Kindesanhörung

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Kindesanhörung ist die persönliche Anhörung von Kindern und Jugendlichen in allen sie betreffenden Gerichts- und Verwaltungsverfahren. Minderjährigen steht nach internationalen und nationalen Bestimmungen ein Recht auf Kindesanhörung zu. Juristisch definiert wird als Kind eine Person, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.[1]

Rechtliche Grundlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Den völkerrechtlichen Rahmen zur Kindesanhörung bildet Artikel 12 UN-Kinderrechtskonvention.[2]

(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.

(2) Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden.

In Deutschland regelt § 159 FamFG die persönliche Anhörung in Kindschaftssachen, um den Kindeswillen zu ermitteln.[3] Hervorzuheben ist, dass das Kind stets anzuhören ist, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat und das gerichtliche Verfahren die elterliche Sorge insgesamt oder (teilweise) die Personensorge betrifft.[4]

Gemäß § 159 Abs. 2 FamFG ist ein Kind auch vor Vollendung des 14. Lebensjahres dann persönlich anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen und der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind. Diese Faktoren sind gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls. Die persönliche Anhörung dient der Gewährung rechtlichen Gehörs, aber auch der Sachaufklärung (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018, Az. XII ZB 411/18).[5]

Ziel der Kindesanhörung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Sorge- und Umgangsfragen ist stets davon auszugehen, dass die persönlichen Bindungen, Beziehungen und Neigungen des Kindes zu seinen Bezugspersonen sowie sein Wunsch und Wille bedeutende Kriterien für die Entscheidung sind. Das Recht des Kindes, diese dem Gericht gegenüber erkennbar zu machen, muss stets Rechnung getragen werden.[6][7]

Arbeitsweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Die Variationsbreite kindlicher Reaktionen im Kontext von Kindesanhörungen ist sehr groß, da das Erleben abhängig von Entwicklungsstand, Alter sowie einer Vielzahl individueller und situationsbedingter Faktoren ist.“[8] Ziel ist die Eruierung des kindlichen Willes: „Zum einen kann ihm entnommen werden, zu welcher Person das Kind die stärksten Bindungen hat. Zum anderen dient er der Selbstbestimmung des Kindes. Je älter das Kind ist, desto mehr tritt die zweite Funktion in den Vordergrund“.[9]

Die Kindesanhörung ist an der Lebenswirklichkeit des Kindes und der jeweils individuellen Zielsetzung zu orientieren.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Martine Delfos: „Sag mir mal ...“. Gesprächsführung mit Kindern zwischen 4 und 12 Jahren. Betz Verlag. Weinheim und Basel. 2004.
  • Michael Karle, Sandra Gathmann, Gunther Klosinski: Rechtstatsächliche Untersuchung zur Praxis der Kindesanhörung nach § 50b FGG. Bundesanzeiger Verlag. Köln. 2010.
  • Maria Teresa Diez Grieser, Heidi Simoni: Kindern zuhören – Das Recht auf Meinungsäusserung und Anhörung. In: Bericht der Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen EKKJ, S. 33–45. 2011.
  • Manuela Stötzel, Prenzlow Reinhard: Die Kindesanhörung im familiengerichtlichen Verfahren. In: Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2011, Heft 1, S. 200–204. 2011.
  • Andreas Hornung, Birgit Kaufhold: Kindesanhörungen im familienrechtlichen Verfahren. Teil 1: Rechtliche Vorgaben (Andreas Hornung), Teil 2: Psychologisches und pädagogisches kindgerechtes Vorgehen bei der Anhörung (Birgit Kaufhold). In: frühe Kindheit 2/13, S. 36–43. 2013.
  • Andreas Hornung, Birgit Kaufhold: Kindesanhörungen in familienrechtlichen Sorgerechts- und Umgangsverfahren. Rechtlicher Rahmen und kindgerechtes Vorgehen. (1.) Teil: Andreas Hornung: Rechtliche Vorgaben (Muss-, Soll- und Kann-Vorschriften) – (2.) Teil: Birgit Kaufhold: Psychologisches und pädagogisches kindgerechtes Vorgehen bei der Anhörung. In: Papa-Ya 1/2013, Nr. 22, S. 22–26. 2013.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Juristische Definition Kind. Abgerufen am 3. Februar 2014.
  2. Übereinkommen über die Rechte des Kindes. (PDF) bmfsfj.de, abgerufen am 9. Juni 2019.
  3. Friederike Wapler, Nadja Akarkach, Mariam Zorob: Umsetzung und Anwendung der Kinderrechtskonvention in Deutschland. Rechtsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Mainz, 2017, S. 56.
  4. Manuela Stötzel, Reinhard Prenzlow: Die Kindesanhörung im familiengerichtlichen Verfahren. In: Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2011, Heft 1, S. 200–204. 2011.
  5. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018, Az. XII ZB 411/18
  6. BVerfG, 05.11.2980 = 1 BvR 349/80.
  7. E 55, 171 (179) = NJW 1981 , 217 (218f.) = FamRZ 1981, S. 124 (126).
  8. Andreas Hornung, Birgit Kaufhold (2013): Kindesanhörungen im familienrechtlichen Verfahren. Teil 1: Rechtliche Vorgaben (Andreas Hornung), Teil 2: Psychologisches und pädagogisches kindgerechtes Vorgehen bei der Anhörung (Birgit Kaufhold). In: frühe Kindheit 2/13, S. 36–43.
  9. FamRZ 2011, 796-802.