KZ Hannover-Stöcken (Akkumulatorenwerke)

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Mahnmal von Hans-Jürgen Breuste für die Zwangsarbeiter der Akkumulatorenfabrik (AFA)

Das KZ-Außenlager Hannover-Stöcken (Akkumulatorenwerke) war im Zweiten Weltkrieg eines der Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme. Es befand sich im hannoverschen Stadtteil Marienwerder und nicht im benachbarten Stadtteil Stöcken. Das Lager existierte vom 19. Juli 1943 bis zum 8. April 1945.[1] Es wurde von der Firma Akkumulatorenwerke Hannover-Stöcken (AFA), einer Vorläufergesellschaft der Varta AG, errichtet, die in ihren Betrieben KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter einsetzte.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mauerreste auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers
Reste des Kommandantenbunkers
Blick auf das früheres AFA-Betriebsgelände, danach Varta, heute Clarios Varta Hannover, am Mittellandkanal

Grundlage für den Häftlingseinsatz in den Betrieben der AFA war ein Vertrag zwischen dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt und der Firmenleitung vom März 1943, in dem neben der Anzahl der zu „liefernden“ SS-Häftlinge, 1.500, bereits festgelegt war, dass der „monatliche Verlust an Arbeitskräften“ von 80 Häftlingen durch die SS auszugleichen ist. Das KZ Hannover-Stöcken mit anfangs 1500 und zum Kriegsende mit etwa 1800 Häftlingen war das größte Lager in Hannover und gehörte als Außenlager zum KZ Neuengamme. Das Lager bestand zwischen Juli 1943 und April 1945 und stand direkt neben dem Werksgelände der Akkumulatorenfabrik. Es wurde durch die SS bewacht. Vor und während des Krieges war die AFA Hauptlieferant von Antriebsbatterien für U-Boote, vorwiegend der Typen VII und XXI, Torpedos (G7e/G7es), sowie Bordbatterien der Fernrakete V2. Ab Juli 1944 unterstanden dem Lagerleiter als „Stützpunktleiter“ die weiteren Außenlager in der Region mit dem Lager Mühlenberg, dem Lager Ahlem, dem Lager Misburg, dem Lager Limmer sowie zwei Frauenlager.

Die Häftlinge wurden in der Bleigießerei, in der Säureabteilung und an den heißen Konterwalzen eingesetzt. Fehlender Arbeitsschutz führte zu Unfällen und Gesundheitsschäden. Nachweislich starben 403 Häftlinge an den schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen im Lager Stöcken. In der Nacht vom 6. auf den 7. April 1945 wurden die marschfähigen Häftlinge aufgrund der anrückenden Alliierten auf einen Todesmarsch in Richtung des KZ Bergen-Belsen geschickt. Häftlinge, die nicht Schritt halten konnten, wurden erschossen. Die etwa 600 nicht marschfähigen Häftlinge wurden per Bahn nach Mieste transportiert und mussten von dort nach Gardelegen marschieren, wo sie mit einer größeren Gruppe von Häftlingen aus dem KZ Mittelbau-Dora in der Isenschnibber Feldscheune ermordet wurden. Mitglieder von SS und Wehrmacht, des Reichsarbeitsdienstes, des lokalen Volkssturms und der Hitlerjugend hatten die Häftlinge am Abend des 13. April 1945 in die Scheune am Stadtrand getrieben, die Tore verriegelt, das Gebäude umstellt und in Brand gesetzt.[2] Wie viele von den 1016 Häftlingen in der Feldscheune aus Stöcken zu Tode kamen, ist nicht bekannt, da nicht alle Leichen identifiziert werden konnten.[3][4]

Lagerleiter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lagerleiter des Konzentrationslagers waren SS-Oberscharführer Johannes Pump, dann SS-Untersturmführer Hugo Benedict, gefolgt vom SS-Untersturmführer Hans Hermann Griem. Im Juli 1944 wurde es SS-Hauptsturmführer Kurt Klebeck, der sich aber vornehmlich um die Außenlager kümmern musste, so dass die tatsächliche Leitung in Stöcken bei seinem Vertreter, SS-Stabsscharführer Paul Maas, lag.

Klebeck wurde 1947 im sogenannten Ahlem-Prozess zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der SS-Unterscharführer Wilhelm Genth und der SS-Stabsscharführer Paul Maas wurden im Jahre 1963 durch das Landgericht Hannover wegen Verbrechen auf dem Todesmarsch zu je drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.[3] Genth, der als SS-Sanitätsdienstgrad den Todesmarsch begleitete, gab vor dem Staatsanwalt 1961 in Hannover zu, dass er eigenhändig drei Häftlinge durch Genickschuss getötet habe[5].

Gedenken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die 2013 eingeweihte Gedenktafel am Rand des Konzentrationslager

Die Geschichte dieses Lagers, das Schicksal der Inhaftierten und die Aufarbeitung in der Nachkriegszeit, insbesondere die Strafverfolgung, ist Mitte der 1980er Jahre umfassend dokumentiert worden.[6]

Zur Erinnerung daran wurde 1987 im hannoverschen Stadtteil Marienwerder nahe dem ehemaligen Lager ein Mahnmal mit einer Skulptur und Gedenktafel auf öffentlichem Grund aufgestellt. Die Skulptur errichtete der Bildhauer Hans-Jürgen Breuste in Zusammenarbeit mit ehemaligen Häftlingen. Die Hauptaktionäre der Varta, die Familien Quandt und Klatten, lehnten eine Errichtung eines Mahnmals auf dem Firmengelände ab.[7] Es ist den west- und osteuropäischen Häftlingen gewidmet, die unter unmenschlichen Bedingungen zur Kriegsproduktion gezwungen wurden. Unweit des Lagers zwischen dem Glockenberg im Klosterforst und dem Friedhof Marienwerder ist der Bunker des Lagerleiters erhalten geblieben. Der Bunker sowie die Baureste auf dem Gelände des früheren Konzentrationslagers stehen unter Denkmalschutz.[8]

Ab den 1960er Jahren entwickelte sich ein dichter Baumbestand auf dem Areal, das durch eine Umzäunung nicht zugänglich ist. 2023 wurden Pläne der Stadt Hannover bekannt, das frühere Lagergelände bis 2024 in einen Informations- und Gedenkort umzugestalten.[9]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Marc Buggeln: KZ-Stöcken (Akkumulatorenwerke). In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 5: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. C.H. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-52965-8, S. 443 ff.
  • Marc Buggeln: KZ-Stöcken (Akkumulatorenwerke). (Online, pdf, 7,8 MB)
  • Rainer Fröbe, Claus Füllberg-Stolberg, Christoph Gutmann, Rolf Keller, Herbert Obenaus, Hans Hermann Schröder: Konzentrationslager in Hannover. KZ-Arbeit und Rüstungsindustrie in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Bd. 35 = Quellen und Untersuchungen zur allgemeinen Geschichte Niedersachsens in der Neuzeit. Bd. 8). 2 Bände. Lax, Hildesheim 1985, ISBN 3-7848-2422-6.
  • LG Hannover, 10. April 1963. In: Justiz und NS-Verbrechen. Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945–1966, Bd. XIX, bearbeitet von Irene Sagel-Grande, H. H. Fuchs, C. F. Rüter. Amsterdam : University Press, 1977, Nr. 549, S. 73–94 Verfahrensgegenstand: Erschiessung dreier erschöpfter Häftlinge während des Evakuierungsmarsches von dem KL Hannover-Stöcken in das KL Bergen-Belsen
  • Jan Martin Burgdorff, Annika Döring: Erinnerungen an das KZ-Außenlager Hannover-Stöcken in: Raimund Reiter (Hrsg.): Frauenalltag im Zweiten Weltkrieg in Niedersachsen. Interviews mit Zeitzeuginnen, Hannover, 1999, S. 38–49
  • René Baumer: Von Verzweiflung und der Sehnsucht nach Freiheit. Bericht und Zeichnungen eines Überlebenden der Konzentrationslager Neuengamme, Stöcken und Bergen-Belsen., VSA Verlag, Hamburg, 2021

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Hannover-Stöcken concentration camp – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bundesministerium der Justiz: Verzeichnis der Konzentrationslager und ihrer Außenkommandos gemäß § 42 Abs. 2 BEG Nr. 573, Hannover-Stöcken, Accumulatorenwerk
  2. Lukkas Busche / Andreas Froese: Gardelegen 1945. Das Massaker und seine Nachwirkungen. Begleitender Katalog zur Dauerausstellung der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen. Gardelegen / Leipzig / Magdeburg 2022, ISBN 978-3-9813459-9-5.
  3. a b Buggeln: KZ-Stöcken (Akkumulatorenwerke). 2007, S. 445 f.
  4. Homepage der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen: Zur Geschichte des historischen Ortes. Abgerufen am 22. März 2020.
  5. Wolfgang Benz, Barbara Distel, Angelika Königseder: Der Ort des Terrors: Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. Band 5. C.H.Beck, 2005, ISBN 978-3-406-52965-8.
  6. Rainer Fröbe et al.: Konzentrationslager in Hannover. 1985.
  7. Hans-Jürgen Jakobs: 16. Dezember 2008, ARD: Vorwürfe gegen Quandt (BMW) „Eine deutsche Dynastie, die Nazis und das KZ“. Abgerufen am 25. Januar 2015.
  8. NS-Anlage im Denkmalatlas Niedersachsen
  9. Sonja Scheller: Ehemaliges KZ-Gelände in Marienwerder wird Gedenkort – Investition von 600.000 Euro in Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 9. Februar 2023

Koordinaten: 52° 24′ 39,4″ N, 9° 37′ 56,9″ O