Hypokalzämie

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Klassifikation nach ICD-10
E83.5 Störungen des Kalziumstoffwechsels
e58 Alimentärer Kalziummangel
P71.0 Kuhmilch-Hypokalzämie beim Neugeborenen
P71.1 Sonstige Hypokalzämie beim Neugeborenen
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Hypokalzämie (auch Hypocalcämie, Hypocalciämie oder Hypokalziämie) ist ein abnorm niedriger Kalziumgehalt des Blutes. Beim Menschen spricht man von Hypokalzämie, wenn der Calciumspiegel im Blutserum unter 2,2 mmol/l (9 mg/dl) oder der Gehalt von Calcium-Ionen unter 1,1 mmol/l (4,5 mg/dl) liegt. Sie bewirkt eine Störung des Gleichgewichts zwischen verschiedenen Elektrolyten und kann zu einer Übererregbarkeit des Nervensystems führen, was sich in Krämpfen (Tetanie) in der Skelettmuskulatur äußert. In einigen Fällen wird auch ein Spasmus der glatten Muskulatur ausgelöst, bei schwerer Hypokalzämie kann auch ein epileptischer Anfall ausgelöst werden.

Ätiologie und Pathogenese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Kalziumspiegel im Blut wird eng durch das Parathormon (PTH) kontrolliert, das bei vermindertem Kalziumspiegel vermehrt in den Nebenschilddrüsen gebildet wird und dazu führt, dass die Knochen Kalzium und Phosphat abgeben, und dass die Nieren vermehrt Kalzium aus dem Primärharn resorbieren und Phosphat vermehrt abgeben. Es führt in den Nieren auch zu vermehrter Bildung von 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D (der aktiven Form des Vitamin D), das wiederum die Aufnahme von Kalzium und Phosphat aus dem Darm steigert. Auf eine Hypokalzämie ist die physiologische Antwort also ein kompensatorischer sekundärer Hyperparathyreoidismus (erhöhter Parathormon-Spiegel).[1]

Entsprechend lassen sich die Ursachen eines Kalziummangels in solche mit erhöhtem Parathormonspiegel und solche mit verminderten PTH-Spiegel einteilen:

  • Die Ursachen einer Hypokalzämie mit vermindertem Parathormon-Spiegel lassen sich weiter unterteilen in:

Bei einem Mangel an Albumin (Hypoalbuminämie) ist der Kalziumspiegel vermindert, da viel Kalzium an Albumin gebunden ist, aber das freie ionische Kalzium unverändert, so dass es nicht zu Symptomen einer Hypokalzämie kommt.

Symptomatik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Leitsymptom der Hypokalzämie ist die hypokalzämische Tetanie, ein Krampfanfall bei erhaltenem Bewusstsein infolge einer Hyperreaktivität der Muskelspindel, oft mit Parästhesien, Pfötchenstellung und Stimmritzenkrampf verbunden. Ein weiteres Zeichen ist das Chvostek-Zeichen, bei dem das Beklopfen des Nervus facialis vor dem Kiefergelenk ein Zucken der Mundwinkel auslöst. Ebenso kann das Trousseau-Zeichen auftreten. Dabei kommt es einige Minuten nach Anlegen einer Blutdruckmanschette am Arm mit Aufpumpen über den systolischen Blutdruck zur Pfötchenstellung.[2]

Im EKG zeigt sich eine QT-Verlängerung.

Differentialdiagnose[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Differentialdiagnose kommt eine Hyperventilationstetanie in Betracht, in der das Gesamtcalcium normal, das ionisierte Calcium hingegen infolge einer respiratorischen Alkalose vermindert ist.

Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Therapie muss den auslösenden Grund ausschalten. Symptomatisch wird bei akutem Behandlungsbedarf Calcium intravenös (etwa 5–10 mg/kg über mehrere Minuten[3]), zur Langzeitbehandlung Calcium und Vitamin D oral verabreicht.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • G. Herold u. a.: Innere Medizin. Eigenverlag, Köln 2005, OCLC 314915893.
  • Deetjen, Speckmann, Hescheler: Repetitorium Physiologie. 1. Auflage. Urban & Fischer, 2005, ISBN 3-437-41314-7.
  • R. F. Schmidt, F. Lang, G. Thews: Physiologie des Menschen. 29. Auflage. Springer, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-540-21882-3.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Yamini V. Virkud, Neil D. Fernandes, Ruth Lim, Deborah M. Mitchell, William T. Rothwell: Case 39-2020: A 29-Month-Old Boy with Seizure and Hypocalcemia. New England Journal of Medicine 2020, Band 383, Ausgabe 25 vom 17. Dezember 2020, Seiten 2462–2470, DOI: 10.1056/NEJMcpc2027078 - Fallbeschreibung einer Hypokalzämie-bedingten Epilepsie bei einem 29 Monate alten Jungen mit Mangelernährungs-bedingter Rachitis
  2. M. E. Meininger, J. S. Kendler: Images in clinical medicine. Trousseau’s sign. In: The New England Journal of Medicine. Band 343, Nr. 25, Dezember 2000, S. 1855, PMID 11117978.
  3. Reinhard Larsen: Anästhesie und Intensivmedizin in Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie. (1. Auflage 1986) 5. Auflage. Springer, Berlin/ Heidelberg/ New York u. a. 1999, ISBN 3-540-65024-5, S. 56.