Jürg Willi

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Jürg Willi (* 16. März 1934 in Zürich; † 8. April 2019[1] ebenda) war ein Schweizer Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychoanalytiker, der als Autor auch über Fachkreise hinaus bekannt wurde. Er war bis 1999 Direktor der Psychiatrischen Poliklinik am Universitätsspital Zürich und ordentlicher Professor für poliklinische Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Krankheiten an der Universität Zürich. Von 1999 bis 2009 leitete er das von ihm mitgegründete Institut für Ökologisch-systemische Therapie in Zürich.[2][3] Er gilt als Pionier der Paartherapie.[4]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Willi war das zweite von vier Kindern des Kinderarztes und Professors für Neonatologie Heinrich Willi und seiner Frau Marie-Louise Chuardt (1904–1991). Er studierte Medizin, 1960 begann er seine Lehranalyse bei Medard Boss und wurde Psychoanalytiker.

Willi führte ab 1965 als erster im deutschen Sprachraum Paartherapien durch; den "ersten Paartherapeuten im deutschen Sprachraum", nannte ihn der Tagesanzeiger.[5] Seither waren Partnerbeziehungen und die persönliche Entwicklung in Partnerbeziehungen der Schwerpunkt seiner Forschungs- und Ausbildungstätigkeit. Willi führte die Begriffe Kollusion, Koevolution, persönliche Nische, wirkungsgeleiteter Lebenslauf und ökologische Psychotherapie in die Psychotherapie von Partnerbeziehungen ein. In späterer Zeit beschäftigte sich Willi auch mit Fragen der Spiritualität.[6]

Willi war von 1963 bis zu seinem Tod mit der Objektkünstlerin Margaretha Dubach verheiratet; sie bekamen zwei Söhne (* 1964 und * 1971) und lebten in Zürich. Zuletzt litt er an der Parkinsonkrankheit; er starb im April 2019 im Alter von 85 Jahren.[1]

Zusammen mit seiner Frau inszenierte er ab 1994 Ausstellungen in Museen:

  • Die totale Heilmethode von Prof. Pilzbarth. Medizinhistorisches Museum, Universität Zürich, 1994
  • Das wahre Leben der Helvetia. Schweizerisches Landesmuseum, Zürich, 1998
  • Die sonderbaren Badekuren von Prof. Pilzbarth. Musée Bizarre, Rieden, 2000 (eigenes Museum in einer alten Fabrikhalle)[7]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1999 wurde ihm der Ehrendoktortitel der Universität Fribourg und 2002 der Internationale Otto Mainzer Preis für die Wissenschaft von der Liebe verliehen. Sein Buch Die Zweierbeziehung wurde in Alfred Pritzens Buch Einhundert Meisterwerke der Psychotherapie aufgenommen.[8]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Alleinautor[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Schizophrenie in ihrer Auswirkung auf die Eltern. Untersuchungen der Eltern von 15 jugendlichen Schizophrenen, Diss. Orell Füssli, Zürich 1962.
  • Anwendung des gemeinsamen Rorschach-Versuchs in Ehetherapie und Forschung. Rorschachiana 11, German Edition. Hans Huber Verlag, Bern 1974. ISBN 978-3-456-30616-2.
  • Der Gemeinsame Rorschach-Versuch. Diagnostik von Paar- und Gruppenbeziehungen. Hans Huber, Bern. ISBN 978-3-456-30575-2.
  • Die Zweierbeziehung. Spannungsursachen, Störungsmuster, Klärungsprozesse, Lösungsmodelle. rororo, Reinbek 1975. ISBN 978-3-499-62758-3 (Mehrere Auflagen; in 7 Sprachen übersetzt).
  • Therapie der Zweierbeziehung. Klett-Cotta, Stuttgart 1978. (Mehrere Auflagen; vollständig überarbeitete Neuausgabe mit Untertitel: Einführung in die analytische Paartherapie – Anwendung des Kollusionskonzepts – Beziehungsgestaltung im therapeutischen Dreieck. 2008. ISBN 978-3-608-94522-5; in 4 Sprachen übersetzt).
  • Ko-evolution – die Kunst gemeinsamen Wachsens Rowohlt, Reinbek 1985 (Neuauflage 1989. ISBN 978-3-499-18536-6).
  • Die Zweierbeziehung. Spannungsursachen – Störungsmuster – Klärungsprozesse – Lösungsmodelle. Analyse des unbewußten Zusammenspiels in Partnerwahl und Paarkonflikt: das Kollusionskonzept. rororo, Reinbek 20. Auflage 1990. ISBN 978-3-499-60509-3.
  • Was hält Paare zusammen? rororo, Reinbek 1991. (10. Auflage 1993. ISBN 978-3-499-60508-6; Rowohlt, Reinbek 1997. ISBN 978-3-499-19394-1; in drei Sprachen übersetzt).
  • Ökologische Psychotherapie. Wie persönliche Entwicklung und Lebenssituation sich wechselseitig beeinflussen. Rowohlt, Reinbek 2005. ISBN 978-3-499-61982-3 (in zwei Sprachen übersetzt).
  • Psychologie der Liebe. Persönliche Entwicklung durch Partnerbeziehungen. rororo, Reinbek 2002 (7. Auflage 2004. ISBN 978-3-499-61634-1; in drei Sprachen übersetzt).
  • Wendepunkte im Lebenslauf. Persönliche Entwicklung unter veränderten Umständen – die ökologische Sicht der Psychotherapie. Klett-Cotta, Stuttgart 2007. ISBN 978-3-608-94438-9 (4. Auflage 2013. ISBN 978-3-608-94809-7).
  • Die Kunst gemeinsamen Wachsens Herder Verlag, Freiburg 2007. ISBN 978-3-451-29607-9.

Als Mitautor und Herausgeber[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Audio[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Alan Niederer: Der Paartherapeut Jürg Willi ist gestorben | NZZ. 15. April 2019, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 16. April 2019]).
  2. Institut (Memento vom 2. Januar 2017 im Internet Archive), Website des Instituts für Ökologisch-systemische Therapie, abgerufen am 3. Januar 2016.
  3. Information. Abgerufen am 28. Juni 2022.
  4. Begründer Instituts und Pionier der Paartherapie Jürg Willi. Abgerufen am 28. Juni 2022.
  5. Schweizer Paartherapeut Jürg Willi ist gestorben. In: tagesanzeiger.ch. 16. April 2019, abgerufen am 16. Mai 2023.
  6. Liturgie und Psychotherapie (Video), Vortrag am 4. Mai 2009, RPP 2009 Liturgie & Psyche, Heiligenkreuz im Wienerwald
  7. Satuila Stierlin: Ich brannte vor Neugier! Familiengeschichten bedeutender Familientherapeutinnen und Familientherapeuten. Carl-Auer-Systeme, Heidelberg 2001, ISBN 3-89670-209-2, S. 164–190.
  8. Alfred Pritz (Hrsg.): Einhundert Meisterwerke der Psychotherapie. Springer, Wien/New York 2008, S. 198 f.