Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel

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Die Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel (HV) im Ministerium für Kultur war die dritte Ebene einer Entscheidungshierarchie für die Buchproduktion und -distribution der DDR, verantwortlich für die Zuteilung von Druckpapier und die Zensur von Bucherzeugnissen. (Siehe Hauptartikel: Zensur in der DDR.)

Zensurbehörde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die „Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel“ ging 1963 aus der ab 1958 als „Abteilung für Literatur und Buchhandlung“ geführten „Hauptverwaltung Verlagswesen“ hervor. Bis 1956 wurde sie als „Amt für Literatur und Verlagswesen“ geführt und siedelt sich im Ministerium für Kultur an.[1] Zuständiger Staatssekretär und somit stellvertretender Minister im Ministerium für Kultur war Erich Wendt.[2]

Aufgrund der Verordnung über die Entwicklung fortschrittlicher Literatur war die HV zuständig für das Druckgenehmigungsverfahren, die Zuteilung der Papierkontingente sowie die Genehmigung der Verlagsprogramme. Als oberste Zensurbehörde in Sachen Literatur hatte sie das letzte Wort und urteilte über die Erfüllung der politisch-ideologischen Vorgaben.[3] Die HV erhielt somit als Einflussbereich den gesamten Buchhandel und die Auslieferung Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel (LKG).[4]

Industriezweig-Leitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Industriezweigleitung mit einem zentralen staatlichen Plan, waren der HV bestimmte Verlage und der Buchhandel in der DDR unterstellt. Dazu gehörten Verlage der Massenorganisationen, wie der Aufbauverlag (Deutscher Kulturbund), der Verlag Kultur und Fortschritt (Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft) und der Verlag Neues Leben (FDJ), sowie die parteieigenen Verlage, z. B. Verlag Volk und Welt, Mitteldeutscher Verlag Halle, Rütten & Loening Berlin, Volksverlag Weimar, Das Neue Berlin, Kinderbuchverlag Berlin, Urania Verlag Leipzig, Verlag Die Wirtschaft Berlin, Henschel Verlag und der Eulenspiegel-Verlag.

Aufgabe war es, die Produktion und Distribution von Büchern und Broschüren zu planen, abzurechnen und statistisch festzuhalten. Ressourcen, Kosten, Arbeitskräfte, Warenproduktion und Absatz wurden über Verflechtungsbilanzen abgestimmt. Als Vertretung gegenüber der Abteilung Holz, Papier, Polygraphie des Volkswirtschaftsrates stimmte die HV Produktionsfragen und Bilanzen der unterstellten Betriebe ab. Der Volkswirtschaftsrat musste seinerseits Bilanzen erstellen. Die HV gab durch ihre Planung den Rahmen vor, innerhalb dessen die einzelnen Verlage Verträge mit Druckereien, Bindereien und dem Zwischenbuchhandel abschlossen.

Leiter der HV waren Bruno Haid (1963–1973), Klaus Höpcke (1973–1989) und Karlheinz Selle (1989–1990).[5]

Politische Kontrolle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Institutionen der SED kontrollierten, korrigierten und entwarfen die einzelnen Handlungen der HV. Die Vermischung von Partei, Staat und Wirtschaft bewirkte, dass dieser Steuerungszentrale das Sekretariat des ZK der SED und auf oberster Ebene das Politbüro der SED vorgeschaltet waren. Das Politbüro der DDR legte neben den Aufgaben der HV die strategischen Vorgaben für die inhaltliche und organisatorische Gestaltung fest. Der Ministerrat der DDR regelte diese Aufgaben und Verordnungen per Gesetz.

Die HV wurde am 1. Januar 1963 gegründet. Die Befugnisse der HV wurden 1962 vom Ministerium für Kultur entwickelt und dem Politbüro der SED vorgelegt. Ein folgender Politbürobeschluss legte die Steuerungskompetenz im staatlichen Bereich für die Buchproduktion verbindlich fest. Die wirtschaftliche, kulturpolitische und ideologische Kontrolle und Steuerung der Verlage sollte durch diese neue Institution zusammengeführt werden. Zudem sollte eine selbständige Profilierung, speziell bei Belletristik, unterbunden werden und Konkurrenz zwischen den Verlagen verhindert werden.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Siegfried Lokatis: Der Mitteldeutsche Verlag in Halle. In: Simone Barck und Stefanie Wahl (Hrsg.): Bitterfelder Nachlese. Ein Kulturpalast, seine Konferenzen und Wirkungen, mit unveröffentlichten Briefen von Franz Fühmann. Berlin 2007, S. 113–130.
  • Simone Barck, Martina Langermann, Siegfried Lokatis (Hrsg.): Jedes Buch ein Abenteuer! Zensursystem und literarische Öffentlichkeit in der DDR bis Ende der sechziger Jahre. Berlin 1997.
  • Siegfried Lokatis: Die Hauptverwaltung des Leselandes. In: Aus Politik und Zeitgeschichte: Leseland DDR. 11/2009, S. 23–31.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Siegfried Lokatis: Der Mitteldeutsche Verlag in Halle, in: Simone Barck und Stefanie Wahl (Hrsg.): Bitterfelder Nachlese. Ein Kulturpalast, seine Konferenzen und Wirkungen, mit unveröffentlichten Briefen von Franz Fühmann, Berlin 2007. S. 118 ff.
  2. Vgl. Lokatis 2007, S. 122
  3. "Verordnung über die Entwicklung fortschrittlicher Literatur" (16. August 1951) GBl. Nr. 100, 27. August 1951, S. 785.
  4. Lokatis: Der Mitteldeutsche Verlag in Halle. S. 126 f.
  5. Christoph Links: Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen. Berlin 2013, S. 30.