Justizvollzugsanstalt Bützow

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Justizvollzugsanstalt Bützow
JVA Bützow, 2023
Informationen zur Anstalt
Name Justizvollzugsanstalt Bützow
Bezugsjahr 1839
Haftplätze 400[1]
Mitarbeiter etwa 280[2]
Anstaltsleitung Regierungsdirektor Frank Grotjohann
Website https://www.justiz-in-mv.de/jvab

Die Justizvollzugsanstalt Bützow (auch: Großherzoglich Mecklenburg Schwerinsche Landesstrafanstalt zu Dreibergen, auch: Zuchthaus und Strafgefängnis Dreibergen-Bützow) befindet sich auf einem etwa 270.000 Quadratmeter großen Gelände auf Dreibergen im Nordwesten der Stadt Bützow im Landkreis Rostock in Mecklenburg-Vorpommern. Sie ist die älteste und größte der vier Justizvollzugsanstalten in Mecklenburg-Vorpommern.

Bützower Baudenkmal Nr. 0270

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1832 bis 1835[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ehemalige Großherzoglich Mecklenburg Schwerinsche Landesstrafanstalt zu Dreibergen gehört zu den ältesten und berüchtigtsten Haftanstalten in Deutschland. Schon 1832 trug man sich mit den Plänen zum Bau einer Strafanstalt.[3] So heißt es dazu im Freimüthigen Abendblatt vom 23. März 1832:[4]

Bützow den 13. März:
Erwartungsvoll sehen wir der Bestimmung des Ortes entgegen, wo die neue Strafanstalt errichtet werden wird;
ob nun auf dem Schloßplatze oder Hopfenwall, auf dem Weinberge oder Forsthofe, das soll uns gleich seyn, denn immer kann im Ganzen das nahrungslose Bützow, durch das Entstehen eines so großartigen und tief durchdachten Baues, nur gewinnen. Bereits sind Risse, Anschläge und Gutachten zur weiteren Prüfung eingereicht.

Der Bau begann 1835 mit dem Kauf der Länderei. Das Grundstück bestand aus, dreien, nahe beieinander liegende Hügel. (40–50 Fuß über dem Wasserspiegel des Bützower Sees).[3] Am 29. März 1838 begannen 12 Sträflinge aus der Festung Dömitz mit dem Bau des Gefangenenhauses 1.

1839 bis 1933[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Landesstrafanstalt zu Dreibergen um 1845

Die Strafanstalt wurde am 25. April 1839 als Großherzoglich Mecklenburg-Schwerin Landesstrafanstalt zu Dreibergen eröffnet und das Gefangenenhaus mit 60 Sträflingen belegt. Erster Anstaltsleiter wurde 1840 Oberinspektor Adolf Julius Heinrich Ludwig Seitz[5], ihm folgte 1843 der Oberinspektor August Ehlers.[6] 1844 betrug die Anzahl der Sträflinge schon 247, davon 44 weibliche.[7] Die dann folgende Bauphase dauerte fast zehn Jahre bis 1847. Fertiggestellt wurden bis dahin neben der Männerstation und einer Männerisolierstation auch ein vorläufiges Frauenhaus. Im direkten Umfeld errichtete man Beamtenhäuser und Flügel für Büroräume. Im Jahr 1847 hatte die Anstalt eine Belegungsfähigkeit von 294 Sträflingen, davon 60 Frauen. 1860 entstand ein weiteres Männerverwahrhaus mit Isolierzellen, und 1883 wurde das Weiberzuchthaus in Gebrauch genommen, das sich auf einem von den Männerhäusern abgetrennten Areal befindet. In den Jahren 1902 bis 1906 erfolgte ein weiterer großer Umbau der Männerverwahrhäuser, um den Anstaltsbetrieb effektiver durchführen zu können. Es wurden mehr Einzelzellen für die Unterbringung geschaffen, aber auch Arbeitsräume, Bäder, Diensträume und ein Andachtssaal wurden durch die Verbindung der einzelnen Verwahrhäuser gewonnen. Auch der Anbau für das Krankenhaus wurde 1906 fertiggestellt.[3]

1933 bis 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Zeit des Nationalsozialismus war das Zuchthaus Dreibergen Haftort für Zwangsarbeiter und Richtstätte der NS-Justiz. Von April bis Juli 1942 wurden Hinrichtungen in Dreibergen von dem Scharfrichter Ernst Reindel (für 60 Reichsmark) mit dem Handbeil hinter der Anstaltstischlerei vorgenommen.[8] Von Dezember 1944 bis zum Kriegsende wurde mit der Guillotine aus der Zentralen Hinrichtungsstätte V (UH Hamburg-Stadt) in einem umgebauten Apfelkeller vollstreckt. Infolge der Hinrichtung und der katastrophalen Haftbedingungen starben 771 Menschen. Sie wurden in vier Massengräber auf dem Friedhof verscharrt.

1945 bis 1989[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) nutzte das Gefängnis für die erzwungene Repatriierung von Sowjetbürgern und für Deutsche.[9] Im September 1947 wurden aus den Trümmern eines Gebäudes in Bützow rund 500 Leichen geborgen.[10] Untersuchungen zufolge handelte es sich hierbei um ehemalige Gefangene des Gefängnisses, die kurz vor der Kapitulation Deutschlands von den Gefängniswärtern getötet wurden.[10] In der DDR war die Strafanstalt eine der gefürchteten drei großen B (Bützow, Bautzen, Brandenburg) – Strafanstalten, in denen Regimegegner unter besonders harten Haftbedingungen zu leiden hatten.[9] Nach 1950 war hier zeitweise der Politiker William Borm inhaftiert. Auch der Wehrdienstverweigerer Nico Hübner war Ende der 70er Jahre dort in Haft.[11]

1990er[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Betrieb der Haftanstalt wurde nach der politischen Wende in der DDR und der Deutschen Wiedervereinigung aufrechterhalten. Bauliche Normen und Gegebenheiten wurden anschließend kaum verändert, denn die damalige Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns gab nur spärlich Geld für Restaurierungsarbeiten oder gar Neubauten in der JVA Bützow aus. Aneinandergereihte, nur durch Decken abgetrennte, dunkle und mit bis zu acht Gefangenen belegte Hafträume – anstatt Einzelunterbringung – waren damals genauso Standard wie schlechte hygienische Bedingungen, sexuelle Übergriffe und Gewalt unter den Gefangenen. Hinzu kamen überforderte und schlecht bezahlte Justizbedienstete. Ausbrüche aus den Katakomben der Anstalt waren zwar nicht alltäglich, aber auch nicht selten.[9]

Mitte der 1990er-Jahre herrschten in den Gewölben der Anstalt noch nahezu die gleichen katastrophalen und menschenunwürdigen Bedingungen wie einst für die verurteilten Inhaftierten im untergegangenen Regime. Printmedien betitelten dieses Gefängnis gerne als Skandal- oder Schreckensknast.[9] So kam es dort am 3. Oktober 1995 zu einer der brutalsten Gefangenenmeutereien in einem deutschen Gefängnis überhaupt.[12] Fünf durch selbstgebrannten Schnaps alkoholisierte Gefangene überwältigten vier Justizvollzugsbeamte, nahmen sie als Geiseln und wollten so ein Fluchtauto und damit ihre Freilassung erpressen.[13] Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, zerschnitten sie ihren Opfern mittels scharfgeschliffenen Essmessern und einem Beil die Gesichter, stachen ihnen in den Rücken, schlugen ihre Köpfe gegen Tore, misshandelten und quälten sie brutal mehrere Stunden lang. Die Meuterei konnte nach knapp fünf Stunden vom SEK beendet werden.[14]

Gegenwart[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Sanierung der historischen Hafthäuser soll nun die Erweiterung des Campusgeländes mit fünf Neubauten sowie neuen Verkehrs- & Außenanlagen erfolgen.[15]

Maßgelblich für die Arbeit der JVA Bützow ist der Behandlungsauftrag, der im Strafvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (StVollzG M-V) und im Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (SVVollzG M-V) formuliert ist. Er stellt deshalb nicht nur einen Orientierungsrahmen, sondern eine klare Verpflichtung für den Justizvollzug dar. Gefangene und Sicherungsverwahrte sollen während des Vollzugs der Freiheitsstrafe bzw. der Sicherungsverwahrung durch gezielte Behandlungsmaßnahmen befähigt werden, zukünftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.

Dieses Ziel wird durch die Behandlung von kriminalitätsbegünstigenden Persönlichkeitsstörungen und sonstigen Defiziten sowie die Förderung der sozialen Fähigkeiten der Inhaftierten erreicht. Zu Beginn der Inhaftierung wird für jeden Gefangenen ein individueller Vollzugsplan aufgestellt, in dem die für eine erfolgreiche Resozialisierung notwendigen Behandlungsmaßnahmen festgelegt werden.

Die Justizvollzugsanstalt Bützow bietet Gefangenen und Sicherungsverwahrten ein differenziertes Behandlungs- und Betreuungsangebot an. Neben den Angeboten zur schulischen und beruflichen Bildung werden zahlreiche Behandlungsmaßnahmen angeboten, die helfen sollen das Vollzugsziel – die Befähigung künftig ein Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung zu führen – zu erreichen. Diese spezielle Behandlung umfasst u. a. die Auseinandersetzung mit der Straftat und den Hintergründen der Straffälligkeit und das Erlernen und die Einübung sozial adäquater Verhaltensweisen. Auf Grundlage der Zugangsdiagnostik, der sogenannten Behandlungsuntersuchung, wird für jeden Gefangenen und Sicherungsverwahrten ein individueller Vollzugsplan erstellt. Dieser enthält insbesondere die aus vollzuglicher Sicht erforderlichen Behandlungsmaßnahmen, an denen der Gefangene bzw. Untergebrachte während seiner Haftzeit teilnehmen soll. Hierzu zählen therapeutische Maßnahmen, Trainingsmaßnahmen, Beratungsangebote sowie seelsorgerische Veranstaltungen.

Belegung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die JVA Bützow ist für etwa 400 Inhaftierte ausgelegt, davon sind 35 Haftplätze für Frauen.

In der JVA Bützow befindet sich das bundesweit einmalige Diagnostikzentrum für den Justizvollzug in Mecklenburg-Vorpommern für die Aufnahme von zu Freiheitsstrafen von mehr als vier Jahren verurteilten Sexualstraftätern und wegen Tötungsdelikten verurteilten Strafgefangenen, bei denen von ausgesuchten Experten zunächst eine umfangreiche psychologische Diagnostik vorgenommen wurde, bevor sie in andere Anstalten verlegt oder ihnen die Eignung für Lockerungen aus dem Vollzug anerkannt wurden.

Vollstreckungszuständigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Justizvollzugsanstalt Bützow ist nach dem Vollstreckungsplan[16] für das Land Mecklenburg-Vorpommern in erster Linie eine Anstalt des geschlossenen Strafvollzuges für erwachsene männliche und weibliche Strafgefangene, jedoch auch für den Vollzug der Untersuchungshaft für Gefangene aus dem Gerichtsbezirk Schwerin.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Vollstreckungsplan für das Land Mecklenburg-Vorpommern. Der Vollstreckungsplan regelt die Zuständigkeit der Justizvollzugsanstalten nach Gerichtsbezirken. Seit 2013 existieren dort auch 20 Haftplätze zum Vollzug der Sicherungsverwahrung.[17]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich-Ebert-Stiftung Mecklenburg-Vorpommern: Politische Strafjustiz 1945–1989 – Der Gefängnisstandort Bützow als Gedenk- und Lernort. 1. Auflage. ISBN 978-3-89892-958-5.
  • Helga Schöck, Gerd Wiechmann: 1812 - 1906 chronologische Aufzeichnungen ; vom „Criminal-Colegium“ 1812 über die Erstbelegung der „Großherzoglich Mecklenburg-Schwer. Landesstrafanstalt zu Dreibergen“, Teil 1. Gänsebrunnen-Verlag, Bützow, 1999, ISBN 3-934182-05-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Justizvollzugsanstalt Bützow – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. https://www.justiz-in-mv.de/jvab/Service/Vollzugsabteilungen/
  2. https://www.justiz-in-mv.de/jvab/
  3. a b c Gerd Wiechmann, Helga Schöck: 1812 - 1906 chronologische Aufzeichnungen ; vom "Criminal-Colegium" 1812 über die Erstbelegung der "Großherzoglich Mecklenburg-Schwer. Landesstrafanstalt zu Dreibergen". Gänsebrunnen-Verlag, Bützow, 1999.
  4. Freimüthiges Abendblatt: Freimüthiges Abendblatt, 14. Jg, Nr. 679-730. Bärensprung, Schwerin, 1832.
  5. Friedrich Franz II. (Mecklenburg): Landes Polizei Angelegenheiten , Zu Dreibergen, bei Bützow. In: Großherzoglich Meklenburg-Schwerinscher Staats-Kalender. Hofbuchdruckerei, Schwerin in Mecklenburg 1840, S. 202 (uni-rostock.de).
  6. Friedrich Franz II. (Mecklenburg): Landes Polizei Angelegenheiten , Zu Dreibergen, bei Bützow. In: Großherzoglich Meklenburg-Schwerinscher Staats-Kalender. Hofbuchdruckerei, Schwerin in Mecklenburg 1843, S. 2010 (uni-rostock.de).
  7. Wilhelm Ludwig Demme: Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechts-Pflege. Ferdinant Dümmler , S. 105, 1846 (google.de).
  8. Michael Buddrus: Die Tagungen des Gauleiters Friedrich Hildebrandt mit den NS-Führungsgremien des Gaues Mecklenburg 1939–1945 – Eine Edition der Sitzungsprotokolle. In: Mecklenburg im Zweiten Weltkrieg. Edition Temmen, Bremen 2009, S. 1057.
  9. a b c d Andreas Wagner: FORSCHEN,GEDENKEN UND LERNEN. Schwerin 2008 (fes.de [PDF]).
  10. a b 500 Leichen von Gefangenen entdeckt. In: Welt am Abend, 24. September 1947, S. 4 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/waa
  11. Claudia Röhr: Wehrdienst-Verweigerer im Bützower Gefängnis | SVZ. In: svz.de. 16. Oktober 2009, abgerufen am 5. März 2024.
  12. Wie in Nordafrika. In: Der Spiegel. 25. Dezember 1995, abgerufen am 28. Januar 2011
  13. Geiseldrama im Bützow-Knast. In: BILD-Zeitung. 10. Oktober 1996, S. 3
  14. Tageseinträge für 4. Oktober 1995 auf: chroniknet.de abgerufen am 23. September 2011
  15. Schüßler-Plan: Justizvollzugsanstalt Bützow - Aufwertung historischer Hafthäuser. Düsseldorf 2024 (schuessler-plan.de).
  16. Amtsblatt für Mecklenburg-Vorpommern: Vollstreckungsplan für das Land Mecklenburg-Vorpommern. 10. Dezember 2018 (justiz-in-mv.de [PDF]).
  17. Justizvollzugsanstalt Bützow: Aufgaben und Zuständigkeiten. 10. Dezember 2018 (justiz-in-mv.de).
  18. Bodo Mrozek: Underdogs: Im Streichelknast. 25. Juli 2008 (tagesspiegel.de).

Koordinaten: 53° 51′ 8,9″ N, 11° 57′ 54,2″ O