Großherzogtum Frankfurt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Großherzogtum Frankfurt existierte von 1810 bis 1813. Mit 302.000 Einwohnern war es ein (bis auf die Exklave Wetzlar) zusammenhängender Modellstaat von 5.160 km² innerhalb des Rheinbundes. Hauptstadt und Regierungssitz war Frankfurt am Main. Der Großherzog residierte zumeist im Schloss Johannisburg in Aschaffenburg. In der Hauptstadt war ihm als offizielle Residenz das Palais Thurn und Taxis überlassen worden.

Das Großherzogtum (grau) und seine Nachbarstaaten
1. Frankfurt; 2. Aschaffenburg; 3. Fulda; 4. Hanau; Herz: Familie Dalberg

Geografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Fläche des Großherzogtums betrug 5.160 km², die Einwohnerzahl belief sich auf 302.000. Mit Ausnahme der Exklave Wetzlar war es ein territorial zusammenhängendes Staatsgebiet, das in die vier Departements Frankfurt, Hanau, Aschaffenburg und Fulda eingeteilt war.

Das Großherzogtum reichte im Norden an die Provinz Oberhessen (nördlicher Landesteil des Großherzogtums Hessen), das Fürstentum Isenburg (nördlicher Teil mit Wächtersbach, Meerholz, Büdingen, Birstein) und an das Departement der Werra des Königreichs Westphalen, im Osten an Teile des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, im Osten und Süden an das Großherzogtum Würzburg, im Süden an das Großherzogtum Baden und an das Fürstentum Isenburg (südlicher Teil mit Offenbach am Main und Neu-Isenburg). Im Westen schloss das Großherzogtum Frankfurt an das Herzogtum Nassau an. Außerdem lagen benachbart einige Besitztümer des Kaiserreichs Frankreich und des Fürstentums Lippe-Detmold.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karte des Großherzogtums von 1811

Entwicklung bis 1810[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Großherzogtum Frankfurt ist eng mit dem Namen Karl Theodor von Dalberg verbunden. Dalberg war der letzte Mainzer Erzbischof und Kurfürst. Durch den Reichsdeputationshauptschluss wurde der rechtsrheinische Teil des Erzstifts Mainz säkularisiert und als Fürstentum Aschaffenburg neu konstituiert. Zusammen mit den Territorien vom Fürstentum Regensburg und Wetzlar bildete es den Staat des Kurerzkanzlers. Im Rheinbundvertrag von 1806 wurde diesem zusätzlich die Reichsstadt Frankfurt zugesprochen.

Am 19. Februar 1810 unterzeichnete Napoleon I. einen Staatsvertrag, durch den das Großherzogtum gegründet wurde. Der Neugründung wurden unter Dalbergs Verzicht auf das Fürstentum Regensburg das Fürstentum Hanau und das ehemalige Hochstift Fulda einverleibt.

Verfassung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 16. August 1810 wurde mit dem Höchsten Organisations-Patent der Verfassung des Großherzogtums Frankfurt[1] eine am französischen Vorbild orientierte Verfassung erlassen. Sie sah Napoleons Stiefsohn Eugène de Beauharnais als Thronfolger vor.[2] Eine Ständeversammlung des Großherzogtums Frankfurt war als Parlament vorgesehen.[3] Sie hatte allerdings nur beratende Funktion und tagte nur ein einziges Mal, am 15.–26. Oktober 1810. Tagungsort war das Stadtschloss Hanau. Drei Ministerien wurden eingerichtet[4]:

  1. Auswärtiges, Kultus und Krieg (Josef Karl Theodor von Eberstein); Dienstsitz: Frankfurt
  2. Inneres, Justiz und Polizei (Franz Joseph von Albini); Dienstsitz: Stadtschloss Hanau
  3. Finanzen, Domänen und Handel (Leopold von Beust, später: Karl Christian Ernst von Bentzel-Sternau); Dienstsitz: Frankfurt

Reformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dalberg erkannte den Reformdruck, dem nachzugeben auch erforderlich war, um den neuen Staat zu erhalten. Inwieweit er aus eigener Initiative, inwieweit er gezwungen durch äußeren Druck handelte, ist umstritten.[5] Die Gleichheit der Untertanen vor dem Gesetz – einschließlich Abschaffung von Leibeigenschaft und Frondiensten, Abschaffung der Adelsprivilegien und Judenemanzipation – wurde eingeführt (§§ 13f Höchstes Organisations-Patent), ebenso die Religionsfreiheit (§ 11 Höchstes Organisations-Patent). Zum 1. Januar 1811 wurde der Code civil eingeführt.[6] Im Januar 1812 wurde die Karlsuniversität in Aschaffenburg gegründet, deren Juristische Fakultät nach Wetzlar (Rechtsschule Wetzlar) und deren medizinisch-chirurgische Fakultät nach Frankfurt (Dr. Senckenbergische Stiftung) ausgelagert waren. Im Februar 1812 erließ Dalberg das „Schulpatent“. Damit sollte das Schul- und Bildungssystem landesweit nach französischem Vorbild reformiert werden. Dalberg ordnete die Verstaatlichung des gesamten Schulwesen und – soweit noch nicht geschehen – Herausnahme der allgemeinbildenden Schulen aus der kirchlichen Trägerschaft an. Diese Reform war in den Teilen des Großherzogtums, die zuvor schon von Dalberg regiert worden waren, schon 1806 eingeführt worden.[7] Das Lyceum Carolinum in Frankfurt sollte die allgemeinwissenschaftliche Bildung der Studenten übernehmen und sie für das akademische Fachstudium an der Landesuniversität vorbereiten. Auch in den anderen Departementhauptstädten Aschaffenburg, Hanau und Fulda sollten Lyceen gegründet werden.

Mit Verordnung vom 5. Oktober 1812 wurde ab Anfang 1813 eine neue Gerichtsverfassung geschaffen: In jeder Departementshauptstadt und zusätzlich in Wetzlar wurde ein „Departementsgericht“ für zivilrechtliche Streitigkeiten eingerichtet. In der Praxis wurden die dort bereits bestehenden Gerichte lediglich umbenannt. Als zweite Instanz bestand in Frankfurt ein Appellationshof. Der Staatsrat des Großherzogtums bildete darüber hinaus den Kassationshof des Landes.[8] Die standesherrliche und die Patrimonialgerichtsbarkeit blieben aber weitestgehend bestehen. Auch die römisch-katholische Geistlichkeit war vom ordentlichen Gerichtsweg ausgenommen – nicht aber die der evangelischen Kirchen.[9]

Alle Konsistorien der Vorgängerstaaten – außer dem des Fürstentums Hanau – wurden aufgelöst. Das Konsistorium in Hanau wurde damit auch zur obersten Kirchenbehörde für die Lutherische und die Reformierte Kirche in Frankfurt, Wetzlar und Fulda.[10]

Ähnlich wie im Königreich Westphalen und im Großherzogtum Berg waren aber auch hier alle Bemühungen, einen von den Prinzipien der Aufklärung geprägten Modellstaat zu schaffen, durch die extremen wirtschaftlichen Belastungen der napoleonischen Kriege zum Scheitern verurteilt. Dazu gehörte auch die Konskription für die napoleonische Armee. Das Großherzogtum hatte ein Kontingent von 2.800 Mann zu stellen und auszurüsten.[11] Hinzu kam die Unterbringung und Verpflegung durchziehender Truppen, besonders im Kinzigtal. Der Staat bewegte sich ständig am Rand des Staatsbankrotts, was auch daran lag, dass der überwiegende Teil der Staatsdomänen im Gebiet des Großherzogtums schon Jahre zuvor von Napoleon beschlagnahmt worden und an seine Schwester, Pauline Bonaparte, und verdiente Generäle vergeben worden war. Allein dadurch verlor der Staat jährlich Einnahmen in Höhe von 600.000 Francs.[12] Vollständig scheiterte auch eine innere territoriale Neuordnung des Großherzogtums mit Bereinigung der zum Teil in hohem Maß komplizierten Gemengelage von En- und Exklaven.[13]

Ende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dalberg verließ das Großherzogtum am 30. September 1813 und dankte am 28. Oktober zugunsten des von Napoleon designierten Thronfolgers, Eugène de Beauharnais, ab.

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig und dem Wiener Kongress zerfiel das Großherzogtum. Fulda und Hanau fielen an das Kurfürstentum Hessen, Aschaffenburg an Bayern, Wetzlar an Preußen. Frankfurt sollte ebenfalls an Bayern fallen, doch gelang es den städtischen Unterhändlern auf dem Wiener Kongress, die Wiederherstellung als Freie Stadt Frankfurt durchzusetzen.

Militär[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frankfurt stellte als Mitglied des Rheinbundes ein Regiment Linieninfanterie, das auf französischer Seite am Spanischen Unabhängigkeitskrieg teilnahm.

Administrative Einteilung (1811)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Departement Frankfurt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nummer Name Anzahl der Gemeinden nach 1815
I Departement Frankfurt 11
1 Frankfurt (Stadt) 1 Freie Stadt Frankfurt
2 Frankfurt (Landdistriktsmairie) 9 Großteil Frankfurt,
Teil Hessen-Darmstadt
3 Wetzlar (Unterpräfektur) 1 Preußen

Departement Aschaffenburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nummer Name Anzahl der Gemeinden nach 1815
II Departement Aschaffenburg 177 Bayern
1 Aschaffenburg (Distriktsmairie) 2
2 Aufenau 2
3 Kreuzwertheim 9
4 Eschau 4
5 Frammersbach 4
6 Kaltenberg 26
7 Kleinwallstadt 11
8 Krombach 11
9 Lohr 7
10 Obernburg 11
11 Rieneck 4
12 Rothenbuch 18
13 Rothenfels 8
14 Schweinheim 18
15 Triefenstein 6
16 Klingenberg 11
17 Stadtprozelten 7
18 Hoppach 1
19 Fechenbach 2
20 Orb 5
21 Burgjoß 10

Departement Fulda[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nummer Name Anzahl der Gemeinden nach 1815
III Departement Fulda 305
1 Fulda (Stadt) 1 Hessen-Kassel
2 Bieberstein (Distriktsmairie) 26 Hessen-Kassel und Bayern
3 Brückenau 23 Bayern
4 Burghaun 16 Hessen-Kassel
5 Dermbach 16 Sachsen-Weimar
6 Eiterfeld 20 Hessen-Kassel
7 Fulda Land 34 Hessen-Kassel
8 Geisa 21 Sachsen-Weimar
9 Großenlüder 20 Hessen-Kassel
10 Hammelburg 18 Bayern
11 Haselstein 9 Hessen-Kassel
12 Hünfeld 17 Hessen-Kassel
13 Johannesberg 21 Hessen-Kassel
14 Neuhof 21 Hessen-Kassel
15 Salmünster 18 Hessen-Kassel
16 Weyhers 24 Hessen-Kassel und Bayern

Departement Hanau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nummer Name Anzahl der Gemeinden nach 1815
IV Departement Hanau 83 Hessen-Kassel
1 Hanau (Stadt) 1
2 Altengronau (Distriktsmairie) 8
3 Bergen 14
4 Bieber 5
5 Büchertal 14
6 Gelnhausen 11
7 Schwarzenfels 10
8 Steinau 13
9 Windecken 7

Anmerkung: Die Ortschaften Dorndiel, Mosbach und Radheim der Distriktsmairie Obernburg kamen erst 1817 durch Gebietstausch von Bayern an das Großherzogtum Hessen (Hessen-Darmstadt).

Regierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Paul Darmstädter: Das Großherzogtum Frankfurt: Ein Kulturbild aus der Rheinbundzeit. Frankfurt 1901.
  • Konrad M. Färber (Hrsg.): Carl von Dalberg. Erzbischof und Staatsmann (1744–1817). MZ-Buchverlag, Regensburg 1994, ISBN 3-927529-03-6 (Ausstellungskatalog).
  • Konrad M. Färber: Kaiser und Erzkanzler, Carl von Dalberg und Napoleon; die Biographie des letzten geistlichen Fürsten in Deutschland. Mittelbayerische Druck- und Verlagsgesellschaft, Regensburg 1994, ISBN 3-927529-51-6. (zugl. Diss. Univ. München 1982)
  • Nils Hein: Der Staat Karl Theodor von Dalbergs: Theoretischer Führungsanspruch und politische Ohnmacht im Alten Reich und im Rheinbund (1802–1813) Dissertation. Frankfurt 1996.
  • Jochen Lengemann: Parlamente in Hessen 1808–1813. Biographisches Handbuch der Reichsstände des Königreichs Westphalen und der Ständeversammlung des Großherzogtums Frankfurt. (= Die Hessen-Bibliothek). Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-458-16185-6.
  • Ralf Schumacher: Die politische Integration des Fürstentums Hanau in das Grossherzogtum Frankfurt. In: Hanauer Geschichtsverein 1844 e. V.: Hanau in der Epoche Napoleons (= Hanauer Geschichtsblätter 47). Hanau ca. 2015, ISBN 978-3-935395-21-3, S. 137–185.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Grand Duchy of Frankfurt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. GfRegBl. 1810, 1. Band, S. 10 ff.
  2. Schumacher, S. 138.
  3. Schumacher, S. 152f.
  4. Schumacher, S. 149f.
  5. Schumacher, S. 140.
  6. Schumacher, S. 162.
  7. Schumacher, S. 163.
  8. Schumacher, S. 162.
  9. Schumacher, S. 163.
  10. Schumacher, S. 163.
  11. Schumacher, S. 169.
  12. Schumacher, S. 153.
  13. Schumacher, S. 165ff.