Kammermohr

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Die Fürstäbtissin Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach mit ihrem Kammermohren Ignatius Fortuna, Gemälde von Johann Jakob Schmitz, Köln 1772
Historisierendes Fresko aus dem Jahr 1914 über den Besuch des in der Fremde geadelten Diplomaten Johann Rudolf Schmid von Schwarzenhorn in seiner Heimatstadt Stein am Rhein im Jahr 1664 mit einem Vierspänner und mit einem namenlosen Kammermohr. Schmid war 60 Jahre zuvor selbst weißer Sklave im Osmanischen Reich.

Als Kammermohr (oder Hofmohr) bezeichnete man im deutschen Sprachraum ab dem 18. Jahrhundert bei Hofe einen Hausdiener schwarzer Hautfarbe. Er zählte zur sogenannten Kammer, den persönlichen Bediensteten eines Herrschers.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Menschen schwarzer Hautfarbe aus dem Orient, Afrika und Amerika wurden seit der Kolonialzeit oft als Sklaven nach Europa verschleppt, wo sie als Kammerdiener oder Page beliebt waren. Der Begriff ist als offizieller Terminus des Hofprotokolls erstmals 1747 im kursächsischen Codex Augusteus belegt.[1] Für Sachsen ist bereits unter Kurfürst August ein „Mohr“ als Torwärter überliefert, der gemeinsam mit seiner „schwarzen Frau“ am Hof lebte.[2]

Funktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Adolf Ludvig Gustav Albert Couschi,
1775 von Gustaf Lundberg,
Schwedisches Nationalmuseum

Der prächtig ausstaffierte und livrierte Kammermohr diente Herrschern, kirchlichen Würdenträgern oder wohlhabenden Kaufleuten als exotisches Prestigeobjekt und Statussymbol. Er sollte den Reichtum und Luxus des eigenen Hauses zur Schau stellen und fungierte darüber hinaus in vielen Fällen als Gesellschafter oder Privatlehrer. Frauen aus diesen Schichten hielten sich Mohrenkinder und ließen sich auf Gemälden mit diesen abbilden. Sie dienten ihnen hierbei als Symbol für Sexualität und Fruchtbarkeit.[3] Vor allem versinnbildlichte der Kammerdiener aber die weltweiten Fernhandels- und Machtbeziehungen seines Eigentümers. Offiziell kannte das Heilige Römische Reich den Rechtsstatus des Sklaven nicht, weshalb der Historiker Michael Zeuske die Kammermohren als „Sklaven ohne Sklaverei“ bezeichnet.[4]

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der optischen Ausstattung legte ein Teil der Herrscher beim Hauspersonal großen Wert auf höhere Bildung. So hatte beispielsweise Anton Wilhelm Amo Latein gelernt und Philosophie studiert. Angelo Soliman war so gut ausgebildet, dass er nicht nur als Gesellschafter fungierte, sondern vom kaiserlichen Feldmarschall Josef Wenzel (Liechtenstein) auch als Privatlehrer des Prinzen Alois I. (Liechtenstein) eingesetzt wurde. Abraham Petrowitsch Hannibal war dagegen nicht nur Page am Hofe des Zaren Peter der Große, sondern auch sein Patenkind und brachte es selbst bis zum Generalmajor.

Bekannte Kammermohren waren unter anderem:

Name Lebensdaten Dienstherr bzw. Dienstherrin
Abraham Petrowitsch Hannibal ca. 1696–1781 Peter der Große
Anton Wilhelm Amo ca. 1703 – ca. 1760 Anton Ulrich (Braunschweig-Wolfenbüttel) und August Wilhelm (Braunschweig-Wolfenbüttel)
Angelo Soliman 1721–1796 Josef Wenzel (Liechtenstein)
Ignatius Fortuna um 1730–1781 Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach und Maria Kunigunde von Sachsen
Gustav Badin ca. 1750–1820 Luise Ulrike von Preußen und Sophie Albertine von Schweden
Franz Wilhelm Yonga ca. 1751–1798 Franz Christian von Borries

In Kunst und Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Malerei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben den typischen künstlerischen Darstellungen von Kammermohren in ihrer Rolle als Diener, wie in den Darstellungen von Johann Jakob Schmitz, Giovanni Maria delle Piane und Stefano Torelli, gibt es auch eine Reihe von Gemälde, die weniger hierarchisch aufgebaut sind. Gerade bei einigen Bildern mit Damen ist der Kammermohr in unmittelbarer Nähe zu seiner Herrin zu sehen, wie beispielsweise auf den Gemälden von François de Troy und Pierre Mignard.

Im Jahr 1775 malte der schwedische Künstler Gustaf Lundberg ein Porträt des ehemaligen Sklaven Adolf Ludvig Gustav Albert Couschi, genannt Badin, auf dem er seine prächtigen, aus Indien stammenden Gewänder trägt.[5]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Angelo Soliman, ca. 1750 gilt als Vorbild für den Mohr Monostatos in Mozarts Zauberflöte

Nicht nur auf Gemälden wurden Kammermohre künstlerisch dargestellt. Der schwedische Schriftsteller Magnus Jacob Crusenstolpe basierte in seinem Werk Morianen einen Charakter auf Gustav Badin, der nicht nur der Diener, sondern auch der Ziehsohn der schwedischen Königin Luise Ulrike von Preußen war.[6] Der russische Schriftsteller Alexander Sergejewitsch Puschkin ließ sich in seinem unvollendeten Werk Der Mohr Peters des Großen von der Lebensgeschichte seines Urgroßvaters Abraham Hannibal inspirieren.

Theater[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da schwarze Hausdiener oft an Herrscherhäusern zu finden waren, bauten auch Dramaturgen erstmals schwarze Rollen in Theaterstücke und Opern mit ein. Die Rollen wurde dabei in der Regel von geschminkten, hellhäutigen Darstellern übernommen und waren aus heutiger Sicht in vielen Fällen stereotypisch oder rassistisch geprägt.[7][8]

Zwei besonders berühmte Beispiele sind:[7][8]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Markus Schleinzer, Alexander Brom: Angelo. 2018.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kammermohr – Sammlung von Bildern
Wiktionary: Hofmohr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Kammermohr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kammermohr. In: Vormalige Akademie der Wissenschaften der DDR, Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsches Rechtswörterbuch. Band 6, Heft 6 (bearbeitet von Hans Blesken, Siegfried Reicke). Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1966, OCLC 832566952 (adw.uni-heidelberg.de).
  2. Karl von Weber: Anna Churfürstin zu Sachsen geboren aus königlichem Stamm zu Dänemark. Ein Lebens- und Sittenbild aus dem 16. Jahrhundert. Leipzig 1865,S. 87.
  3. "Es gibt viele Angelo Solimans". Abgerufen am 2. Februar 2023 (österreichisches Deutsch).
  4. Michael Zeuske: Handbuch Geschichte der Sklaverei. Eine Globalgeschichte von den Anfängen bis heute. De Gruyter, New York/Berlin 2019, ISBN 978-3-11-055884-5, S. 860 (abgerufen über De Gruyter Online).
  5. Adolf Ludvig Gustav Albert Couschi, called Badin Schwedisches Nationalmuseum, aufgerufen am 19. Mai 2022
  6. Badin – ett experiment i fri uppfostran (auf Schwedisch) Pupulär Historia, aufgerufen am 19. Mai 2022
  7. a b Dagmar Penzlin: Forschung zu Rassismus in Opern. Dem Toxischen auf der Spur vom 21. Januar 2021 BR-Klassik, aufgerufen am 19. Mai 2022
  8. a b Monostatos, Jonny & Zauberflöte Forschung beleuchtet rassistische Facetten in Opernwerken vom 30. März 2021 MDR Klassik, aufgerufen am 19. Mai 2022