Heiteres Musiktheater

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Das Heitere Musiktheater war eine Sparte oder Gattung des Musiktheaters in der DDR. Der Begriff wurde 1957 durch den staatseigenen Musikverlag Lied der Zeit geprägt.[1]

Entstehung

Von 1949 bis 1989 bemühten sich DDR-Kulturfunktionäre und Künstler um das Genre in besonderer Unterscheidung von der zunehmend durch das amerikanische Musical bestimmten Entwicklung in der Bundesrepublik und von den sozialistischen Aneignungen der anderen Warschauer-Pakt-Staaten:

Ziele waren die Verbindung von Anspruch, Unterhaltung und die sozialistische Institutionalisierung eines davor überwiegend kommerziellen Genres. Anders als die Theoretiker betrachteten sich die Theaterschaffenden primär als Praktiker zuständig für eine Bühnenwirksamkeit mit Anspruch. Im Verlauf der DDR-Geschichte durchliefen Operette und Musical Metamorphosen parallel zu anderen Gattungen in der DDR. Insgesamt gelangten über 200 DDR-eigene Werke zur Uraufführung (ohne Bearbeitungen und Übergangswerke zu Revue und Kabarett). Die sozialistische Operette der Nachkriegszeit, das sich vom Broadway-Vorbild emanzipierende DDR-Musical, kleine Formen wie das Musikalische Lustspiel, neuere Formen wie das Rockmusical (nach 1970) und von den Schauspielsparten entwickelte Jugendmusicals wurden unter dem Begriff „Heiteres Musiktheater“ zusammengefasst.

Werke

Mit der Kritik am „kulturellen Erbe“ entstanden seit den 1950er-Jahren Stücke mit Gegenwartsbezug (z. B. Treffpunkt Herz von Herbert Kawan und Peter Bejach, 1951), deren Analyse das Zukunftspotential des Genres für die DDR steigern sollte. Nach 1955 trat die prägende Komponisten-Generation auf: Eberhard Schmidt (Bolero, Die Schweinehochzeit), Gerd Natschinski (Messeschlager Gisela, Mein Freund Bunbury u. v. a.), Guido Masanetz (In Frisco ist der Teufel los), Conny Odd (Alarm in Pont L’Evêque, Karambolage), Gerhard Kneifel (Bretter, die die Welt bedeuten), Harry Sander (Froufrou), Siegfried Schäfer (Verlieb dich nicht in eine Heilige), (Thomas Bürkholz u. a. schufen Werke, die als Basis eines DDR-eigenen Repertoires geeignet galten. Die beiden genreprägenden Textdichter waren Helmut Bez und Jürgen Degenhardt. Theoretiker und Textautoren waren auch Klaus Eidam und Otto Schneidereit.

Trotzdem folgte in den späten 70er- und 80er-Jahren eine Regression und Rezession des Genres, ein wesentlicher Grund waren auch fehlende dramatische Anlässe in der sog. entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Die steigende Aufführungszahl amerikanischer Musicals (z. B. Hello, Dolly!) und der bis dahin geächteten „spätbürgerlichen“ Operette (z. B. Die Blume von Hawaii) ließen das Projekt „Heiteres Musiktheater der DDR“ langsam verebben.

Aufführungsstätten

Anders als in den West-Staaten, wo Operetten- und Musical-Aufführungen häufig an Gastspieltheatern (z. B. Tourneeproduktionen im Theater des Westens Berlin und Deutschen Theater München) stattfanden, vollzog sich die Entwicklung in der DDR an den Stadt-, Kreis- und Staatstheatern in den Musik-Sparten. Operette und Musical unterstanden dem Theaterverband, nicht dem für Unterhaltungskunst.

Die Bedeutung des Genres für die DDR lässt sich am Bestand von drei großen Repertoire-Theatern ausschließlich für Operette und Musical (Metropoltheater Berlin, Staatsoperette Dresden, Musikalische Komödie Leipzig) mit dem offiziellen Auftrag zur Pflege des Neuen Schaffens ermessen, während vergleichbare Häuser im Westen (z. B. Volksoper Wien, Gärtnerplatztheater München) seit etwa 1965 zu zweiten urbanen Opernhäusern wurden.

In einem besonderen Umfang widmeten sich das Theater Erfurt, das Theater des Friedens Halle, das Elbe-Elster-Theater Wittenberg und das Volkstheater Rostock Uraufführungen des Heiteren DDR-Musiktheaters.

Historische Bedeutung

Der Sonderweg des „Heiteren Musiktheaters der DDR“ zwischen den folkloristischen Tendenzen der slawischen Staaten und dem durch die USA beeinflussten BRD-Schaffen beinhaltete die subversiven Bemühungen der Macher um Sonderlösungen und Informationen jenseits der politischen Richtlinien des Sozialistischen Realismus. Das Scheitern dieses Anspruches in der Reibung von staatlicher Einflussnahme, Domestizierung durch stabile Betriebsformen, kreativem Aufbruch und kontrollierter Wirkung ist in der internationalen Geschichte von Operette und Musical ein einmaliger Fall.

Persönlichkeiten

Komponisten (Auswahl)

Herbert Kawan, Gerhard Kneifel, Guido Masanetz, Gerd Natschinski, Conny Odd, Siegfried Schäfer

Textdichter (Auswahl)

Peter Bejach, Helmut Bez, Jürgen Degenhardt, Maurycy Janowski

Theoretiker (Auswahl)

Arthur Maria Rabenalt, Otto Schneidereit, Klaus Eidam

Regisseure (Auswahl)

Erwin Leisner, Wolfgang Weit

Literatur

Einzelnachweise

  1. Christoph Links: Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen, Links, Berlin 2013, S. 153. ISBN 9783862842568