Güner Yasemin Balcı

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Güner Y. Balcı bei einer Lesung, September 2010

Güner Yasemin Balcı (* 9. Februar 1975 in West-Berlin) ist eine deutsche Journalistin, Schriftstellerin und Dokumentarfilmerin. Im August 2020 wurde sie Integrationsbeauftragte von Berlin-Neukölln.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Balcıs Eltern stammen aus der Türkei und gehören der Volksgruppe Zaza an.[1] Sie kamen in den 1960er-Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland.[2] Balcı wurde in Berlin-Neukölln geboren und wuchs dort auch auf. Sie wurde alevitisch erzogen; so trugen sie und ihre Familie kein Kopftuch.[3]

Nach dem Abitur studierte sie zunächst Erziehungs- und Literaturwissenschaften. Anschließend arbeitete sie zeitweise in einem Modellprojekt zur Gewalt- und Kriminalprävention im Rollbergviertel, einem sozialen Brennpunkt Neuköllns, und in einem Mädchentreff für Jugendliche aus türkischen und arabischen Familien.[4]

Als freie Journalistin und Fernsehautorin befasst sie sich in Berichten und Reportagen unter anderem für die Zeit,[5] Spiegel Online[6] und Panorama[7] kritisch mit der Situation von Migranten in der deutschen Gesellschaft. Bis Ende 2008 war sie beim ZDF für das Fernsehmagazin frontal21 als Fernsehredakteurin tätig.[4]

Im September 2008 erschien im S. Fischer Verlag ihr Debütroman Arabboy – Eine Jugend in Deutschland oder das kurze Leben des Rashid A., der von Spiegel-Online als „Milieu-Roman“[8] etikettiert wurde. Er wurde unter anderem in der Süddeutschen Zeitung,[9] der Frankfurter Allgemeinen Zeitung[10] und der taz[11] ausführlich besprochen. Balcı wurde auch im Deutschlandfunk und im Rahmen der Frankfurter Buchmesse zu ihrem Buch interviewt.[12][13]

Die Regisseurin Nicole Oder adaptierte und führte den Roman noch im Jahr seiner Veröffentlichung für das Theater auf. Das Stück Arabboy wurde am 29. Mai 2009 im Berliner Heimathafen Neukölln uraufgeführt.[14]

Eine Adaption von Balcıs zweitem Buch ArabQueen oder der Geschmack der Freiheit hatte im November 2010 unter dem Titel Arabqueen oder das andere Leben wiederum im Heimathafen Neukölln Premiere.[15] Im Roman, der dem Stück zugrunde liegt, wird das Leben von Mariam beschrieben, die aus einem streng muslimischen Elternhaus stammt. Anders als ihren Brüdern werden ihr dort kaum Freiheiten zugestanden, was zu einem Doppelleben zwischen den Kulturen führt.[16]

Im Juli 2010 sendete die ARD die Dokumentation Kampf im Klassenzimmer, die von Balcı und Nicola Graef gedreht wurde. 2012 wurde Balcı zusammen mit Nicola Graef mit dem Civis-Fernsehpreis für die Reportage Tod einer Richterin – Auf den Spuren von Kirsten Heisig der WDR-Fernsehreihe Menschen hautnah ausgezeichnet.[17] Im Dezember 2015 wurde auf arte ihr Film Der Jungfrauenwahn gezeigt,[18] für den sie 2016 den Bayerischen Fernsehpreis erhielt, weil es ihr darin nach Meinung der Jury gelang, „für die Freiheit und Selbstbestimmung der Frau einzutreten, gleichzeitig den Schutz des Privaten zu wahren und die Voraussetzungen für eine moderne und zeitgemäße Gesellschaft unterschiedlicher Kulturen einzufordern.“[19]

Im Herbst 2019 wurde ihre Dokumentation Die große Reise – Seyran Ateş und der Weg zu einem reformierten Islam im ZDF gesendet.[20] Dafür begleitete Balcı die erste deutsche Imamin Seyran Ateş eineinhalb Jahre beim Aufbau der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin.[21]

Balcı ist Gründungsmitglied des 2015 gegründeten Muslimischen Forums Deutschland.[22] Im August 2020 wurde Balcı Integrationsbeauftragte im Berliner Bezirk Neukölln.[23]

Bücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Arabboy – Eine Jugend in Deutschland oder das kurze Leben des Rashid A. 2. Auflage, Fischer, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-10-004813-4.
  • ArabQueen oder der Geschmack der Freiheit. Fischer, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-10-004814-1.
  • Aliyahs Flucht: oder Die gefährliche Reise in ein neues Leben. 1. Auflage, S. Fischer, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-10-004816-5.
  • Das Mädchen und der Gotteskrieger. 1. Auflage, S. Fischer, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-10-002489-3.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Güner Balcı – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Daniela Martens: Arabboy: Das Buch ihres Lebens. In: Tagesspiegel. 12. September 2008 (tagesspiegel.de).
  2. Porträt auf Perlentaucher, abgerufen am 18. August 2022
  3. Anne Will: 50 Jahre Ali in Almanya - immer noch nix deutsch (ab 0:37:00) auf YouTube
  4. a b Güner Yasemin Balci - 3 Bücher - Perlentaucher. Abgerufen am 13. Februar 2024.
  5. Güner Balci: Tritt ins Gesicht. 8. Juni 2006, abgerufen am 13. Februar 2024.
  6. Schul-Desaster in Berlin: Lehranstalt als Wartehalle für Knast oder Hartz IV. In: Der Spiegel. 31. März 2006, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 13. Februar 2024]).
  7. NDR Panorama – Die Reporter.
  8. Anjana Shrivastava: Milieu-Roman "Arabboy": Berliner Elendsgesichter. In: Der Spiegel. 27. September 2008, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 13. Februar 2024]).
  9. Güner Yasemin Balci: Arabboy. Eine Jugend in Deutschland oder Das kurze Leben des Rashid A. - Perlentaucher. Abgerufen am 13. Februar 2024.
  10. Es kann immer noch schlimmer kommen. In: FAZ.NET. 15. Oktober 2008, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 13. Februar 2024]).
  11. MARTIN REICHERT: „Ich bin immer noch eine von uns“. In: Die Tageszeitung: taz. 22. November 2008, ISSN 0931-9085, S. 1001–1003 (taz.de [abgerufen am 13. Februar 2024]).
  12. „Eine verlorene Generation – Was tun gegen die Jugendkriminalität?“; Radiofeuilleton im Deutschlandradio Kultur vom 10. Januar 2009 (abgerufen am 5. Februar 2009).
  13. Güner Yasemin Balcı auf dem „blauen sofa“ der Frankfurter Buchmesse, 15. Oktober 2008: übertragen von Deutschlandradio Kultur und ZDF (abgerufen am 5. Februar 2009); Video Güner Yasemin Balcı auf dem blauen Sofa in der ZDFmediathek, abgerufen am 5. Februar 2009. (offline)
  14. Ulrike Linzer: Hauptrolle in Neukölln. In: Die Zeit. 29. Mai 2009, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 13. Februar 2024]).
  15. Gerhard Heß: ARABQUEEN im Heimathafen Neukölln: Ein Kultstück, das Hoffnung macht (Memento vom 3. Februar 2014 im Internet Archive). Auf: spielart-berlin.de am 28. Februar 2011.
  16. ArabQueen: oder Der Geschmack der Freiheit. Abgerufen am 13. November 2012 (siehe Kurzbeschreibung des Buchs).
  17. CIVIS Fernsehpreis 2012 für WDR-Dokumentation, Pressemitteilung des WDR vom 10. Mai 2012.
  18. Alexander Jürgs: „Sexuelle Unterdrückung ist Hauptproblem des Islam“. In: Welt. Axel Springer SE, 4. Dezember 2015, abgerufen am 2. März 2018.
  19. Pressemitteilung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums zum 28. Bayerischen Fernsehpreis (Memento vom 4. Juni 2016 im Internet Archive), 3. Juni 2016
  20. Die große Reise–Seyran Ateş und der Weg zum reformierten Islam. Abgerufen am 17. Oktober 2019.
  21. Oliver Jungen: ZDF-Doku über Seyran Ateş: Ein neues Haus für Allahs Kinder. 30. September 2019, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 17. Oktober 2019]).
  22. "Muslimisches Forum Deutschland" auf Initiative der Konrad-Adenauer-Stiftung gegründet. 22. April 2015, abgerufen am 13. Februar 2024.
  23. Güner Balci wird Neuköllner Integrationsbeauftragte. 3. August 2020, abgerufen am 13. Februar 2024.
  24. LesePeter (Memento vom 21. Mai 2014 im Internet Archive).
  25. Preise und Auszeichnungen. 7. November 2023, abgerufen am 13. Februar 2024.