Hans Witten

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Tulpenkanzel im Dom von Freiberg, um 1508–1510
Schöne Tür in Annaberg, signiert HW, 1512

Hans Witten (* 1470/80 möglicherweise in Braunschweig; † nach 1522 vermutlich in Annaberg; korrekt ist jedoch der Notname Meister H. W.) ist nach einer immer noch umstrittenen Identifizierung der Name eines deutschen Bildhauers, der drei Werke mit dem Kürzel H.W. signierte. Er gilt nicht nur als bedeutender Braunschweiger Bildhauer, sondern als einer der Hauptmeister der Spätgotik, der vermutlich in Braunschweig die Kanzel in der Aegidienkirche fertigte, später nach Sachsen ging und dort seine Hauptwerke, u. a. die Tulpenkanzel im Freiberger Dom, schuf.

Leben und Namensgebung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgangspunkt für die Rekonstruktion von Leben und Werk des Meisters sind drei Werke, an denen sich das Monogramm H. W. findet: die Hl. Helena in Halle, der Altar in Borna und die Schöne Tür in Annaberg. Aus stilistischen Gründen werden dem Meister weitere Werke zugeschrieben, insbesondere die Tulpenkanzel des Domes zu Freiberg und die Kanzel der Aegidienkirche in Braunschweig. Dazu kommen das Schlosskirchenportal in Chemnitz und das Hochaltarretabel der Niklaskirche in Ehrenfriedersdorf sowie weitere Werke in Goslar, Chemnitz-Ebersdorf und Waldkirchen im Erzgebirge.

Auf der Suche nach einem in den Schriftquellen der genannten Standorte nachweisbaren Bildhauer fand Walter Hentschel verschiedene Nennungen eines „Hans Witten“, den er zeitweise mit einem ebenfalls in den Quellen genannten „Hans von Cöln“ identifizierte. Die Identifizierung des Meisters HW mit Hans Witten wird neuerdings wieder bestritten[1]. Im Braunschweiger Stadtarchiv ist ein Meister Johann van Kollen verzeichnet, der am 15. November 1477 sein Testament hinterlegte, dieser hatte einen Sohn namens Hans. Daher wird angenommen, dass Hans Witten von Köln in Braunschweig geboren ist.[2] Des Weiteren ist sein Name im Jahre 1502 im „Schoßverzeichnis von Chemnitz“ als Bürger Hans Witten von Köln verzeichnet.[3] Im Jahre 1507 wird einmal Hans von Köln und ein zweites Mal Hans Witten von Köln als Schöpfer des Ehrenfriedersdorfer Altars genannt.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Waldkirchener Madonna II“, um 1510, Skulpturensammlung Dresden, ausgestellt im Schlossbergmuseum Chemnitz

H. W. wurde wegen seiner einfallsreichen und phantasievollen Kunst als Bildhauerdichter bezeichnet. Er gehört zu den Hauptmeistern der spätgotischen Plastik und war hauptsächlich in Obersachsen tätig. Er entwickelte einen markanten Eigenstil. Seine Kunst wurde von der niedersächsischen Plastik beeinflusst, von den Kupferstichen Martin Schongauers sowie von den Graphiken Albrecht Dürers. Es lassen sich Bezüge zu Veit Stoß und Tilman Riemenschneider herstellen. Wittens Arbeiten sind mehr spätgotisch als renaissancehaft. Die Arbeiten von Franz Maidburg wurden von ihm inspiriert.[4]

  • Braunschweig
    • Spätgotische Kanzel (vor 1500) in der Aegidienkirche. Die Kanzel, die sich heute (2008) in der Aegidienkirche befindet, befand sich ursprünglich in der Kreuzklosterkirche in Braunschweig. Die Kanzel überstand die Bombennacht vom 15. Oktober 1944 nur, weil sie sich nicht im Kreuzkloster befand, sondern ausgelagert war. Die Kreuzklosterkirche brannte völlig aus und wurde nicht wieder aufgebaut. Die spätgotische Kanzel hat Anton Detlev Jenner 1712, ein Braunschweiger Bildhauer, aus der „Paulinerkirche der Dominikaner“ herausgenommen, als diese zum herzoglichen Zeughaus umgebaut wurde und sie in seine barocke Kanzelwand in der Kreuzklosterkirche eingebaut.[5]
  • Goslar
    • Pietà von 1510/20 in der Jakobikirche (vermutlich)[8] nachweislich von Hans Witten aufgrund der Initialen H.W.[9]
    • Geweihleuchter mit thronender Kaiserfigur in der Rathausdiele in Goslar
  • Helmstedt
    • Gekreuzigter in der Stephanskirche in Helmstedt (vermutlich)[10]

Varia[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Im Zusammenhang mit dem unbekannten Dienstädter Meister als Schöpfer des Altars in der Kirche St. Sebastian in Dienstädt vermuten einige Fachleute Hans Witten als Schöpfer – oder dessen Schüler Georg Salmenbach.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ludger Alscher et al.: Lexikon der Kunst, Architektur, Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Industriegestaltung, Kunsttheorie. Band I, Verlag Das europäische Buch, Westberlin 1984.
  • Walter Hentschel: Sächsische Plastik um 1500. Wilhelm Limpert-Verlag, Dresden, 1926.
  • Walter Hentschel: Hans Witten Der Meister H. W. Verlag Seemann, Leipzig, 1938.
  • Günter Hummel / Barbara Löwe / Frank Reinhold, Der Meister HW. Der kleine sakrale Kunstführer 4, hrsg. von der Altenburger Akademie, Evangelische Erwachsenenbildung (Altenburg-Langenweißbach-Neumark 2003, 2011).
  • Günter Hummel: Der Schmerzensmann von Weida, ein Werk des „Meisters HW“ , in: Jb. des Museums Hohenleuben-Reichenfels, Nr. 43 (Hohenleuben 1998), S. 79–84.
  • Günter Hummel: Die schmerzhafte Madonna von Wünschendorf – ein Werk des „Meisters HW“ , in: Der Heimatbote. Beiträge aus dem Landkreis Greiz und Umgebung, Nr. 02/1995, 41. Jg. (Greiz 1995), S. 33–38.
  • Günter Hummel: Der Hochaltar von Ehrenfriedersdorf. Der kleine sakrale Kunstführer 11, hrsg. von der Altenburger Akademie, Evangelische Erwachsenenbildung (Altenburg-Langenweißbach-Neumark 2007).
  • Walter Grundmann: Der Meister H. W. Das Schaffen Hans Wittens. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 1976.
  • Curt Langer: Hans Witten von Cöln oder Hans Witten und Hans von Cöln? In: Sächsische Heimatblätter Heft 7 (1961), S. 65–78.
  • Paul Jonas Meier: Das Kunsthandwerk des Bildhauers in der Stadt Braunschweig seit der Reformation. In: Werkstücke aus Museum, Archiv und Bibliothek der Stadt Braunschweig VIII. Appelhans, Braunschweig 1936.
  • Simona Schellenberger: Bildwerke des Meisters HW. Entwicklungen der spätgotischen Skulptur zwischen Raumkonstruktion und Graphik. Diss. HU Berlin 2005. Online
  • Michael Stuhr (Hrsg.): Die Bildwerke des Meisters H. W. Insel Verlag, Leipzig 1985 (Insel-Bücherei 1055).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Simona Schellenberger: Bildwerke des Meisters HW. Entwicklungen der spätgotischen Skulptur zwischen Raumkonstruktion und Graphik. Berlin 2005
  2. P. J. Meier: Kunsthandwerk, S. 4 (siehe Literatur)
  3. P. J. Meier: Kunsthandwerk, S. 4 (siehe Literatur)
  4. Ludger Alscher et al.: Lexikon der Kunst. Band V, S. 620f (siehe Literatur)
  5. P. J. Meier: Kunsthandwerk, S. 1 (siehe Literatur)
  6. Schriftenreihe Heft 6, Museum und Kunstsammlung Schloß Hinterglauchau, Glauchau, DDR, 1986, Beschreibung des Reliefs S. 14, Abb. 5 auf S. 16 (Porphyrrelief aus Hilbersdorfer Porphyr: "Himmelfahrt Magdalenas" von Hans Witten um 1510)
  7. niklaskirche.de
  8. P. J. Meier: Kunsthandwerk, S. 2 (siehe Literatur)
  9. Nach Werner Hillebrand: Goslar. Dt. Kunstverlag, S. 33 und Gottfried Kiesow u. a.: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler – Bremen Niedersachsen. Darmstadt 1977 („Dehio“), S. 362.
  10. P. J. Meier: Kunsthandwerk, S. 2 (siehe Literatur)
  11. Wolf-Dieter Röber: Ein bisher unbekanntes Werk von Hans Witten in der Kirche zu Wünschendorf-Veitsberg bei Weida. In: Sächsische Heimatblätter Heft 1/1970, S. 26–28
  12. Ingo Sandner, Helmut Wilsdorf, Arndt Kiesewetter: Spätgotische Tafelmalerei in Sachsen. Verlag der Kunst, 1993
  13. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 28. Oktober 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lempertz.com abgerufen am 13. Februar 2015

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Meister H. W. – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien