Zur-Mühlen-Gruppe

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Heinrich Nölke)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zur Muehlen ApS & Co. KG

Logo
Rechtsform ApS & Co. KG
Gründung 1998
Sitz Böklund, Deutschland
Leitung
  • Maximilian Tönnies
  • Axel Knau
Mitarbeiterzahl über 4000[1]
Umsatz 1 Mrd. Euro (2019)[2]
Branche Nahrungsmittel, Fleischverarbeitung, Veggie-Lebensmittel
Website www.zurmuehlengruppe.de

Die Zur-Mühlen-Gruppe (Eigenschreibweise: zur Mühlen Gruppe) ist ein deutscher Hersteller von Fleisch und Fleischerzeugnissen, Marktführer bei SB-Wurst und Wurstkonserven.[3] Mutterunternehmen ist die Zur Mühlen ApS & Co. KG mit Sitz in Böklund. Diese befindet sich vollständig im Eigentum der Tönnies Holding und dient als Zwischenholding für den Bereich Wurstwarenproduktion.

Zur Gruppe gehören die Wurstmarken Böklunder, Könecke, Redlefsen (darunter Jensen's und Heine's), Schulte, Zerbster Original, Hareico, Plumrose und Heinrich Nölke (Gutfried). Sie produzierte nach Eigenangaben im Januar 2024 mit „saisonabhängig“ 4000 Mitarbeitern in Deutschland und Polen „jedes Jahr etwa 2 Milliarden Verbrauchereinheiten“ (Packungen), was einen „rechnerischen Marktanteil von 22 %“ ausmache.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gründung und Aufbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der namensgebende Konzerngründer Peter zur Mühlen begann seine Karriere beim westfälischen Wursthersteller Stockmeyer, für den er insgesamt 20 Jahre im Vorstand tätig war. 1991 erwarb er 10 Prozent des Joghurtherstellers Onken und arbeitete dort bis Ende 1998. Bald erwarb er mit Anfang 50 den Wursthersteller Böklunder bei Flensburg und erweiterte diesen nach der Jahrtausendwende in wenigen Jahren zu einem Großkonzern, indem er angeschlagene oder gar insolvente Unternehmen kaufte, sanierte und mithilfe seiner Großkunden im Lebensmittelhandel schnell zu Umsätzen verhalf.[4]

Übernahme durch Tönnies[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zur-Mühlen-Gruppe wurde mit der Expansion zu einem der wichtigsten Schlachtfleisch-Abnehmer der Tönnies-Unternehmensgruppe. Als die Zur-Mühlen-Gruppe Mitte der 2000er-Jahre in finanzielle Schwierigkeiten geriet, bedeutete das gleichzeitig ein Geschäftsrisiko für Tönnies. Vor diesem Hintergrund strebte Clemens Tönnies zunächst eine Übernahme durch die Tönnies-Unternehmensgruppe an, was jedoch an der mangelnden Zustimmung von Josef Schnusenberg, Testamentsvollstrecker der Mitgesellschafter, scheiterte.[5] Daraufhin erwarb Clemens Tönnies noch vor 2005 persönlich eine Mehrheitsbeteiligung an der Zur-Mühlen-Gruppe. Diese wurde zunächst treuhänderisch von Peter zur Mühlen gehalten.[6] 2011 kündigte Clemens Tönnies an, bis 2014 die gesamten Anteile an der Zur-Mühlen-Gruppe zu erwerben und damit Alleininhaber zu werden.[7]

Im April 2017 beschlossen Clemens Tönnies sowie die beiden weiteren Gesellschafter der Tönnies Holding, Robert Tönnies sowie Maximilian Tönnies, die Übernahme der Zur-Mühlen-Gruppe durch die Tönnies-Unternehmensgruppe.[8] Die Europäische Kommission gab im Juli 2017 ihre kartellrechtliche Freigabe,[8] die Übernahme erfolgte zum 1. Januar 2018.[9]

Wurstkartell und Wurstlücke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wegen illegaler Preisabsprachen seit dem Jahr 1982 ermittelte das Bundeskartellamt ab 2009 gegen das sogenannte Wurstkartell. Ab Mitte 2014 verhängte das Bundeskartellamt insgesamt Strafen in Höhe von 338 Millionen Euro gegen 21 Wursthersteller und 33 verantwortliche Personen. Unter den Beteiligten waren auch die Böklunder Plumrose GmbH & Co. KG sowie die Könecke Fleischwarenfabrik GmbH & Co. KG, beide Teil der Zur-Mühlen-Gruppe.[10] Die Strafen in Höhe von 128 Millionen Euro gegen diese beiden Tochterunternehmen konnte das Bundeskartellamt 2016 nicht eintreiben, weil Tönnies eine rechtliche Lücke nutzte (Wurstlücke). Er hatte vor Zustellung der Bußgeldbescheide die Aktivitäten der Firmen auf andere Gesellschaften der Zur-Mühlen-Gruppe übertragen und anschließend liquidiert. Da die Firmen rechtlich nicht mehr existierten, mussten die Bußgeldverfahren eingestellt werden.[11]

Übernahmen von Konkurrenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Dezember 2014 übernahm die Zur-Mühlen-Gruppe die Heinrich Nölke GmbH & Co. KG, also den gesamten Produktionsbereich des Unternehmens Gebr. Nölke GmbH & Co. KG,[12] wogegen das Bundeskartellamt nach Medienberichten keine Einwände erhob.[13]

Im Jahr 2017 übernahm zur Mühlen von der Tönnies Holding die Blankemeyer-Gruppe in Gütersloh (Marten Vertriebs GmbH & Co. KG und Vogt & Wolf GmbH).[14]

2019 hat die Zur-Mühlen-Gruppe das Wurstwarengeschäft von Bell Deutschland übernommen.[15]

2020 wurde der insolvente Wursthersteller Schwarz Cranz mit rund 550 Beschäftigten von der Zur-Mühlen-Gruppe übernommen.[16]

Im April 2023 wurde EWG Eberswalder Wurst aus Britz bei Eberswalde übernommen.[17]

Unternehmensgruppe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Unternehmensgruppe gehören neben dem Mutterunternehmen Zur Mühlen ApS & Co. KG unter anderem:

Alle Auslandsgeschäfte der Gruppe werden durch das Tochterunternehmen Zur Mühlen International (ZMI) koordiniert. Diese Exportabteilung ist ein selbstständiges Unternehmen der Zur-Mühlen-Gruppe. Der weltweite Exportanteil liegt nach eigenen Angaben bei 25 %. Elf Exportbüros vermarkten die Produkte in 40 Ländern, überwiegend in Europa, Asien, Australien und dem Nahen Osten.[20]

Werke und Standorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Technologiezentrum der Zur-Mühlen-Gruppe
  • Technologiezentrum
2010 wurde das Technologiezentrum in Satrup eröffnet. Dort befinden sich Laborräume für Mikrobiologie, Chemie und Sensorik für die Produktentwicklung, Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung.
Werk Satrup
  • Werk Satrup
Produktionsschwerpunkte: Rohwurst, Mini-Salami, Snacks
Werk Böklund
  • Werk Böklund
Produktionsschwerpunkte: Würstchenkonserven, Frische Würstchen
  • Werk Böklund 2
Produktionsschwerpunkte: Vegetarische Produkte
  • Werk Elmshorn
Produktionsschwerpunkte bis 2019:[21] Frische Würstchen, Bratwurst, Rohwurst
Werk Delmenhorst
  • Werk Delmenhorst
Produktionsschwerpunkte: Brühwurst, Aufschnitt, Kochwurst, Roh- und Kochschinken, Feinkost Convenience, Fleischkonserven
Werk Dissen
  • Werk Dissen
Produktionsschwerpunkte: Rohwurst, Bedienungsware, SB-Ware, Snacks
  • Werk Versmold
Produktionsschwerpunkte: Geflügelwurst, Vegetarische Produkte
  • Werk Gütersloh
Produktionsschwerpunkte: Edelschimmelgereifte Rohwurst, Geräucherte Rohwurst
  • Werk Chemnitz
Produktionsschwerpunkte: Brühwurst, Würstchen, Fleischwurst
  • Werk Suhl
Produktionsschwerpunkte: Thüringer Spezialitäten, Kochschinken, Brühwurst
Werk Zerbst
  • Werk Zerbst
Produktionsschwerpunkte: Bratwurst, Fleischwurst, Brühwurst, Kabanossi, Aspik, Kochwurst
Werk Słubice
  • Werk Słubice (Polen)
Produktionsschwerpunkte: Rohwurst, Sucuk
  • Werk Nove (Polen)
Produktionsschwerpunkte: dänische Spezialitäten, polnische Spezialitäten: Brühwurst, Kochwurst und Convenience

Marken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kritik & Kontroversen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

siehe auch: Tönnies Holding#Kritik und Kontroversen

Laut im Juni 2020 gemachten Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hatte Tönnies in der Vergangenheit bei der Zur-Mühlen-Gruppe versucht, alle gewerkschaftlichen Strukturen zu zerschlagen.[22]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Zur Mühlen Gruppe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Über uns. In: zurmuehlengruppe.de. Abgerufen am 3. Dezember 2023.
  2. Ranking der Fleischwirtschaft 2020: Die Top 10 Wursthersteller. In: fleischwirtschaft.de. 11. November 2020, abgerufen am 3. Dezember 2023.
  3. a b Über uns. Eigenangaben. zurmuehlengruppe.de, abgerufen am 26. Januar 2024.
  4. Mario Brück: Der Aufstieg der Zur-Mühlen-Gruppe. Wirtschaftswoche, 3. Februar 2015, abgerufen am 13. August 2019.
  5. Expansion im Schweinsgalopp: Der Aufstieg der Zur-Mühlen-Gruppe. In: wiwo.de. 3. Februar 2015, abgerufen am 20. Dezember 2023.
  6. Beschluss im Fusionskontrollverfahren. In: bundeskartellamt.de. 16. November 2011, abgerufen am 20. Dezember 2023.
  7. Tönnies erweitert sein Wurstimperium. DPA-Meldung. Handelsblatt, 5. Juli 2011, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. April 2023; abgerufen am 13. August 2019.
  8. a b Tönnies: Übernahme Zur Mühlen Gruppe perfekt. In: agrarheute.com. 3. Juli 2017, abgerufen am 20. Dezember 2023.
  9. Tönnies gibt neue Unternehmensführung und Beiratsmitglieder bekannt. In: topagrar.com. 10. November 2017, abgerufen am 20. Dezember 2023.
  10. Kartellamt setzt auf Ende der „Wurstlücke“. In: tagesschau.de. 19. Oktober 2016, abgerufen am 25. Oktober 2016.
  11. Tönnies schreibt mit der „Wurst-Lücke“ Rechtsgeschichte. In: Welt Online. 19. Oktober 2016, abgerufen am 20. Dezember 2023.
  12. Silke Derkum: Nölke an Zur-Mühlen-Gruppe verkauft. Haller Kreisblatt, 19. Dezember 2014, archiviert vom Original am 3. Mai 2015; abgerufen am 13. August 2019.
  13. Helmut Bünder, Jan Grossarth: Wurstfabrikant Tönnies führt das Kartellamt vor. FAZ, 3. Februar 2015, abgerufen am 28. Juni 2015.
  14. Gütersloher Wurstproduzent Marten steht vor dem Verkauf, nw.de, 3. Mai 2017
  15. Norbert Lehmann: Tönnies-Tochter Zur Mühlen übernimmt deutsches Wurstgeschäft von Bell. In: agrarheute.com. 29. Juli 2019, abgerufen am 3. September 2019.
  16. Fleischkonzern Tönnies übernimmt insolventen Wurstproduzenten. 6. November 2020, abgerufen am 20. Dezember 2023.
  17. Zur-Mühlen-Gruppe übernimmt Wursthersteller Eberswalder. 7. April 2023, abgerufen am 7. April 2023.
  18. August Strothlücke (ASTRO) wird von der Zur-Mühlen-Gruppe übernommen. In: insoconsult.de. Abgerufen am 15. Juli 2022.
  19. Geschichte – Hareico. Abgerufen am 19. Juli 2021.
  20. Der starke Partner für den Weltmarkt. Eigenangaben. zurmuehlengruppe.de, abgerufen am 13. August 2019.
  21. Aus für Döllinghareico-Werk
  22. Nils Klawitter, DER SPIEGEL: Gewerkschafter über Arbeitsbedingungen bei Tönnies: „Das ist menschenverachtend“ – DER SPIEGEL – Wirtschaft. Abgerufen am 19. Juni 2020.

Koordinaten: 54° 36′ 10,8″ N, 9° 35′ 12,5″ O