Johann Andreas Stein

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Plakette „Frère et Soeur Stein d’Augsbourg à Vienne“

Johann Andreas Stein (* 6. Mai 1728 in Heidelsheim; † 29. Februar 1792 in Augsburg) zählte zu den weithin gerühmten Instrumentenbauern seiner Zeit. Seine Klaviere wurden von Wolfgang Amadé Mozart gespielt und gelobt.[1] Seine Errungenschaften beim Bau von Hammerflügeln führte die Klavierbauerfamilie Streicher in Wien fort, in Salzburg der Orgel- und Klavierbauer Johann Evangelist Schmidt.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wohnhaus des Orgelbauers Johann Andreas Stein von 1774–92

Vom Vater erhielt Johann Andreas die ersten Einweisungen in die Technik des Orgelbaus. Diese Grundkenntnisse baute Stein wie sein Cousin Georg Marcus Stein in der Lehre bei Johann Andreas Silbermann und Johann Heinrich Silbermann in Straßburg aus und arbeitete dann beim Regensburger Meister Franz Jakob Späth. Nach weiteren Lehr- und Wanderjahren in Ulm und Stuttgart kam er erstmals 1750 nach Augsburg und nahm dort im darauf folgenden Jahr seinen ständigen Wohnsitz. 1752 schloss sich der Kunsthandwerker der „Musikliebenden und -übenden Gesellschaft“ des Augsburger Bürgertums an. 1757 erhielt Stein das städtische Bürgerrecht. Die zu Pfingsten im selben Jahr eingeweihte neue Orgel in der Barfüßerkirche betreute ihr Schöpfer als Organist.

Orgelbauer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Augsburg gab es um 1750 keinen Orgelbaumeister mehr, doch waren eine Reihe von Orgeln in den Gotteshäusern der Stadt reparaturbedürftig oder einzelne komplett zu erneuern, was einem Fachmann wie ihm genügend Auskommen verschaffte. So sorgte er 1756 durch Überholung der Traktur und 1767 durch eine neue Balganlage für wieder klangvolle Kirchenmusik in der St.-Anna-Kirche in der Fuggerstadt. 1769 reparierte er das Musikinstrument der evangelischen Ulrichskirche. 1780 war die Orgel von St. Peter am Perlach an der Reihe. Die einzige und insgesamt sehr gut erhaltene Orgel Steins steht in der Klosterkirche St. Thekla in Welden bei Augsburg. Bei der letzten Restaurierung musste ein großer Teil der Metallpfeifen ersetzt werden. Die gelegentlich anzutreffende Information, Stein habe im Dom zu Eichstätt eine Orgel gebaut, dürfte auf einem Irrtum beruhen: dieses Instrument war um 1800 mit einer kurzen Oktave ausgestattet worden, die Stein aber als veraltet ansah. Vermutlich führte er lediglich eine Reparatur aus.

Klavierbauer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Klavier von Johann Andreas Stein aus dem Jahr 1786 im Musikinstrumentenmuseum (Brüssel)

Die Anstellung als Organist an der Barfüßerkirche sowie die Aufgabe, die Orgeln in den Augsburger Kirchen zu betreuen, gewährten Stein ein solides Grundeinkommen. Daher konnte er sich zunehmend dem Bau von Hammerklavieren zuwenden. Dabei gelang ihm 1773 die Verbesserung der „Deutschen Pianofortemechanik“, welche das Hammerklavier entscheidend voranbrachte und dem Absatz des Musikinstrumentes kräftig Schub verschaffte.

Das Hammerklavier war vom Florentiner Bartolomeo Cristofori um 1700 mit einer Stößel-Mechanik erfunden worden, die sich in den folgenden Jahrzehnten zunächst so nicht etablieren konnte. Johann Andreas Stein gelang es, die Prellmechanik, bei welcher die Hämmerchen direkt an den Tastenhebeln montiert sind, mit einer so genannten Auslösung auszustatten. Dieses Pianoforte wurde damit zuverlässiger, klangvoller und modulationsfähiger. Das neue Klanggefühl begeisterte Leopold Mozart, Wolfgang Amadé Mozart und auch Ludwig van Beethoven. Mit der Übernahme von Steins Entwicklung durch Wiener Klavierbauer entstand die Bezeichnung „Wiener Mechanik“. Neben den Verbesserungen am Pianoforte befasste sich Stein mit Erfindungen anderer Musikinstrumente. Mehrfach baute er so genannte Vis-a-vis-Flügel, bei denen ein Cembalo und ein Hammerflügel sich in einem Instrumentenkorpus gegenüberstehen. Zwei dieser Instrumente sind erhalten geblieben.

Familie Mozart
(Gemälde um 1780)

Die Familie Mozart war mit Johann Andreas Stein gut bekannt. Im Jahr 1763 erwarb Leopold Mozart während des Aufenthalts in Augsburg ein Reiseklavier für seinen Sohn, das Wolfgang Amadé dann jahrelang spielte. 14 Jahre später gab der längst arrivierte Komponist in Augsburg ein Konzert im Fuggerhaus, für das gleich drei Hammerklaviere bereitgestellt worden waren. Der Domorganist Johann Michael Demmler spielte auf dem ersten, Wolfgang Amadé Mozart auf dem zweiten und Johann Andreas Stein auf dem dritten Flügel. Obwohl sich Wolfgang Amadé in einem Brief an seinen Vater begeistert über die Instrumente Steins äußerte,[2] erwarb er selbst nie einen Flügel bei Stein. In Wien spielte er überwiegend Klaviere von Anton Walter, die bereits über Fänger für die von den Saiten zurückprellenden Hämmer verfügten, womit ein schnelleres Repetieren möglich wurde.

Stein baute im Laufe seines Lebens in seiner Augsburger Werkstatt etwa 700 Klaviere, die in ganz Europa nachgefragt waren. Im Augsburger Mozarthaus wird eines der Hammerklaviere Steins, hergestellt im Jahr 1785, aufbewahrt. Seine Instrumente signierte er der Mode der Zeit entsprechend mit der französischen Variante seiner Vornamen „Jean André Stein“.

Stein-Hammerflügel zählten zu ihrer Zeit um das Ende des 18. Jahrhunderts zu den Spitzenprodukten des Tasteninstrumentenbaus. Zuvor galt dies für Cembali der Antwerpener Familie Ruckers, später für englische Hammerflügel von Broadwood, dann für die französischen Hersteller Pleyel und Erard, und seit Ende des 19. Jahrhunderts für Steinway & Sons. Daher gehören Stein-Flügel zu den Ikonen der historischen Musik-Aufführungspraxis und auch der Sammler. Fortepiani von Stein wurden von Philip Belt und Paul McNulty nachgebaut.

Nachkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nannette Streicher, geborene Anna-Maria Stein (* 2. Januar 1769 in Augsburg; † 16. März 1833 in Wien). Sie ging mit dem Pianisten und Klavierbauer Johann Andreas Streicher 1794 die Ehe ein und führte das väterliche Erbe zusammen mit ihrem Bruder, dann nach geschäftlicher Trennung der Geschwister allein bzw. mit ihrem Mann Andreas Streicher in Wien fort.
  • Matthäus Andreas Stein (* 12. Dezember 1776 in Augsburg; † 6. Mai 1842 in Wien)
  • Friedrich Stein (* 26. Mai 1784 in Augsburg; † 5. März 1809 in Wien)

Aufnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ronald Brautigam. Ludwig van Beethoven "Complete works for solo piano, Vol.9". Hammerklavier nach Stein (McNulty)
  2. Alexei Ljubimow. Ludwig van Beethoven "Complete piano sonatas". Hammerklaviere nach Stein, Walter, Graf, Buchholtz (McNulty)

Werkliste (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr Ort Gebäude Bild Manuale Register Bemerkungen
1756–1757 Augsburg Barfüßerkirche II/P 37 Bei Luftangriffen 1944 zerstört
1757 Obergriesbach
1763 Welden bei Augsburg Theklakloster I/P 8 original erhalten
Orgel
1766 Augsburg Heilig-Kreuz-Kirche Nach diversen Erweiterungen und Neubau von Koulen Gehäuse bei Luftangriffen 1944 zerstört

Klavierbauerdynastie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Johann Andreas Steins Kinder Matthäus Andreas und Anna-Maria Stein, genannt Nannette, übernahmen nach seinem Tod im Jahr 1792 die väterliche Werkstatt. Zwei Jahre später zogen sie jedoch nach Wien um und eröffneten dort gemeinsam eine Klavierfabrik unter dem Namen „Frère et Soeur Stein“ (deutsch: „Bruder und Schwester Stein“). 1802 trennten sie das gemeinsame Geschäft. Matthäus Andreas führte seine Firma unter dem Namen „André Stein“ weiter. Er war mit Ludwig van Beethoven bekannt, dessen Instrumente er auch wartete.

Carl Andreas Stein (* 4. September 1797; † 28. August 1863 in Wien)

Auch Matthäus Andreas’ Sohn Carl erlernte das Klaviermacher-Handwerk. Er erhielt 1829 seine Klaviermacherbefugnis und übernahm 1841 das Geschäft des berühmten Klavierbauers Conrad Graf im Mondscheinhaus. 1844 erhielt er den Titel eines „k. u. k. Hof-Pianoforte-Verfertigers“.

Unter dem Namen Streicher wurden bis zur Schließung im Jahr 1896 über mehrere Generationen hinweg Klaviere produziert.

Quelle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Katalog der Sammlung alter Musikinstrumente, I. Teil: Saitenklaviere, Wien: Kunsthistorisches Museum 1966

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rebecca Wolf: Stein, Johann Andreas. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 150 (Digitalisat).
  • Eva Maria Hertz; Johann Andreas Stein (1728–1792). Ein Beitrag zur Geschichte des Klavierbaues; Würzburg 1937.
  • Silke Bettermann, Michael Ladenburger; Die Orgel von Johann Andreas Stein in der Barfüßer-Kirche in Augsburg; in: Die Königin der Instrumente – Orgelstiche der Beethovenzeit aus der Sammlung Hans Gerd Klais, Begleitbuch zu einer Ausstellung des Beethoven-Hauses; Bonn 2000, S. 65; ISBN 3-88188-061-5
  • Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart; Stuttgart 1984; ISBN 3-8062-0283-4
  • Baedeker Augsburg; Ostfildern-Kemnat 2004; ISBN 3-87954-001-2
  • Michael Latcham; Mozart and the pianos of Johann Andreas Stein; in: „The Galpin Society journal“ 51 (1998), S. 114–153 (englisch)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. […] Nun muß ich gleich beÿ die steinischen Piano forte anfangen […]; Salzburg, Internationale Stiftung Mozarteum: Brief Wolfgang Amadé Mozarts an seinen Vater. In: Mozart Briefe und Dokumente – Online-Edition, [1], Augsburg am 17. Oktober 1777.
  2. […] Ehe ich noch vom stein seiner arbeit etwas gesehen habe, waren mir die spättischen Clavier die liebsten; (Mozart meinte die Tangentenklaviere von Franz Jakob Späth). Nun muß ich aber den steinischen den vorzug lassen; denn sie dämpfen noch viell besser, als die Regensburger. wenn ich starck anschlage, ich mag den finger liegen lassen, oder aufheben, so ist halt der ton in dem augenblick vorbeÿ, da ich ihn hören ließ. ich mag an die Claves kommen wie ich will, so wird der ton immer gleich seÿn. er wird nicht schebern, er wird nicht stärcker, nicht schwächer gehen, oder gar ausbleiben; mit einem wort, es ist alles gleich. […] seine instrumente haben besonders das vor andern eigen, daß sie mit auslösung gemacht sind. da giebt sich der hunderteste nicht damit ab. aber ohne auslösung ist es halt nicht möglich daß ein Piano forte nicht schebere oder nachklinge; seine hämmerl, wen man die Claves anspielt, fallen, in den augenblick da sie an die saiten hinauf springen, wieder herab, man mag den Claves liegen lassen oder auslassen. wen er ein solch Clavier fertig hat, (wie er mir selbst sagte) so sezt er sich erst hin, und Probirt allerleÿ Pasagen, läuffe und springe, und schabt und arbeitet so lange bis das Clavier alles thut. Denn er arbeitet nur zum Nuzen der Musique, und nicht seines nuzens wegen allein, sonst würde er gleich fertig seÿn […]; Salzburg, Internationale Stiftung Mozarteum: Brief Wolfgang Amadé Mozarts an seinen Vater. In: Mozart Briefe und Dokumente – Online-Edition, [2], Augsburg am 17. Oktober 1777.