare Einspritzdüse hinausgezögert bzw. verhindert werden.[21]

Umsteuern zum Rückwärtsfahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Zweitakt-Glühkopfmotoren konnte zum Rückwärtsfahren die Drehrichtung des Motors gewechselt werden („Umsteuern“), so dass die Traktoren keine Getriebe mit eigenem Rückwärtsgang benötigten (robust wie einfach, zum Beispiel alle frühen Lanz Bulldogs). Dazu muss die Drehzahl so weit gesenkt werden, dass der Motor fast zum Stehen kommt, um dann durch Gasgeben im richtigen Moment (mit etwas Geschick und viel Übung) eine Frühzündung auszulösen, die den Motor im Kompressionstakt zurückwirft, sodass er in entgegengesetzter Richtung weiter läuft.[22][23]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Glühkopfmotoren – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Hornsby-Akroyd-Motor – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Hornsby Raupenschlepper – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Hornsby & Sons – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Lanz Bulldog – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Videoclips

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Friedrich Sass: Geschichte des deutschen Verbrennungsmotorenbaus von 1860 bis 1918. Springer, Berlin/Heidelberg 1962, ISBN 978-3-662-11843-6, S. 415–422
    „Dieselmotor und Akroydmotor – Wann man für den Akroyd-Motor zum erstenmal die Bezeichnung hot-bulb engine, Glühkopfmotor, gebraucht hat, ist unsicher.“ (S. 418)
  2. Friedrich Sass (Hrsg.), Ch. Bouché: Dubbels Taschenbuch für den Maschinenbau. 11. Auflage, Springer-Verlag Berlin, Göttingen, Heidelberg 1955, Band II, Seite 123.
  3. Heinrich Lanz Mannheim: Der stationäre Ortsbulldog: Ortsfeste Schweröl-Motoren von 12 und 15 PS. (Memento vom 26. März 2019 im Internet Archive; PDF)
  4. Herbert Akroyd Stuart: Improvements in Engines Operated by the Explosion of Mixtures of Combustible Vapour or Gas and Air, British Patent No 7146, Mai 1890.
  5. a b O. Hedell: Från Munktells till Valtra – en 75-årig traktorepok, LRF Media, 2000.
  6. Lanz Bulldog: Allgemeines – Funkenfänger. Abrufbar bei: Lanz Bulldog Homepage, abgerufen: 8. Februar 2018.
  7. Lanz-Traktoren keine Brandstifter mehr in: Kraftfahrzeugtechnik 3/1953, S. 93.
  8. Brandverhütungsmerkblatt der Bayerischen Versicherungskammer von 1939. (Memento vom 1. Mai 2016 im Internet Archive)
  9. a b Der sparsame Lanz Bulldog. (Memento vom 11. August 2016 im Internet Archive) Weiterentwicklung des Glühkopfmotors. VDI-Nachrichten Sonderdruck vom 15. November 1952 (PDF, 4 S., 2,1 MB).
  10. Lanz Bulldog: Systematischen Übersicht der Lanz Typen von Glühkopf-Bulldogs von 1921–1945. abrufbar bei Lanz Bulldog Homepage, abgerufen: 8. Februar 2018.
  11. Lanz Glühkopf-Technik. (Memento vom 23. März 2019 im Internet Archive) LANZ-Bulldog-Club-Holstein e.V., archiviert: 23. März 2019.
  12. Patent DE938688C: Glühkopfmotor. Angemeldet am 31. Mai 1952, veröffentlicht am 2. Februar 1956, Anmelder: Heinrich Lanz AG, Erfinder: Anton Lentz.
  13. Beschreibung des Motors im Lanz Bulldog D 5006 (direkteinspritzender Glühkopf-„Halbdiesel“-Motor).
  14. VDA: Heinrich Lanz Werk Mannheim – Typ D 6007. Gruppe 15, Nr. 450 (direkteinspritzender Glühkopf-„Volldiesel“-Motor). (Memento vom 3. August 2016 im Internet Archive) Frankfurt am Main, April 1956 (PDF 156 kB, archiviert am: 3. August 2016).
  15. Lanz Halbdiesel-Technik. (Memento vom 17. Mai 2017 im Internet Archive) LANZ-Bulldog-Club-Holstein e.V., lbch.de, archiviert: 23. März 2019.
  16. a b Lanz Bulldog: Kraftstoffübersicht. Abrufbar bei: Lanz Bulldog Homepage, abgerufen: 8. Februar 2018.
  17. Lanz Glühkopf-Technik. (Memento vom 23. März 2019 im Internet Archive) Lanz Technik auf: LANZ-Bulldog-Club-Holstein e.V., (Memento vom 4. August 2018 im Internet Archive) archiviert: 1. September 2014.
  18. Lanz Bulldog: Anleitung zum Betrieb der Lötlampe. Abrufbar bei Lanz Bulldog Homepage, abgerufen: 8. Februar 2018.
  19. Lanz Bulldog: Der Anlaßvorgang. Abrufbar bei Lanz Bulldog Homepage, abgerufen: 8. Februar 2018.
  20. Lanz Bulldog: Anlassen des Glühkopfmotors. Abrufbar bei: Lanz Bulldog Homepage, abgerufen: 8. Februar 2018.
  21. a b Lanz Bulldog: Der Glühkopfmotor. Abrufbar bei: Lanz Bulldog Homepage, abgerufen: 8. Februar 2018.
  22. Lanz Bulldog: Rückwärtsgang durch Umsteuern des Motors. 14. Oktober 2012, topic=41999, Forum Allrad · Oldtimer · LKW · Hanomag u.a., Allrad-LKW-Gemeinschaft.de.
  23. HL12 und der „Rückwärtsgang“. (Memento vom 16. März 2019 im Internet Archive) www.lanzbulldog.de – Forum.