Guter Mond, du gehst so stille

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Guter Mond, du gehst so stille bei Max Friedlaender: Deutscher Liederschatz. Die schönsten Weisen der alten Sammlung Ludwig Erks. Leipzig um 1920

Guter Mond, du gehst so stille ist der Titel eines deutschsprachigen Volksliedes, das in verschiedenen Fassungen und nahezu unzählbaren Adaptionen verbreitet ist.

Zur Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Urfassung war das Stück ein anonymes, volkstümliches Liebeslied mit sieben Strophen, das ab etwa 1800 in mehreren Liedflugschriften überliefert ist.[1] Die Entstehungszeit wird gegen Ende des 18. Jahrhunderts vermutet. Der Sänger verzehrt sich nach einer verklärten Geliebten, die er nicht aufsuchen könne, da er schon „gebunden“, also verlobt oder verheiratet sei. Schon diese Textfassung wurde oft variiert.

Der Schulmeister und Dichter Karl Enslin schuf 1851 eine dreistrophige Fassung mit christlich-erbaulicher Tendenz, die den Liebeskonflikt ausspart.[2] Diese Fassung herrschte in der Wirkungsgeschichte des Liedes lange Zeit vor. Beispielsweise vertonte Engelbert Humperdinck 1909 in einer Bearbeitung für Singstimme und Klavier Enslins Text.[3] Auch heutzutage noch wird Enslins Text vorzugsweise in Kinderliederbüchern abgedruckt.[4] Karl Hermann Prahl spricht in der 4. Auflage von Hoffmann von Fallerslebens Nachschlagewerk Unsere volkstümlichen Lieder Enslin die Autorschaft für den Liedtext ab.[5] Er übersah dabei aber, dass Enslin nicht der Autor der Originalfassung ist, sondern des dreistrophigen Andachtslieds.

Die Melodie wird auf die Zeit um 1800 datiert. Erstmals gedruckt erscheint sie bei Ludwig Erk 1838 mit dem Vermerk „in ganz Deutschland bekannt“.[6] Gelegentlich wird die Melodie Anton Neyer (einem ansonsten offenbar völlig unbekannten Komponisten) zugeschrieben.[7][8] Die Melodie greift möglicherweise ältere Vorbilder wie Arm und klein ist meine Hütte von Ernst Wilhelm Wolf[9] und das Abschiedslied Dein gedenk ich von J. A. Wenk auf.[7] Davon abgesehen blieb die Melodie ein bis heute beliebtes Leierkastenstück. Für den Liedforscher Max Friedlaender gilt die Melodie „mit Recht als ein Typus sentimentaler Biedermaier-Weisen“.[10] Ausführlicheres zur Geschichte findet sich im Liederlexikon.[1]

Melodie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Melodiefassung des Kunstliedes von Engelbert Humperdinck mit dem Liebesliedtext:



<<
  \new Voice \relative c'' {
    \autoBeamOff
    \language "deutsch"
    \tempo 4 = 80 \set Score.tempoHideNote = ##t
    \key f \major
    \partial 4
    \repeat unfold 2 {
      c8. b16 a4 a a8 [ b ] c [ d ]
      c8. [ b16 ] g4 r
      c8. b16 a4. a8 g8 [ f ] g [ a ] f2 r4
    }
    g8. a16 b4 g r
    a8. b16 c4 a r
    a8 c d4. c8 d [ c ] b [ a ] a4 ( g ) r
    c8. b16 a4 a a8 [ b ] c [ d ] c8. [ b16 ] g4 r
    c8. b16 a4. a8 g8 [ f ] g [ a ] f2 r4
    \bar "|."
  }
  \addlyrics {
    Gu -- ter Mond, du gehst so stil -- le
    in den A -- bend -- wol -- ken hin,
    bist so ru -- hig, und ich füh -- le,
    dass ich o -- hne Ru -- he bin.
    Trau -- rig fol -- gen mei -- ne Bli -- cke
    dei -- ner stil -- len hei -- tern Bahn.
    O wie hart ist mein Ge -- schi -- cke,
    dass ich dir nicht fol -- gen kann!
  }
>>

Bekannte Interpreten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Vortrag durch berühmte Chöre wie die Wiener Sängerknaben[11] dürfte vor allem die Version von Heintje aus dem Jahr 1967 in zahlreichen Ohren sein.[12] Sie ist sozusagen noch kürzer, legierter, unverfänglicher als die berühmte Version der Comedian Harmonists, die ebenfalls mit einer Mischung aus dem ursprünglichen Lied von der verbotenen Liebe und der erbaulichen Fassung Karl Enslins aufwartet. Die Stars der späten 1920er Jahre belassen es zwar bei drei Strophen (wie Enslin), verquicken das Tröstliche jedoch mit Weltschmerz.[13] Ähnlich bei Nana Mouskouri: Das zur Schlafenszeit belehrte Kind darf immerhin traurig sein, wenn auch offenbleibt, aus welchem Grund es trauert.[14] Der belgische Sänger Louis Neefs sang 1972 Margrietje auf die Melodie von Guter Mond, du gehst so stille.[15]

Text[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Liedflugschrift (1808)

Guter Mond, du gehst so stille
In den Abendwolken hin,
Bist so ruhig, und ich fühle,
Daß ich ohne Ruhe bin!
Traurig folgen meine Blicke
Deiner milden, heitern Bahn;
O wie hart ist das Geschicke,
Daß ich dir nicht folgen kann!

  Guter Mond, dir will ich’s klagen,
Was mein banges Herze kränkt,
Und bei allen meinen Plagen
Die betrübte Seele denkt.
Guter Mond, du sollst es wissen,
Weil du so verschwiegen bist,
Warum meine Thränen fließen,
Und mein Herz so traurig ist.

  Dort in jenem kleinen Thale,
Wo viel junge Bäumchen stehn,
Und nicht weit vom Wasserfalle
Wirst du eine Hütte sehn.
Geh’ durch Thäler, Feld und Wiesen,
Blicke sanft durch’s Fenster hin;
So erblickest du Elisen,
Aller Mädchen Königinn. | [fol 1v]

  Nicht in Gold, und nicht in Seide
Wirst du dieses Mädchen sehn,
Nur in einem weißen Kleide
Pflegt sie stets einher zu gehn.
Nicht von Adel, nicht vom Stande,
Was man sonst so hoch verehrt;
Nicht in einem Ordensbande
Hat dies Mädchen ihren Werth.

 Nur ihr Reiz, ihr gutes Herze
Macht sie liebenswerth bei mir,
Sanft im Ernst, und froh im Scherze,
Jeder Zug ist gut an ihr;
Ausdrucksvoll sind die Geberden
Schön und heiter ist ihr Blick.
Kurz, von ihr geliebt zu werden,
Ist für mich das größte Glück.

  Mond, du Freund der keuschen Triebe,
Schleiche in ihr Hüttchen ein,
Sage ihr: daß ich sie liebe
Und sie mein ist ganz allein,
Mein Vergnügen, meine Freude,
Meine Lust, mein Alles ist;
Daß ich gerne um sie leide,
Wenn sie mich zuweilen küßt.

  Daß ich aber schon gebunden,
Und auch leider! zu geschwind
Meine süßen Freiheitsstunden
Von mir weggeschwunden sind;
Daß ich aber ohne Sünde
Leben könne in der Welt: –
Geh’ und sag’ dem schönen Kind,
Ob ihr diese Lieb’ gefällt?[16]

Karl Enslin (1851)

Guter Mond, du gehst so stille
Durch die Abendwolken hin;
Deines Schöpfers weiser Wille
Hieß auf jener Bahn dich ziehn.
Leuchte freundlich jedem Müden
In das stille Kämmerlein!
Und dein Schimmer gieße Frieden
In’s bedrängte Herz hinein!

Guter Mond, du wandelst leise
An dem blauen Himmelszelt,
Wo dich Gott zu seinem Preise
Hat als Leuchte hingestellt.
Blicke traulich zu uns nieder
Durch die Nacht auf’s Erdenrund!
Als ein treuer Menschenhüter
Thust du Gottes Liebe kund!

Guter Mond, so sanft und milde
Glänzest du im Sternenmeer,
Wallest in dem Lichtgefilde
Hehr und feierlich einher.
Menschentröster, Gottesbote,
Der auf Friedenswolken thront:
Zu dem schönsten Morgenrothe
Führst du uns, o guter Mond![2]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Volksliedforscher Franz Magnus Böhme ließ 1895 kein gutes Haar an dem Lied:

„Dieses Lied mit seinem überaus langweiligen Liebesjammer wurde bis um 1850 gesungen, gewöhnlich aber blos die erste Strophe und zuletzt blos zum Jux. Vollständig findet es sich bis heute in allen Taschenliederbüchern. Wenn es auch hier steht, so verzeihe der Leser (singen wird’s wohl niemand wieder!): es sollte nur als Beleg dafür dienen, mit welcher unpoetischen Kost der Deutsche sonst sich zufrieden stellte.“[17]

Diesem vernichtenden Urteil zum Trotz finden sich im Deutschen Volksliedarchiv viele Belege für das Lied vom Beginn des 20. Jahrhunderts sowie Drucke in Liederbüchern der Jugendbewegung.[1]

Parodien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das romantische Lied wurde oft parodiert. So nahm der Berliner Humorist Adolf Glaßbrenner Guter Mond, du gehst so stille 1845 von einer vormärzlichen Warte aus auf die Schippe;[18] ähnlich 1920 (während die deutsche Revolution erneut auf sich warten ließ) Kurt Tucholsky unter dem Titel An den deutschen Mond.[19] Tucholskys Attacke wurde unter anderem von Hanns Eisler vertont, der sich dabei stark an die volkstümliche Liedweise anlehnte.

Trivia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ein Krimi von Kay Borowsky aus dem Jahr 1984 spielt im Titel auf den Ohrwurm an: Guter Mond, du gehst so stille.
  • Bei der Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals im Jahr 1895 spielte eine Marine-Empfangskapelle die Hymnen der Nationen der durchfahrenden Schiffe. Bei einem türkischen Schiff fehlten die Noten, daher spielte die Kapelle in Anspielung auf die Halbmondflagge das Volkslied.[20][21]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Guter Mond, du gehst so stille – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Tobias Widmaier: Guter Mond, du gehst so stille (2010). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon
  2. a b Karl Enslin: Lebensfrühling. Gedichte für die Jugend. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage, Leipzig 1851, S. 197 f. (Transkription und Scan des Originaldrucks)
  3. Text und Vortrag durch Konstantin Wolff im Liederprojekt von Carus-Verlag und SWR2, abgerufen am 25. November 2012
  4. z. B. Ingeborg Weber-Kellermann: Das Buch der Kinderlieder (= Serie Musik. 8370). Neuauflage. Schott, Mainz 2010, ISBN 978-3-254-08370-8, S. 46; Hermann Drews: Was Kinder gerne singen. Südwest, München 1999, ISBN 3-517-07833-6, S. 106 f.
  5. Hoffmann von Fallersleben, Karl Hermann Prahl: Unsere volkstümlichen Lieder. 4. Auflage. Engelmann, Leipzig 1900, S. 111 (Textarchiv – Internet Archive).
  6. Ludwig Erk, Wilhelm Irmer (Hrsg.): Die deutschen Volkslieder mit ihren Singweisen. Zweites Heft. Plahn, Berlin 1838, S. 26 f. (Edition im Liederlexikon des Deutschen Volksliedarchivs).
  7. a b Theo Mang, Sunhilt Mang (Hrsg.): Der Liederquell. Noetzel, Wilhelmshaven 2007, ISBN 978-3-7959-0850-8, S. 142–144.
  8. Deutsche Digitale Bibliothek
  9. aus: Christian Jakob Wagenseil: Ehrlichkeit und Liebe. Ein ländliches Schauspiel mit Gesang, in einem Aufzug. Die Musik ist vom Herrn Kapellmeister Wolf zu Weimar. Ettinger, Gotha 1779, S. 11 f. (Digitalisat in der Google-Buchsuche ).
  10. Max Friedlaender: Das deutsche Lied im 18. Jahrhundert. Quellen und Studien. Band 2. Cotta, Stuttgart/Berlin 1902, S. 451–453 (Textarchiv – Internet Archive).
  11. 1961 unter dem Titel An den Mond
  12. Fassung von Heintje, abgerufen am 17. April 2011
  13. Text und Vortrag, beide Webseiten abgerufen am 17. April 2011
  14. So auf Mouskouris Platte Kinderlieder von 1979, Text siehe hier, abgerufen am 17. April 2011
  15. muziekarchief.be
  16. Vier (Nr. 13) Neue Lieder. Ratibor 1808, Edition im Liederlexikon des Deutschen Volksliedarchivs, abgerufen am 31. Januar 2018
  17. Franz Magnus Böhme: Volksthümliche Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1895, S. 351 f. (Textarchiv – Internet Archive).
  18. Adolf Glaßbrenner, Parodie des Vormärz 1845, Edition im Liederlexikon des Deutschen Volksliedarchivs, abgerufen am 17. April 2011
  19. Parodie Kurt Tucholsky 1920, Edition im Liederlexikon des Deutschen Volksliedarchivs, abgerufen am 17. April 2011
  20. Cem Özdemir. In: Der Spiegel. Nr. 9, 1996, S. 253 (online).
  21. Christa Schaffmann: Marinekapelle spielte „Guter Mond“. In: Berliner Zeitung, 10. August 2011 (online, abgerufen am 7. Oktober 2011)