Kanzlei

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Der Begriff Kanzlei (von mhd. kanzelie, ursprünglich der mit Schranken eingehegte Raum einer Behörde, besonders eines Gerichtshofes; zu lat. cancelli „Schranken“[1]) bezeichnet heute häufig das Büro eines Rechtsanwalts (Anwaltskanzlei) oder Notars (Notariatskanzlei). Branchenüblich wird die Bezeichnung Kanzlei auch von Steuerberatern und Patentanwälten verwendet. Mittlerweile wird diese Bezeichnung gelegentlich auch von Versicherungsmaklern und Unternehmensberatern geführt. Bei Gericht wird die für die Ausfertigung von Urkunden und die Durchführung des Schriftverkehrs zuständige Abteilung als Gerichtskanzlei oder Gerichtsschreiberei bezeichnet.

Mit Kanzlei wird auch eine Behörde der obersten Verwaltungsebene bezeichnet, die über keinen eigenen Verwaltungsunterbau verfügt und in der Regel keine Ressortzuständigkeit wahrnimmt, sondern Koordinierungs- und Abstimmungsfunktionen ausübt (z. B. Bayerische Staatskanzlei, Sächsische Staatskanzlei, Reichskanzlei usw.).

Im behördlich-diplomatischen Sprachgebrauch ist die Kanzlei (Botschaftskanzlei) das Gebäude, das die Verwaltung der Botschaft beherbergt, im Gegensatz zur Residenz, in der der Botschafter seinen Amts- und Wohnsitz hat; beide können am selben Ort, aber auch kilometerweit getrennt sein.

Geschichtliche Bedeutung

Historisch gesehen ist die Kanzlei die Behörde des Regenten oder einer Stadt, die den Schriftverkehr führt und archiviert und für Beurkundungen zuständig ist. Der Leiter einer solchen Kanzlei war der Kanzler (aus lateinisch cancellarius).

Das Byzantinische Reich führte die Verwaltungstradition des Spätrömischen Reiches fort und verfügte bis zu seinem Untergang 1453 – im Lauf der Jahrhunderte in unterschiedlicher Ausgestaltung – über eine Kanzlei im Sinne einer Verwaltungsbehörde.

Ab dem 4. Jahrhundert gab es erstmals eine Apostolische Kanzlei als Einrichtung der römischen Kurie, später wurde der Begriff für Behörden der langobardischen und fränkischen Könige übernommen. Leiter war ein Kanzler bzw. Erzkanzler.

Im Mittelalter erlangten Kanzleien hohe Bedeutung. Allerdings entwickelte sich die Kanzlei von Land zu Land unterschiedlich. Im Frankreich des Ancien Régime hatte der Kanzler von Frankreich eine herausragende Stellung.

Die auf den Kanzleien übliche allgemeine Kanzleisprache bot Martin Luther die Voraussetzung der Schaffung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache. Der Begriff Reichskanzlei wurde bereits für eine Behörde im Heiligen Römischen Reich verwendet, die Reichskanzlei in der Wiener Hofburg. Nach der Reichsgründung von 1871 bezeichnete die Reichskanzlei in Berlin das Büro des Reichskanzlers.

Daneben existierten Kanzleien der Reichskreise. Ferner bestanden Kanzleien der einzelnen Reichsstände und ihrer Personalunionen, die Hofkanzleien: Seit spätestens 1620 gab es eine Österreichische Hofkanzlei, sie war die zentrale Behörde für die österreichischen Erblande. Daneben existierte ab 1527 eine Böhmische Hofkanzlei.

Aufgrund des halboffiziellen Charakters der deutschen Rechtsanwaltschaft (Organ der Rechtspflege) werden auch heute noch verschiedene Begriffe aus der Verwaltungssprache auf den Anwaltsberuf angewendet. Beispiele sind Kanzlei und Gebühren.

Begrifflich wird Kanzlei heute allgemein für Büros verwendet. Der Brockhaus in einem Band (2. Auflage, 1985, S. 424) übersetzt den Begriff Kanzlei schlicht mit „Büro“.

Schweiz und Österreich

In der Schweiz ist der Begriff heute noch üblich für die Bezeichnung von Stabsstellen von Regierungen, vgl. Gemeindekanzlei, Staatskanzlei (der Kantone) und Bundeskanzlei.

Auch in Österreich ist der Begriff für Verwaltungseinrichtungen z. B. des Bundesheeres (Sicherheitskanzlei, Kanzleischreiber), vor allem aber auch für Rechtsanwaltsbüros und Notariate gebräuchlich. Er wird auch für einzelne Büroräumlichkeiten in staatlichen Dienststellen verwendet.

Dänemark

Neben der Dänischen Kanzlei bestand eine Deutsche Kanzlei für die Verwaltung der Herzogtümer Schleswig und Holstein.

Großbritannien

Die Deutsche Kanzlei in London verwaltete das Königreich Hannover.

Siehe auch

Wiktionary: Kanzlei – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Gerhard Wahrig: Deutsches Wörterbuch ISBN 3-577-11017-1