Kerngerüst-/Kernmatrixanheftungsregionen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
SMAR Funktionen:konstitutive und fakultative. Eine Chromatindomäne mit konstitutiven S/MARs am Ende (I). Wenn die funktionellen Umstände eine spezifische Translokation eine Anheftung des konstitutiven Genes an die Matrix erfordern, reagieren die S/MARs auf die Veränderungen, die von Transkriptionsfaktoren (TF) angestoßen und von der Histonacetylierung unterstützt werden. Die Gesamtheit der Veränderungen sind solche, die das Gen durch die transkriptionelle „machinery“ ziehen (II). Transkription wurde beendet (III) daran schließt sich die Dissoziation des Transkriptionskomplexes an (IV).

Kerngerüst-/Kernmatrixanheftungsregionen (engl. scaffold/matrix attachment region, S/MAR), auch scaffold-attachment region (SAR) oder matrix-associated element (MAR) genannt, sind DNA-Sequenzen von eukaryotischen Chromosomen bzw. der 30-nm-Faser oder des Chromatins, die sich an der Kernmatrix anheften. Man kann S/MARs durchaus als architektonische DNA-Komponenten bezeichnet, die sowohl einen organisatorischen Einfluss auf das Genom haben, als auch die Aktivierung und Inaktivierung von Genomabschnitten beeinflussen und ebenfalls die strukturelle Organisation mit beeinflussen, d. h. die Kondensation des Chromatins innerhalb des Zellkerns. Diese Elemente bilden Ankerpunkte der DNA für das Chromatingerüst und dienen dazu, das Chromatin in Strukturdomänen anzuordnen. Studien über individuelle Gene führten zu der Schlussfolgerung, dass die durch S/MARs vermittelte, komplexe und dynamische Organisation des Chromatins bei der Regulation der Genexpression eine wichtige Rolle spielt.

Überblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass ein polymeres Geflecht, eine sogenannte Kernmatrix oder Kerngerüst, eine essentielle Komponente von eukaryotischen Zellkernen ist. Das nukleare Skelett agiert als dynamische Unterstützung für zahlreiche spezifische Ereignisse bei der Transkription der zu aktivierenden Gene.

S/MARs sind im Genom nicht zufällig verteilt. Sie treten flankierend an transkribierten Regionen, in 5'-Introns und an Genbruchpunkt-Clusterregionen (gene breakpoint cluster regions - BCRs) auf. Als Verankerungspunkte für gemeinsame Kernstrukturproteine (z. B. die Lamine der Lamina oder Matrine wie ARBP/meCP2,[1] HMG 1, HMG 2,[2] Nukleolin oder Histone), sind S/MARs erforderlich für eine authentische und effiziente Replikation, Transkription, Rekombination und Kondensation der Chromosomen. S/MARs haben keine offensichtliche Consensussequenz. Obwohl typische Vertreter aus Sequenzen mit mehreren hundert A-T reichen Basenpaaren bestehen, ist die Gesamtzusammensetzung definitiv nicht die primäre Variable, die maßgebend für ihre Aktivität ist. Stattdessen erfordert ihre Funktion ein Muster aus AT-Bereichen, das lokale Strangtrennungen unter Torsionsspannungen ermöglicht. Die Ankerpunkte bzw. Kontaktpunkte werden durch MAR-Proteine vermittelt. Diese Stellen der DNA haben eine Länge von 100 bis 1000 Basenpaaren und einen A-T-Gehalt von 70 %. Außerdem sind sie aufgrund der geclusterten A-T-Paare leicht gebogen, sodass die Verbindung der DNA mit der Matrix unterstützt wird.[3]

Bioinformatische Ansätze untermauern die These, dass S/MARs nicht nur eine bestimmte transkriptionelle Einheit (Chromatindomäne bzw. DNA-Abschnitt der mittels Nukleosomen kondensiert vorliegt) von deren Nachbarn trennen, sondern auch Orte sind für das Rekrutieren von Transkriptionsfaktoren innerhalb der jeweiligen Domäne. Sie weisen eine erhöhte Neigung zur Trennung der DNA-Stränge (das sogenannte: ‘stress induced duplex destabilization’ potential, SIDD[4]) auf und können auch Sekundärstrukturen wie z. B. Cruciformen oder Schlupfstrukturen bilden, die dann Andockpunkte für bestimmte Enzyme (DNAsen, Topoisomerase, Poly(ADP-ribosyl) Polymerase und Enzyme des Histon-acetylierungs und DNA-Methylierungs Komplexes) sind. Es gibt konstitutive (agierend als permanente Domänbegrenzung in allen Zelltypen) sowie fakultative (zelltyp- oder funktionsbezogen) S/MARs, abhängig von ihren dynamischen Eigenschaften.

Während die Anzahl der S/MARs im menschlichen Genom pauschal auf 64.000 geschätzt wurde (Chromatindomänen) plus ergänzend 10.000 (Replikationsursprünge, oriR's), gab es 2007 noch nur sehr wenige (559 für alle Eukaryoten) konkrete S/MAR-Einträge in den Datenbanken[5].

Umstandsabhängige Eigenschaften von S/MARs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heute wird die Kernmatrix als dynamisches Objekt verstanden, das seine Eigenschaften den entsprechenden Erfordernissen des Zellkerns anpasst – genauso wie das Cytoskelett passt sie ihre Struktur und Funktion externen Signalen an. Rückblickend sind zwei Herangehensweisen bei der Entdeckung der S/MARs von Bedeutung:

  • die Beschreibung der SARs (scaffold-attachment elements) durch Laemmli et al., von denen angenommen wurde, dass sie eine gegebene Chromatindomäne abgrenzen[6]
  • die Charakterisierung der MARs (matrix-associated regions), die ersten Beispiele, welche die Immunoglobulin-kappa-chain-Enhancer je nach dessen Besetzung mit Transkriptionsfaktoren unterstützen[7]

Nachfolgende Arbeiten haben demonstriert, dass beide Funktionen der Elemente – die constitutive (SAR-ähnlich) und die fakultative (MAR-ähnlich) – abhängig vom jeweiligen Kontext sind. Während konstitutive S/MARs in allen Zelltypen in Verbindung mit DNAse I hypersensitive sites[8] gefunden wurden (unabhängig davon, ob die anliegende Domäne transkribiert wurde oder nicht), hängt die DNAse I Hypersensitivität des fakultativen Typs vom jeweiligen Transkriptionsstatus ab.[9] Der auffälligste Unterschied zwischen diesen beiden funktionellen Arten der S/MARs ist ihre Größe: die konstitutiven Elemente dürften sich über mehrere kbp erstrecken, wohingegen die fakultativen deutlich kleiner sind, ca. 300 bp.

Die Abbildung illustriert die derzeitige Sicht auf die S/MARs:

  • die dynamischen Eigenschaften der S/MAR-scaffold Kontakte, abgeleitet von haloFISH-Experimenten (halo-Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung)[10]
  • die Beeinflussung der Transkription DNA durch RNA-Polymerase, die ihrerseits eine feste Komponente der Kernmatrix ist[11]
  • die Tatsache, dass bestimmte Domän-intrinsische S/MARs die Unterstützung eines gebundenen Transkriptionsfaktors erfordern, um aktiv zu werden[9]

Weiterführend[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tetko stellte in Arabidopsis thaliana eine Beziehung zwischen intragenischen S/MARs und spatiotemporaler Genexpression (Ort und Zeitpunkt spezifische Expression bezogen auf Gewebsregionen innerhalb eines Organismus während einer Entwicklung) fest.[12] Auf einer Genkarte, welche die gewebs- und organspezifische Genexpression sowie die der Entwicklung darstellt, sind S/MARs beinhaltende Muster gefunden wurden.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. J. M. Weitzel, H. Buhrmester, W. H. Strätling: Chicken MAR-binding protein ARBP is homologous to rat methyl-CpG-binding protein MeCP2. In: Molecular and cellular biology. Band 17, Nummer 9, September 1997, S. 5656–5666, PMID 9271441, PMC 232414 (freier Volltext).
  2. HMGB2 in der englischsprachigen Wikipedia
  3. David P. Clark, Nanette J. Pazdernik: Molekulare Biotechnologie – Grundlagen und Anwendungen. Spektrum Akad. Verlag, 2009, ISBN 978-3-8274-2128-9, S. 7.
  4. SIDD in der englischsprachigen Wikipedia
  5. SMARtDB
  6. J. Mirkovitch, M. E. Mirault, U. K. Laemmli: Organization of the higher-order chromatin loop: specific DNA attachment sites on nuclear scaffold. In: Cell. Band 39, Nr. 1, November 1984, S. 223–332, doi:10.1016/0092-8674(84)90208-3, PMID 6091913.
  7. P. N. Cockerill, W. T. Garrard: Chromosomal loop anchorage of the kappa immunoglobulin gene occurs next to the enhancer in a region containing topoisomerase II sites. In: Cell. Band 44, Nr. 2, Januar 1986, S. 273–82, doi:10.1016/0092-8674(86)90761-0, PMID 3002631.
  8. DNAse I hypersensitive site in der englischsprachigen Wikipedia
  9. a b M. Klar, E. Stellamanns, P. Ak, A. Gluch, J. Bode: Dominant genomic structures: detection and potential signal functions in the interferon-beta domain. In: Gene. Band 364, Dezember 2005, S. 79–89, doi:10.1016/j.gene.2005.07.023, PMID 16185826 (elsevier.com).
  10. H. H. Heng, S. Goetze, C. J. Ye u. a.: Chromatin loops are selectively anchored using scaffold/matrix-attachment regions. In: J. Cell. Sci. Band 117, Pt 7, März 2004, S. 999–1008, doi:10.1242/jcs.00976, PMID 14996931 (biologists.org).
  11. D. A. Jackson, A. Dolle, G. Robertson, P. R. Cook: The attachments of chromatin loops to the nucleoskeleton. In: Cell Biol. Int. Rep. Band 16, Nr. 8, August 1992, S. 687–96, doi:10.1016/s0309-1651(05)80013-x, PMID 1446346.
  12. Igor V. Tetko, Georg Haberer, Stephen Rudd, Blake Meyers, Hans-Werner Mewes, Klaus F. X. Mayer: Spatiotemporal Expression Control Correlates with Intragenic Scaffold Matrix Attachment Regions (S/MARs) in Arabidopsis thaliana. In: PLoS Computational Biology. 2 (2006), S. 136–145. plosjournals.org (Memento des Originals vom 10. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/compbiol.plosjournals.org, doi:10.1371/journal.pcbi.0020021.