Grethe Jürgens

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Grethe Jürgens (* 15. Februar 1899 in Holzhausen bei Osnabrück; † 8. Mai 1981 in Hannover) war eine deutsche Malerin und Vertreterin der Neuen Sachlichkeit.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grethe (eigentlich Margarete) Jürgens war die Tochter des Lehrers Georg Gerhard Jürgens (* 1868) und seiner Ehefrau Ludvina Anna Jürgens, geb. Eckert (* 1874). Die katholische Familie zog 1900 von Holzhausen nach Wilhelmshaven, wo der Vater an einer Konfessionsschule unterrichtete. In Wilhelmshaven wurden ihre beiden Brüder Johannes (* 1902) und Heinrich (* 1904) geboren.[1]

Nach ihrem Abitur am Königin-Luise-Gymnasium begann Jürgens im Jahr 1918 zunächst ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule in Berlin. Erst seit 1909 hatten auch Frauen das Recht zur Immatrikulation (Frauenstudium) an der Charlottenburger TH erhalten.[2] Infolge der Novemberrevolution 1918 wurde die Hochschule geschlossen, und die Studierende kehrte wegen der politischen Situation nach Wilhelmshaven zurück.[3] 1919 immatrikulierte sich Jürgens für das Fach Graphik an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Hannover, wo sie bis 1922 eine Schülerin von Fritz Burger-Mühlfeld war. In dieser Klasse befreundete die Künstlerin sich mit Gerta Overbeck, Ernst Thoms, Friedrich Busack und Erich Wegner. Im Jahr 1925 schlossen sich Hans Mertens und Karl Rüter dieser Gruppe an, deren Künstler kunstgeschichtlich als Vertreter der Neuen Sachlichkeit gelten.[4]

Die Liststadt (Ausschnitt) mit den Atelierwohnungen unter den Flachdächern an der Podbielskistraße, bis zuletzt Wohnsitz von Grethe Jürgens

Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse, die in Deutschland durch die Inflation entstanden waren, musste Jürgens 1922 ihr Studium abbrechen und eine Tätigkeit als Reklamezeichnerin beim Unternehmen Hackethal Draht- und Kabelwerke AG beginnen. Den Arbeitsvertrag kündigte sie 1928, um eine Arbeit beim Wirtschaftsmagazin Der Manufakturist zu übernehmen, die sie nach sechs Monaten wieder verlor. Die prekäre Lage zwang Jürgens, sich in einem ehemaligen Hundezwinger in der Feldstraße (Calenberger Neustadt) einzumieten. 1929 zog sie in die Liststadt an der Podbielskistraße 288, wo sie Wohnsitz und Atelier bis zu ihrem Tode hatte.[5]

Von 1931 bis 1932 übernahm Jürgens die Redaktion der neugegründeten Zeitschrift Der Wachsbogen. Insgesamt erschienen zwölf Nummern der im Matrizendruck hergestellten Zeitschrift, die sich an die Vertreter der Neue Sachlichkeit richtete. Zu den Mitwirkenden gehörten Gerta Overbeck, Erich Wegner, Ernst Thoms sowie der Schriftsteller Gustav Schenk, mit dem Jürgens befreundet, auch verlobt war, und von dem sie 1931 ein Porträt anfertigte.[6]

Grabstein für Margarethe und Johannes Jürgens (1901–1984) auf dem Stadtfriedhof Lahe

1953 beteiligte Grethe Jürgens sich in der DDR mit dem Ölgemälde Ruhender Erntearbeiter (90 × 113 cm) an der Dritten Deutschen Kunstausstellung in Dresden.[7] 2005 widmete ihr Das Verborgene Museum in Berlin eine Ausstellung.

Den Nachlass von Jürgens hatte ihr Bruder Johannes Jürgens verwaltet. Das Spätwerk übergab er im Jahr 1984 dem Sprengel Museum in Hannover. Eine weitere Erbin war die Nichte Heide Jürgens-Hitz, Tochter des Bruders Heinrich Jürgens.[8]

Grethe Jürgens wurde auf dem Stadtfriedhof Lahe in Hannover beigesetzt. Ihr Grab wird als Ehrengrab von der Stadt Hannover gepflegt.[9]

Mitgliedschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Seit 1929: Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer e. V. (GEDOK).
  • Jahrzehnte war sie Mitglied im Kunstverein Hannover und gehörte dessen Beirat an.

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1979: Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens.
  • Nach Grethe Jürgens ist seit 1982 in Hannover eine Straße benannt, die gegenüber ihrer ehemaligen Wohnung von der Podbielskistraße nach Norden abgeht.[10]

Ausgewählte zeichnerische Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Krankes Mädchen, 1926
  • Schneiderpuppen, 1927
  • Frisierpuppen, 1927
  • Karl Eggert, 1927
  • Selbstbildnis, 1928
  • Arbeitsamt, 1929
  • Bildnis Gerta Overbeck, 1929
  • Bildnis des Malers Erich Wegner, 1929
  • Arbeitslose, 1929
  • Liebespaar, 1930
  • Blumenmädchen, 1931
  • Bildnis Schenk, 1931
  • Dame mit Hut (Selbstbildnis), 1932
  • Stoffhändler, 1932
  • Holzsammler, 1934
  • Ruhende Erntearbeiter, 1937
Buchgestaltung
  • G. J.: Das wunderliche Bilderbuch. Druck u. Verlag Offsetdruckerei, 9 n.n. Bl., Gleiwitz 1921
  • G. J.: Das Atelier. Die Heimbücherei John Jahr, Berlin 1943[11]
  • Karl Georg von Stackelberg: An mir vorbei. Von dem Mann mit dem spitzen Hut; von Stunden, Menschen und Strassen. Aquarelle Grethe Jürgens. Die Heimbücherei, Berlin 1942
  • Gustav Schenk: Das wunderbare Leben. Einbandentwurf, Textzeichnungen G. J.- Die Heimbücherei John Jahr, Berlin 1942/1943
    • Das leidenschaftliche Spiel. Schachbriefe an eine Freundin. Sponholtz, Hannover 1936. Mit 8 mehrfarbigen Bildtafeln von G. J. (wieder Verlag Schünemann, Bremen 1940)
    • Wenzels Naturalienkabinett oder Wenzelvaters und Wenzelsohnes Entdeckungen, Gegenstände der Natur betreffend. Nach alten Dokumenten und Erinnerungen an Wenzel-Ausprüche [sic!] neu zusammengestellt Bilder Grethe Jürgens. Sponholtz, Hannover 1947
    • Die Wermutinsel. Eine Dichtung vom Kleinleben einer Hallig. Wessobrunner Verlag, Berlin 1940. Mit 20 farbigen Offset-Tafeln nach Originalen von G. J.
    • Aronn oder das tropische Feuer. Mit 12 Zeichnungen, davon 4 Farbtafelnvon G. J.- Adolf Sponholtz
    • Frucht und Same. Sponholtz 1947. Umschlag von G. J.
  • Hans Wolfgang Behm: Hochzeit der Blumen. Das Liebesleben der Pflanzen im Naturbild der Landschaft. Adolf Sponholtz, Hannover 1950. Mit zwei Vierfarbentafeln von G. J.
  • Herbert Grünhagen: Die zwölf Herren. Mit Zeichnungen von G. J.- Karl Rauch, Dessau 1941[12]

Literatur (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Harald Seiler: Grethe Jürgens. Reihe: Niedersächsische Künstler der Gegenwart, 14, Musterschmidt, Göttingen 1976
  • Hildegard Reinhardt: Grethe Jürgens und Gerta Overbeck. Bilder der zwanziger Jahre. Bonner Kunstverein 1982.
  • Ludwig Zerull (Red., Layout), Günter Barz, Michael Herling (Fotos): Hannoversche Maler der Neuen Sachlichkeit, Begleitschrift zur (Wander-)Ausstellung der Niedersächsischen Sparkassenstiftung mit Bildern aus den Sammlungen der Stadtsparkasse Hannover, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und des Sprengel Museum Hannover, Hrsg.: Niedersächsische Sparkassenstiftung, Eigenverlag, Hannover: Th. Schäfer Druckerei, 1991, S. 14f.
  • Hiltrud Schroeder (Hrsg.): Sophie & Co. Bedeutende Frauen Hannovers. Biographische Portraits. Fackelträger, Hannover 1991, ISBN 3-7716-1521-6, S. 186–199
  • Heike Scholz: Am Rande des Blickfeldes. Grethe Jürgens – eine Künstlerin der zwanziger Jahre in Hannover. Dissertation an der Philipps-Universität Marburg 1999. (PDF; 15 MB)
  • Marsha Meskimmon: Grethe Jürgens, Gerta Overbeck und die „Frauenkultur“ in der Weimarer Republik. In: Christian Fuhrmeister (Hrsg.): Der stärkste Ausdruck unserer Tage. Neue Sachlichkeit in Hannover. 9. Dezember 2001 – 10. März 2002. Ausstellungskatalog Museum, Hildesheim u. a. 2001, S. 53–56.
  • Hugo Thielen: Art. Jürgens, Grethe, in: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 190f.; wieder in: Stadtlexikon Hannover, Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover 2009, S. 330f.
  • Henrike Schulte: Grethe Jürgens – ein Selbstbildnis von 1922. In: Uwe Fleckner (Hrsg.): Das wahre Gesicht unserer Zeit – Bilder vom Menschen in der Neuen Sachlichkeit. Ausstellungskatalog, Kunsthalle Kiel 2004, S. 114–116, ISBN 3-937208-07-0
  • Karin Orchard: Grethe Jürgens. „Damals ... machte ich Lebensentdeckungen – heute mache ich Bildentdeckungen“. In: Stefanie Patruno (Hrsg.): So viel Anfang! KünstlerInnen der Moderne und ihr Werk nach 1945. Wienand, Köln 2023, ISBN 978-3-86832-761-8, S. 91–106.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Grethe Jürgens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Scholz (1999), S. 18.
  2. Scholz (1999), S. 20f.
  3. Scholz (1999), S. 23.
  4. Scholz (1999), S. 33 u. FN 101.
  5. Heike Scholz: „Am Rande des Blickfeldes. Grethe Jürgens - eine Künstlerin der zwanziger Jahre in Hannover.“ Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde des Fachbereichs Germanistik und Kunstwissenschaften der Philipps - Universität Marburg, Köln, 1999
  6. Scholz (1999), S. 111.
  7. Katalog, S. 13
  8. Scholz (1999), S. 70 FN 202 u. S. 202 FN 623.
  9. Beschreibung auf Hannover.de mit Liste der Ehrengräber, Abruf am 8. September 2023
  10. Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.): Bedeutende Frauen in Hannover Eine Hilfe für künftige Benennungen nach weiblichen Persönlichkeiten. Hannover, 2013. S. 64
  11. Jürgens stellt in Text und Farbbildern ihr Atelier vor, Sütterlin-Schrift
  12. Inhalt: Januar/Hartung Februar/Hornung März/Lenzing April/Ostermond Mai/Weidemond Juni/Brachet Juli/Heuet August/Ernting September/Scheiding Oktober/Gilbhard November/Neblung Dezember/Julmond