Künstlerische Therapie

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Zu den Künstlerischen Therapien zählen Therapien, in denen die Auseinandersetzung mit künstlerischen Medien Hauptmerkmal der therapeutischen Praxis ist.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter Künstlerischen Therapien sind Therapien zu verstehen, die mit künstlerischen Mitteln arbeiten. Dazu zählen die Kunsttherapie, Maltherapie, Gestaltungstherapie, Musiktherapie, Tanztherapie, Dramatherapie, Theatertherapie, Poesietherapie und Heileurythmie. Sie umfassen aktives, improvisatorisches oder nachvollziehendes Tun wie Singen, Musizieren, Tanzen, Malen, Plastizieren, Schreiben und Schauspielern in der Einzel- oder Gruppensitzung ebenso wie die rezeptive Wahrnehmung von Musik, Tanz, Bildender Kunst, Poesie bis hin zur Betrachtung von szenischen Aufführungen und Videoclips.

Künstlerische Therapien unterscheiden sich von anderen Therapieformen dadurch, dass zu der Beziehung Patient – Therapeut ein Drittes hinzutritt: das künstlerische Medium.[1] Künstlerische Therapien können – wie in tiefenpsychologischen Ansätzen – die künstlerische Gestaltung zum Anlass nehmen, seelischen Konflikten durch künstlerische Mittel Ausdruck zu verleihen und über sie zu sprechen. Sie können – wie in prozessorientierten Ansätzen – das Therapeutische des künstlerischen Tuns in den Vordergrund rücken oder sie können – in rezeptiven Ansätzen – die Wirkung des Mediums auf den Klienten zum Ausgangspunkt der therapeutischen Praxis nehmen.

Zu den Künstlerischen Therapien werden auch disziplinübergreifende Therapien gezählt, die sich auf mehrere Kunstdisziplinen beziehen und intermodal arbeiten, wie die „Intermediale Kunsttherapie“,[2] die „Integrative Therapie“.[3] oder die „Expressive Arts Therapy“.[4]

Im Sinne eines erweiterten Kunstbegriffes werden mit dem Begriff „Künstlerische Therapie“ aber auch Therapien bezeichnet, die sich als soziale Kunst verstehen[5] und in der therapeutischen Praxis selber künstlerisches oder kunstanaloges Handeln sehen.[6]

Anwendungsbereiche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Künstlerische Therapien sind in medizinischen Bereichen ebenso wie in der Prävention und Rehabilitation Bestandteil der Gesundheitsversorgung. Ihnen kommen dabei unterschiedliche Funktionen zu, wie beispielsweise die Konfliktbewältigung, Krankheitsverarbeitung oder die Aktivierung von Ressourcen. Sie können die Wahrnehmung, die Selbstregulation und Selbstreflexion verbessern und zur Integration von belastenden Erfahrungen beitragen.[7]

Sie beziehen sich zum überwiegenden Teil auf den großen Bereich psychischer Störungen, bei dem sich die künstlerischen Therapien an die unterschiedlichen Psychotherapierichtungen (vor allem analytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie sowie Verhaltenstherapie) anlehnen oder anderen, wie z. B. anthroposophischen, Ansätzen folgen. Ein weiterer Wirkungsbereich der künstlerischen Therapien sind die Berufsfelder Sozialpädagogik, Soziale Arbeit, Heilpädagogik und Sonderpädagogik. Darüber hinaus beziehen sie sich auf typische Musiker- und Tänzerkrankheiten, wie sie in der Musikermedizin und Tanzmedizin behandelt werden.

Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Den Begriff „Künstlerische Therapie“ hatte die Maltherapeutin[8] Margarethe Hauschka seit ihrem anlässlich einer Promotion von 2020 gefundenen Bewerbungsschreiben von 1926[9] für „Maltherapie“ verwendet.

Der an der Universität Münster Musiktherapie und Rhythmik/Tanz lehrende Karl Hörmann prägte 1985 anlässlich eines dort von ihm organisierten dreitägigen Symposions[10] in Anlehnung an die an Kunst- und Musikhochschulen vertretenen professionellen Ausbildungen zu Künstlern die seither gängige Bezeichnung Künstlerische Therapien.[11]

1984 wurde die Wissenschaftliche Gesellschaft – Berufsverband für künstlerische Therapien (BKT g. e. V.) gegründet.[12] An der Hochschule für Künste im Sozialen Ottersberg (HKS) wurde 2004 das Institut für Kunsttherapie und Forschung gegründet.[13] 2015 folgte an der Alanus Hochschule in Alfter das Forschungsinstitut Research Institute for Creative Arts Therapies (RiArT)[14][15] und an der Hochschule Nürtingen das Institut für Forschung und Entwicklung in den Künstlerischen Therapien (IKTn).[16]

Im Juni 2017 gründete sich in Hamburg die wissenschaftliche Fachgesellschaft Künstlerische Therapien (WFKT).[17] Über eine jährlich stattfindende Tagung wird der Nachwuchsförderung und dem Austausch mit wissenschaftlich Interessierten aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Anthropologie und Künstlerischen Therapien eine Plattform geboten. Neben den an Hochschulen angesiedelten Forschungsinstituten und der WFKT gibt es am Institut für Theatertherapie einen Forschungsbereich, der sich der theatertherapeutischen Forschung widmet.[18]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hilarion Petzold (Hrsg.): Die neuen Kreativitätstherapien/Handbuch der Kunsttherapie. Band I und II, Junfermann, Paderborn 1990, ISBN 3-87387-027-4.
  • Yolanda Bertolaso (Hrsg.): Musik-, Kunst- und Tanztherapie. Qualitätsanforderungen in den künstlerischen Therapien. Paroli-Verlag, Münster 2001.
  • Yolanda Bertolaso (Hrsg.): Die Künste in den Künstlerischen Therapien. Selbstverständlichkeit oder Etikettenschwindel? Paroli-Verlag, Münster 2002.
  • Peter Sinapius: Therapie als Bild – Das Bild als Therapie/Grundlagen einer künstlerischen Therapie. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-631-55913-5.
  • Silke Heimes: Künstlerische Therapien: Ein intermedialer Ansatz. UTB, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8252-3397-6.
  • Peter Petersen, Harald Gruber, Rosemarie Tüpker (Hrsg.): Forschungsmethoden Künstlerischer Therapien. Reichert-Verlag, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-89500-830-6.
  • Thomas Stegemann, Marion Hitzeler, Monica Lisa Blotevogel (Hrsg.): Künstlerische Therapien mit Kindern und Jugendlichen. Reinhardt-Verlag, München 2012, ISBN 978-3-497-02192-5.
  • Peter Sinapius (Hrsg.): Intermedialität und Performativität in den Künstlerischen Therapien. HPB University Press, Hamburg, Potsdam, Berlin 2018.
  • Mona Behfeld, Peter Sinapius: Kritik und Philosophie der therapeutischen Praxis. Handbuch Künstlerischer Therapien. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2021, ISBN 978-3-525-40779-0.
  • Karl Hörmann: Künstlerische Therapien - ein etablierter Begriff. In: Musik-, Tanz- und Kunsttherapie. Zeitschrift für künstlerische Therapien. 2021-2, S. 226–236.

Fachzeitschriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • GMS Journal of Arts Therapies – Journal of Art-, Music-, Dance-, Drama- and Poetry-Therapy. Wissenschaftliche Fachgesellschaft für Künstlerische Therapien. ISSN 2629-3366 (egms.de)
  • Musik-, Tanz- und Kunsttherapie. Zeitschrift für künstlerische Therapien im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen. Hogrefe, Göttingen, 1988–2015 econtent.hogrefe.com, ab 2017 Pabst-Verlag, Lengerich (pabst-publishers.com)
  • Reihe Wissenschaftliche Grundlagen der Künstlerischen Therapien. HPB University Press, Hamburg/ Potsdam/ Berlin.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Peter Sinapius, Annika Niemann (Hrsg.): Das Dritte in Kunst und Therapie (Wissenschaftliche Grundlagen der Kunsttherapie, Band 4) Peter Lang-Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-631-61542-3.
  2. Peter Sinapius (Hrsg.): Intermedialität und Performativität in den Künstlerischen Therapien. HPB University Press, Hamburg, Potsdam, Berlin 2018.
  3. Hilarion Petzold (Hrsg.) (1990): Die neuen Kreativitätstherapien/Handbuch der Kunsttherapie. Band I und II, Junfermann, Paderborn.
  4. Paolo Knill: Principles and Practice of Expressive Arts Therapy – Toward a Therapeutic Aestetics. Jessica Kingsley Publishers, London 2005 (englisch).
  5. Peter Sinapius: Therapie als Bild – Das Bild als Therapie/Grundlagen einer künstlerischen Therapie. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 2005.
  6. Peter Petersen: Der Therapeut als Künstler / Ein integrales Konzept von Psychotherapie und Kunsttherapie. Junfermann, Paderborn 1987.
  7. Harald Gruber, Sabine Koch, Rosemarie Tüpker: Künstlerische Therapien in der Rehabilitation. In: Thorsten Meyer, Jürgen Bengel, Markus Antonius Wirtz (Hrsg.): Lehrbuch Rehabilitationswissenschaft. Hogrefe Verlag, Bern 2022, ISBN 978-3-456-76067-4, S. 560–568.
  8. Irmgard Marbach: Heilende Malerei. Dokumentation zum 100. Geburtstag der Maltherapeutin Dr. Margarethe Hauschka. Verein zur Förderung der Künstlerischen Therapie und Massage e.V., Boll 1996, ISBN 3-933002-04-4.
  9. Ralf Matti Jäger: Gestaltungstherapie, Kreativtherapie, Künstlerische Therapie, Kunsttherapie. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte, Gemeinschaftsbildung & Identitätsklärung (Dissertation). Hrsg.: Universität Witten/Herdecke. 2020, S. 16 (Digitalisat).
  10. Karl Hörmann (Hrsg.): Musik- und Kunsttherapie. Regensburg 1986.
  11. Ralf Matti Jäger: Gestaltungstherapie, Kreativtherapie, Künstlerische Therapie, Kunsttherapie. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte, Gemeinschaftsbildung & Identitätsklärung (Dissertation). Hrsg.: Universität Witten/Herdecke. 2020, S. 17 ff. (Digitalisat).
  12. Wissenschaftliche Gesellschaft für Künstlerische Therapien – Berufsverband Künstlerischer Therapien g. e. V. Abgerufen am 21. August 2022.
  13. Institut für Kunsttherapie und Forschung. In: kunsttherapieforschung.de. Abgerufen am 3. März 2021.
  14. Alanus: Forschungsinstitut für Künstlerische Therapien / Research Institute for Creative Arts Therapies (RIArT). Abgerufen am 27. Februar 2021.
  15. Neues Forschungsinstitut für Künstlerische Therapien an der Alanus Hochschule. Abgerufen am 27. Februar 2021.
  16. Institut für Forschung und Entwicklung in den Künstlerischen Therapien (IKTn). Abgerufen am 27. Februar 2021.
  17. Über die WFKT. Abgerufen am 27. Februar 2021.
  18. Forschung / R-ITT. In: Institut für Theatertherapie. Abgerufen am 23. August 2022.