Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage

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Der Salt-Lake-Tempel in Salt Lake City, Utah

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints) ist eine Glaubensgemeinschaft. Gemeinsam mit kleineren Splittergruppen wird die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage zur Konfessionsgruppe der Mormonen zusammengefasst. In den Vereinigten Staaten gilt sie – gleichauf mit dem Judentum – mit 1,7 % der Bevölkerung als drittgrößte Glaubensgemeinschaft nach Protestanten und Katholiken;[1] im US-Bundesstaat Utah stellt sie laut einem Zensus von 2007 die Bevölkerungsmehrheit.

Formell gegründet wurde die Glaubensgemeinschaft von Joseph Smith jr. am 6. April 1830 in Fayette im US-Bundesstaat New York. Heute hat sie ihren Hauptsitz in Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah. Ende 2014 betrug der Mitgliederstand rund 15,3 Millionen Mitglieder weltweit.[2]

Mitglieder der Gemeinschaft, die sich selbst „Heilige der Letzten Tage“ (englisch Latter-day Saints) nennen, verstehen ihren Glauben als eine von Gott veranlasste Wiederherstellung der Kirche, die ursprünglich durch Jesus Christus gestiftet wurde. Da sich die Glaubensgemeinschaft neben der Bibel auf weitere Quellen ihres Glaubens beruft, wird sie von der römisch-katholischen Kirche und den meisten protestantischen Kirchen als synkretistische Neureligion angesehen. Laut dem Bericht einer unabhängigen Expertenkommission des Deutschen Bundestags wird sie als „Neue Religiöse Bewegung“ bezeichnet.[3] Die Mormonen haben kein Interesse an der Ökumene und sprechen allen anderen Kirchen die geistliche Vollmacht ab, in Gottes Namen sprechen und insbesondere die Sakramente spenden zu können. Sie erkennen jedoch Christen als solche an und setzen sich für interkonfessionelle Toleranz ein.[4]

Lehre

Offenbarung

In der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wird die Lehre vertreten, dass die Kirche aus direkter göttlicher Offenbarung an Joseph Smith hervorging und seither durch fortlaufende Offenbarung von Jesus Christus direkt angeleitet wird. Dies geschehe durch Propheten, Apostel und andere Kirchenführer, wie es sie auch in der urchristlichen Kirche gab (siehe Epheserbrief 2:19, 20; 4:11–13, Neues Testament). Darüber hinaus wird erklärt, dass jeder Mensch das Recht und die Möglichkeit habe, für seinen persönlichen Bereich, seine Familie und seine kirchlichen Aufgaben (zum Beispiel auf Gemeinde-Ebene) direkte göttliche Offenbarungen zu empfangen. Das Fortlaufen der Offenbarung impliziere auch, dass der Schriftenkanon nicht abgeschlossen sei. So wie Gott damals zu den Propheten des Alten Testaments und Neuen Testaments gesprochen habe, so sei es ihm auch heute möglich, in gleicher Weise zu den Menschen zu sprechen. Der Präsident der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage wird als Prophet, Seher und Offenbarer angesehen und als solcher vom Kollegium der Zwölf Apostel und von der gesamten Mitgliederschaft halbjährlich anerkannt und bestätigt. Es wird davon ausgegangen, dass nur solche Offenbarungen, die vom Präsidenten und vom Kollegium der Zwölf Apostel als von Gott bezeugt werden, Bedeutung für die gesamte Mitgliederschaft (und für die ganze Welt) haben; sie werden als Heilige Schrift kanonisch im Buch Lehre und Bündnisse aufgenommen. Der überwältigende Anteil der Abschnitte dieser Schrift stammt vom Kirchengründer Joseph Smith. Daneben stehen je ein Abschnitt von John Taylor (über den Märtyrertod von Joseph Smith), Brigham Young (zum Aufbruch der Kirche in den Westen) und Josef F. Smith (vom Wirken Christi in der Geisterwelt). Weiterhin beinhaltet das Buch Lehre und Bündnisse zwei amtliche Erklärungen über die Abschaffung der Polygamie und die Zulassung des Priestertums für Farbige.

Schriftenkanon

Das Buch Mormon

Als kanonische Schriften erkennt die Kirche neben der Bibel mit Altem und Neuem Testament das Buch Mormon, Lehre und Bündnisse und die Köstliche Perle an. Dieser Schriftenkanon sei (durch Gottes Wort-Vollmacht) nicht abgeschlossen, da die Kirche für sich in Anspruch nimmt, fortgesetzt Offenbarung zu erhalten.

Die Bibel wird zwar nicht, wie in vielen protestantischen Denominationen, als vollkommen betrachtet, wird aber als das echte Wort Gottes hoch geschätzt. Der Vorbehalt, dass durch zahlreiche Übertragungen, Übersetzungen und Bearbeitungen Aussagen verloren und verfälscht wurden, trifft nur in sehr begrenztem Ausmaß zu. Die Bibel steht gleichberechtigt neben dem Buch Mormon, und die beiden Bände heiliger Schrift ergänzen und erhellen sich nach Ansicht der Heiligen der Letzten Tage gegenseitig. Dazu gibt es die sogenannte Joseph-Smith-Übersetzung, eine stellenweise ergänzende und neue Interpretation der King-James-Bibel, die Joseph Smith nach seinen Angaben durch Offenbarung von Gott erhalten hat. Die Übersetzung Joseph Smiths blieb unvollständig, weil der Autor vor ihrer Vollendung starb. Sie erhebt daher auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Standardversion für den Gebrauch in Englisch ist die überkonfessionell anerkannte King-James-Version der Bibel.

Die Kirche hat eine eigene, textlich nicht veränderte Ausgabe der King-James-Bibel herausgegeben, in der als Fußnoten oder als Anhang die Übersetzungsteile von Joseph Smith aufgenommen sind und die außerdem einen Schriftenführer mit Querverweisen zu den anderen kanonischen Schriften der Kirche enthält. Die Fußnoten und der Schriftenführer sind vergleichbar mit den Bibelkommentaren und Konkordanzen anderer Bibelanstalten.

Deutschsprachige Mitglieder benutzen heute im offiziellen Gebrauch die Einheitsübersetzung der Bibel. Daher finden sich wesentliche Teile der Joseph-Smith-Übersetzung im Schriftenführer, der im Zuge der deutschsprachigen Neuausgabe 2003 sowohl in die Dreifachkombination (Das Buch Mormon, Lehre und Bündnisse und Die Köstliche Perle in einem Band) als auch in den Einfachband Das Buch Mormon – Ein weiterer Zeuge für Jesus Christus im Anhang aufgenommen wurde.

Plan der Erlösung

Im Plan der Erlösung sieht die Kirche den Zweck der Erde darin, den Menschen, die alle vorirdisch erschaffene Geistkinder Gottes seien (Hebräerbrief 12:9, Neues Testament), einen Ort weiteren Lernens in der Körperlichkeit zu verschaffen. Damit sei auch ein vorübergehendes Vergessen eines vorirdischen Daseins als Geistwesen verbunden (1. Korintherbrief 13:12, 2. Korintherbrief 5:7, Neues Testament). Kraftvollen Glauben zu entwickeln, sei ein wesentlicher Sinn des irdischen Lebens (Hebräerbrief 11:6). Die Menschen beteiligen sich auch an diesem göttlichen Plan, indem sie durch das Zeugen von Kindern weiteren Geistwesen das Erdenleben ermöglichen.

Jeder Mensch könne sich immer entscheiden, ob er das Gute oder das Böse tun wolle. Jeder, außer Jesus Christus, scheitere dabei, alle Gebote Gottes zu jeder Zeit genau zu erfüllen (Römerbrief 3:23, Neues Testament). Damit sei er verunreinigt und aus eigener Kraft nicht im Stande, in die Gegenwart Gottes zurückzukehren.

Jesus Christus habe durch sein Sühnopfer allen Menschen die Möglichkeit gegeben, von ihren Sünden umzukehren und nach allem, was sie selbst tun können, aus Gnade errettet zu werden. Dazu sei die Taufe durch einen dazu Bevollmächtigten unerlässlich (siehe beispielsweise Johannesevangelium 3:5, Neues Testament). Diese Taufe könne frühestens nach Vollendung des achten Lebensjahres vollzogen werden, mit der Begründung, dass dieses das offenbarte Alter der Verantwortlichkeit sei. Kleine Kinder würden für die Übertretung Adams nicht zur Rechenschaft gezogen werden und seien daher sündenfrei, was die Taufe zur Vergebung der Sünden (siehe beispielsweise Apostelgeschichte 2:38; 22:16, Neues Testament) überflüssig mache. Die Kirche kritisiert vor diesem Hintergrund scharf die in ihren Augen nichtige Säuglingstaufe der großen christlichen Kirchen.

Der mormonische Plan der Erlösung basiert auf dem Konzept der Werkgerechtigkeit. Der Mensch wird nicht allein durch Gottes Gnade gerettet, sondern muss mit seinen Taten dazu beitragen. Im dritten der dreizehn mormonischen Glaubensartikel heißt es dazu: „Wir glauben, daß durch das Sühnopfer Christi alle Menschen errettet werden können, indem sie die Gesetze und Verordnungen des Evangeliums befolgen.“[5]

Nach dem Tod habe der Mensch den Körper vorübergehend verloren, lebe aber als Geistwesen in der Geisterwelt weiter und könne weiter lernen. Wer im Erdenleben die gültige Taufe durch einen Priester oder Mitglied höheren Amtes der Kirche nicht empfangen habe, für den könne diese Handlung durch die Taufe für Verstorbene stellvertretend von einem Lebenden empfangen werden (siehe 1. Korintherbrief 15:29).

Am Ende der Entwicklung stehe die Auferstehung mit dem nachfolgenden Jüngsten Gericht, in dem Jesus Christus jedem die ihm gebührende Herrlichkeit zuteilen werde: Dies sind nach der Lehre der Kirche das Celestiale Reich mit der größten Herrlichkeit (Gegenwart Gottes des Vaters), das Terrestriale Reich (Gegenwart Jesu Christi) als mittleres und das Telestiale Reich (Gegenwart des Heiligen Geistes) als niederstes (siehe 1. Korintherbrief 15:40–42, 2. Korintherbrief 12:2). Nur wer bewusst den Heiligen Geist leugne, obwohl er ihn bereits stark genug verspürt hat, oder morde, der werde in die äußerste Finsternis gestoßen und ein Sohn des Verderbens werden. Mehr dazu siehe unter Reiche der Herrlichkeit.

Nach dieser Lehre spielt die Entscheidungsfreiheit des Menschen eine wesentliche Rolle im göttlichen Plan. Daher wird der Fall von Adam und Eva, der im Garten Eden stattfand, nicht als unfallartiger „Sünden“-Fall angesehen, sondern als freiwillige Entscheidung, um den Erlösungsplan in Gang zu setzen, da so die Sterblichkeit mit all ihren lehrreichen Mühen und den Versuchungen der Sünde durch das Erkennen von Gut und Böse erst in die Welt kam. Auch kam mit dem Fall Adams und Evas erst die Zeugung von Kindern in Gang, da sie vorher noch „keine Scham“ kannten.

Der Zusammenhang des Falles von Adam und Eva mit dem Sühnopfer Jesu Christi und die Rolle, die der einzelne Mensch dabei spielt, ist die zentrale Lehre, auf die in Predigten, Seminaren und Unterrichten sehr häufig Bezug genommen wird. Auch im Tempel spielt dies eine zentrale Rolle.

Vollmachtsanspruch

Die Kirche Jesu Christi erklärt, dass nur jemand, der die Vollmacht von Jesus Christus bekommen habe, in seinem Namen sprechen und heilige Handlungen durchführen dürfe, was unter anderem mit dem Vers 4 im 5. Kapitel des Hebräerbriefes im Neuen Testament begründet wird: Und keiner nimmt sich eigenmächtig diese Würde, sondern er wird von Gott berufen so wie Aaron. Der erste Bevollmächtigte war Adam. Seither wurde die Vollmacht weitergegeben bis Mose. Später hat Jesus Christus die Vollmacht an die Apostel Petrus, Jakobus, Johannes und andere übertragen (siehe Matthäusevangelium 10:1–4, Neues Testament). Nach dem Tod der Apostel ist sie wieder verloren gegangen durch einen Abfall vom Glauben (siehe Matthäusevangelium 24:9, 2. Thessalonicherbrief 2:3). Die Vollmacht wurde wiederhergestellt (siehe Apostelgeschichte 3:20, Neues Testament), indem die Apostel Petrus, Jakobus und Johannes Joseph Smith als auferstandene Wesen erschienen und sie ihm durch Handauflegen als vollständige Schlüsselvollmacht übertrugen. Von Joseph Smith ausgehend seien Teilvollmachten (je nach Berufungsbereich) an die würdigen Mitglieder in ungebrochener Linie weitergegeben worden. Die vollständige Schlüsselvollmacht halten immer der lebende Präsident der Kirche und das lebende Kollegium der Zwölf Apostel inne (siehe Matthäus 16:16–19). Nach Lehre der Kirche habe niemand außerhalb dieses Kreises die vollständige Vollmacht.

Ausschließlichkeitsanspruch

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage beansprucht für sich, die einzig wahre Kirche auf der Erde zu sein, da sie die von Jesus Christus gegründete Kirche sei, von der in der Bibel die Rede ist, und somit die einzige, die die Priestertumsvollmacht innehalte. Demnach gelten alle anderen Religionen und Kirchen als nur teilweise wahr. Besonders frühe Vertreter der Mormonenkirche äußerten sich zu ihrer Zeit sehr abfällig über christliche Kirchen, was aus Dokumenten in verschiedenen Textsammlungen hervorgeht.

  • Brigham Young, der zweite Präsident der Kirche, sagte über andere christliche Gemeinschaften: „Wenn es um Gott geht, sind sie die größten Narren“[6] und „Ein unwissenderes Volk als die heutige so genannte Christenheit hat noch nie zuvor gelebt.“[7]
  • John Taylor, dritter Präsident der Kirche, meinte, dass sie „so korrupt wie die Hölle“ seien.[8]

Nach der Kirche begann die große Apostasie kurz nach dem Aufstieg von Jesus in den Himmel [9] und endete mit der Ersten Vision von Joseph Smith im Jahre 1820. Für Mormonen ist die große Apostasie folgendermaßen gekennzeichnet:

  • die Schwierigkeiten der Apostel, die frühen Christen davon abzuhalten Jesus Lehren zu verfälschen und zu verhindern, dass ihre Anhänger sich Teilen in verschiedene ideologische Gruppen;[10]
  • die Verfolgung und das Märtyrertum der Apostel der Kirche;[11]
  • den Verlust von Kirchenführern die das Priestertum haben, um die Kirche zu lenken und die Sakramente zu verteilen;[12]
  • einen Mangel an Offenbarung, um die Kirchenführer und die Kirche zu leiten;[9] und
  • die Korruption von christlicher Lehre durch griechische oder anderen angeblich heidnischen Philosophien so wie Neuplatonismus, [13]

Deshalb verweisen Mormonen auf die „Wiederherstellung von allem“, die in Apg 3,21 EU erwähnt ist, und behaupten, dass eine Wiederherstellung aller ursprünglichen und wichtigen Lehren des Christentums notwendig war.[14]

Die katholische Kirche glaubt, dass diese große Apostasie nie stattgefunden hat.[15] Einzelne protestantische Kirchen sehen in der katholischen Kirche eine Apostasie, bei ihnen jedoch nicht.[16]

Ungeachtet ihres Ausschließlichkeitsanspruchs hat sich die Kirche seit jeher für interkonfessionelle und interreligiöse Toleranz und Verständnis eingesetzt und wurde u. a. dadurch bekannt, dass sie andere Religionsgemeinschaften durch Spenden unterstützte. Beispiele dafür sind die Synagoge und die russisch-orthodoxe Kathedrale von Salt Lake City sowie der hinduistische Tempel von Spanish Fork, die mit Hilfe von Spenden der Kirche errichtet wurden. 2003 erhielt der damalige Präsident der Kirche, Gordon B. Hinckley, für seine Bemühungen um Toleranz die „Medal of Freedom“, eine der höchsten Ehrenauszeichnungen der amerikanischen Regierung, vom US-Präsidenten George W. Bush.

Der Name der Kirche

Bei ihrer Gründung am 6. April 1830 hieß die Kirche noch „Die Kirche Christi“. Dieser Name wurde jedoch am 3. Mai 1834 durch den einstimmigen Beschluss der Kirchenführung in „Die Kirche der Heiligen der Letzten Tage“ geändert. In Lehre und Bündnisse, Abschnitt 115 Vers 4, schreibt Joseph Smith am 26. April 1838 als Offenbarung von Gott: „denn so soll meine Kirche in den letzten Tagen genannt werden, nämlich: Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.“ Aufgrund dessen erfolgte eine letzte Änderung am 26. April 1838: der Name Jesu Christi wurde wieder eingefügt.

Der Name soll verdeutlichen, dass in der Kirche Jesus Christus im Mittelpunkt steht und dass es sich um die wiederhergestellte „Kirche Jesu Christi“ aus dem Neuen Testament handelt. Der Zusatz „der Letzten Tage“ unterscheidet namentlich die Kirche von ebendieser ursprünglichen „Kirche Jesu Christi“ in neutestamentlicher Zeit. Joseph Smith sah mit seiner Mission die Endzeit eingeläutet; an einen unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang glaubte er allerdings nicht.

Verständnis von Gott und Göttern

Smiths erste Vision auf einem bunten Kirchenfensterglas aus dem Jahr 1913, ausgestellt im Museum of Church History and Art in Salt Lake City, Utah

Kirchengründer Joseph Smith lehrte, dass es eine unbestimmte Zahl von Göttern und Persönlichkeiten auf Götterebene gebe, was unter anderem mit folgendem Bibelzitat begründet wird: Wohl habe ich gesagt: Ihr seid Götter, ihr alle seid Söhne des Höchsten (siehe Psalmen 82:6, Altes Testament). Gleichzeitig sei es jedem Menschen als ein Kind Gottes durch die Gnade Christi möglich, selber zu einem Gott oder einer Göttin zu werden, was bedeutet, dass man alle wesentlichen Eigenschaften erlangt, die Gott besitzt (siehe 2. Korintherbrief 3:18, Neues Testament). Gott der Vater ist nach dieser Lehre prinzipiell ein erhöhter Mensch mit einem Körper aus Fleisch und Gebein (siehe Genesis 1:26, 27, Altes Testament).

Jesus Christus ist der Lehre der Kirche zufolge der Erstgeborene der Geistkinder des Himmlischen Vaters (siehe Psalmen 89:27, Altes Testament) und einer himmlischen Mutter[17] und damit unser Bruder im Geist. Jedoch ist er der einzige Gezeugte im Fleisch. Christus nimmt im Plan der Erlösung als Erretter eine besondere Rolle ein. Jesus Christus sei Jehova (Jahwe), Gott des Alten Testamentes, und habe zusammen mit anderen vorirdischen Geistwesen (d. h. Geistkindern) und Göttern, unter anderem Adam, welcher auch der Erzengel Michael sei, die Erde erschaffen (siehe Kolosserbrief 1:13–16, Neues Testament).

Der Heilige Geist sei eine eigenständige, physisch-körperlose Gottheit. Er sei eines Sinnes mit Gott, dem Vater, und eins in Absicht. Die Aufgabe des Heiligen Geistes sei es, als Offenbarer, Bestätiger von Wahrheit, Tröster und Warner seinen Einfluss auf die Menschen individuell auszuüben. Hätte der Heilige Geist auch einen physischen Körper, könne der Heilige Geist nicht im Menschen wohnen. Als Geist ohne Körper könne er im Herzen der Menschen wohnen und in vielen Menschen zugleich Wahrheit bestätigen.

Luzifer (Satan), der Sohn des Morgens, sei ebenfalls ein Geistkind des Vaters (siehe Ijob 1:6; 2:1, Altes Testament). Er sei aber wegen seiner Rebellion und seines Wunsches, sich über Gott den Vater zu erheben, aus der Gegenwart des himmlischen Vaters ausgestoßen worden (siehe Jesaja 14:12–15, Altes Testament). Er sei also der böse Geistwesen-Bruder (welcher keinen Körper aus Fleisch und Gebein hat), der für die Menschen Böses wolle, der Gegenpol seines Geistwesen-Bruders Jesus Christus, der für die Menschen das Gute wolle.

Die Glaubensartikel

Der Herausgeber des „Chicago Democrat“, John Wentworth, bat Joseph Smith um eine zusammenfassende Darstellung des „mormonischen“ Glaubens. Das Ergebnis waren 13 Punkte, die später unter der Bezeichnung die „Glaubensartikel“ kanonisiert und ins Buch Die Köstliche Perle eingefügt wurden. Sie geben die Glaubenslehre gut, aber nicht vollständig wieder:

  1. Wir glauben an Gott, den Ewigen Vater, und an seinen Sohn, Jesus Christus, und an den Heiligen Geist.
  2. Wir glauben, dass der Mensch für seine eigenen Sünden bestraft werden wird und nicht für die Übertretungen Adams.
  3. Wir glauben, dass durch das Sühnopfer Christi alle Menschen errettet werden können, indem sie die Gesetze und Verordnungen des Evangeliums befolgen.
  4. Wir glauben, dass die ersten Grundsätze und Verordnungen des Evangeliums sind: erstens der Glaube an den Herrn Jesus Christus; zweitens die Umkehr; drittens die Taufe durch Untertauchen zur Sündenvergebung; viertens das Händeauflegen zur Gabe des Heiligen Geistes.
  5. Wir glauben, dass man durch Prophezeiung und das Händeauflegen derer, die Vollmacht dazu haben, von Gott berufen werden muss, um das Evangelium zu predigen und seine heiligen Handlungen zu vollziehen.
  6. Wir glauben an die gleiche Organisation, wie sie in der Urkirche bestanden hat, nämlich Apostel, Propheten, Hirten, Lehrer, Evangelisten usw.
  7. Wir glauben an die Gabe der Zungenrede, Prophezeiung, Offenbarung, der Visionen, der Heilung, Auslegung der Zungenrede usw.
  8. Wir glauben, dass die Bibel, soweit richtig übersetzt, das Wort Gottes ist; wir glauben auch, dass das Buch Mormon das Wort Gottes ist.
  9. Wir glauben alles, was Gott offenbart hat, und alles, was er jetzt offenbart; und wir glauben, dass er noch viel Großes und Wichtiges offenbaren wird, was das Reich Gottes betrifft.
  10. Wir glauben an die buchstäbliche Sammlung Israels und die Wiederherstellung der Zehn Stämme, dass Zion (das Neue Jerusalem) auf diesem [d. h. dem amerikanischen] Kontinent errichtet werden wird, dass Christus persönlich auf der Erde regieren wird und dass die Erde erneuert werden und ihre paradiesische Herrlichkeit empfangen wird.
  11. Wir beanspruchen das Recht, den Allmächtigen Gott zu verehren, wie es uns das eigene Gewissen gebietet, und gestehen allen Menschen das gleiche Recht zu, mögen sie verehren, wie oder wo oder was sie wollen.
  12. Wir glauben, dass es recht ist, Königen, Präsidenten, Herrschern und Obrigkeiten untertan zu sein und dem Gesetz zu gehorchen, es zu achten und für es einzutreten.
  13. Wir glauben, dass es recht ist, ehrlich, treu, keusch, gütig und tugendhaft zu sein und allen Menschen Gutes zu tun; ja, wir können sagen, dass wir der Ermahnung des Paulus folgen - Wir glauben alles, wir hoffen alles, wir haben viel ertragen und hoffen, alles ertragen zu können. Wenn es etwas Tugendhaftes oder Liebenswertes gibt, wenn etwas guten Klang hat oder lobenswert ist, so trachten wir danach.

Joseph Smith[18]

Entstehung und Geschichte

Die Kirche entstand im ländlichen Norden des Staates New York am Anfang des 19. Jahrhunderts, als diese Gegend noch zivilisatorisches Neuland war. Die dort lebende Bevölkerung war im Wesentlichen protestantisch und bibelgläubig, gehörte aber oft keiner Kirche an. Auch abergläubische Vorstellungen waren weit verbreitet. Manchmal bekannten sich verschiedene Familienmitglieder zu unterschiedlichen Konfessionen.

Gründung (1820–1830)

Porträt von Joseph Smith

Der spätere Gründer, Joseph Smith jun., erklärte, im Jahre 1820 nach einem Gebet über die Frage, welche Kirche die wahre sei, eine Vision gehabt zu haben. In dieser so genannten Ersten Vision seien ihm zwei Personen, Gott der Vater und Jesus Christus, erschienen. Diese hätten ihm mitgeteilt, dass alle zu jener Zeit bestehenden Kirchen im Irrtum seien und er sich keiner anschließen solle.[19] (Es existieren mehrere Berichte, die jeweils das eine oder andere Element des Ereignisses nicht erwähnen)

In den Jahren von 1823 bis 1827 habe er weitere Erscheinungen gehabt, diesmal von einem Engel namens Moroni, der ihm den Auftrag gegeben habe, das Buch Mormon von goldenen Platten, die seit Jahrhunderten in einem nahen Hügel lagerten, zu übersetzen, wozu Smith die bei den Platten aufbewahrten „Sehersteine“ Urim und Tummim zu Hilfe genommen habe. Danach habe Moroni die Platten in Verwahrung genommen.[20] Das Buch wurde 1830, kurz vor der Gründung der Kirche, erstmals veröffentlicht.

1829 sei Joseph Smith und seinem Mitarbeiter Oliver Cowdery der auferstandene Johannes der Täufer erschienen und habe ihnen das aaronische Priestertum verliehen, mit der Vollmacht zu taufen.[21] Einige Wochen später seien die Apostel Christi Petrus, Jakobus und Johannes erschienen und hätten ihnen das melchisedekische Priestertum übertragen, wodurch der Weg für die „Wiederherstellung“ der Kirche Jesu Christi frei gemacht worden sei. Die formelle Gründung erfolgte am 6. April 1830 mit Joseph Smith als „erstem Ältesten“ und Präsidenten und Oliver Cowdery als „zweitem Ältesten“, Hyrum und Samuel Smith (Brüder von Joseph) sowie Peter Whitmer jun. und David Whitmer als eingetragene Mitglieder.[22]

Die Kirche fand rasch treue Anhänger und erbitterte Gegner. Bereits im Jahre 1830 sandte Joseph Smith seinen Bruder Samuel als ersten Missionar aus. Relativ viele Menschen aus dem Umland schlossen sich der neuen Kirche an. Gegner der Kirche griffen zu Mitteln wie Boykott und Anzeigen, aber auch teilweise zu Tätlichkeiten. Aus dieser Zeit stammen die ersten Zeitungsartikel und Flugblätter, die sich auch gegen Joseph Smiths Persönlichkeit richteten. Zeitungsartikel und Kritik, die sich gegen die Führer und Gründer der Kirche richteten, wurden und werden in der Kirche oft als mittelbares Wirken des Satans gegen das wiederhergestellte Evangelium eingestuft.

Kirtland und Missouri (1830–1840)

Wegen dieser unerquicklichen Umstände verlegte Joseph Smith den Hauptsitz der Kirche bereits 1831 nach Kirtland in Ohio. Dies bedeutete den Umzug der meisten Mitglieder unter Verlust ihrer Farmen und Geschäfte, die sie im noch kaum besiedelten Ohio neu aufbauten.

Hier errichtete die Kirche mit dem Kirtland Temple ihren ersten Tempel, in dem Joseph Smith 1836, wie er in Lehre und Bündnisse Abschnitt 110 ausführt, weitere Vollmacht, im Namen Gottes zu handeln, erhalten haben will. 1834 war das „Kollegium der Zwölf Apostel“ als Führungsgremium unter Joseph Smith als Propheten ins Leben gerufen worden. 1833 hatte Joseph Smith hier sein Konzept der Stadt Zions erarbeitet. In der Frühzeit der Kirche sollten sich Menschen nicht nur zu den Glaubenslehren bekennen, sondern sich gemeinsam an den vom Propheten dafür benannten Orten ansiedeln. Die gemeinsame Siedlung derer, „die reinen Herzens sind“, wurde als Zion, als theokratisches Gemeinwesen betrachtet. Um den Geist der Gütergemeinschaft der Jerusalemer Urgemeinde wiederzubeleben, wurde innerhalb der Kirche der Grundsatz der vereinigten Ordnung gepredigt und versucht zu leben.

Aufgrund des Zusammenbruchs der „Kirtland Safety Society Anti-Banking Company“, eines von Joseph Smith privat gegründeten Kreditinstituts, im Jahr 1837 verloren viele, unter ihnen auch führende, Mitglieder der Kirche viel Geld. Dies veranlasste eine größere Anzahl, das göttliche Mandat Joseph Smiths nicht nur zu bezweifeln, sondern als Lüge zu bekämpfen.

Bereits 1831 hatte sich Joseph auch nach Missouri – damals die Grenze der USA im Westen – orientiert und dort Kircheneinheiten gegründet. Er wollte die Kirche langfristig zentral dorthin verlegen und hatte in der Stadt Independence bereits vor dem Tempelbau in Kirtland einen Platz für einen zukünftigen Haupttempel abgesteckt, der jedoch bis heute nicht gebaut wurde. Nach blutigen Verfolgungen im Jahr 1833 flohen die dortigen „Heiligen“, wie sie sich nannten, in nördlichere Kreise des Staates Missouri um die Stadt Far West. Nach dem Zusammenbruch von Kirtland musste Smith mit seinen Getreuen Ohio verlassen und folgte den „Heiligen“ nach Missouri. Dort wurde Joseph Smith 1838 verhaftet und gemeinsam mit mehreren Mitarbeitern unter Arrest gestellt.

Durch Gegner der Kirche aufgehetzt, erließ Gouverneur Lilburn Boggs 1838 die Missouri Executive Order 44: „Mormonen müssen aus dem Staat vertrieben oder vernichtet werden“.[23]

Noch 1839 wurde in Far West ein weiterer Tempelbauplatz eingeweiht. Zu einem Bau kam es jedoch nicht mehr. Pläne zur Errichtung von Städten Zions blieben wegen der Verfolgung und des folgenden Wegzugs in den Anfängen stecken.

Nauvoo (1840–1845)

Die Flüchtlinge wurden in Illinois aufgenommen und gründeten dort als neuen Anfang am Ufer des Mississippi am Ort Commerce die Stadt, die sie dann Nauvoo nannten. Von dort aus begann das Missionswerk in alle Welt, besonders nach Europa. Wieder wurde ein Tempel gebaut. Nauvoo erhielt einen Sonderstatus, praktisch als Stadtstaat mit eigener Miliz, der Nauvoo Legion.

Am 17. März 1842 wurde in Nauvoo die Frauenhilfsvereinigung (FHV) als Organisation der Frauen in der Kirche unter der Leitung von Emma Smith, der Ehefrau des „Propheten“ Joseph Smith jun., gegründet.[24]

Nach der Zerstörung der Druckerpresse der mormonenkritischen Zeitung „Nauvoo Expositor“ – dieser prangerte in seiner einzigen erschienenen Ausgabe vor allem die heimliche Polygamie der Kirchenführer an – durch einen vom Bürgermeister Joseph Smith beauftragten Marshal entzündete sich der Volkszorn umliegender Gemeinden gegen die Kirche. Dies gipfelte schließlich in der Ermordung von Joseph Smith und seinem Bruder Hyrum durch einen Mob am 27. Juni 1844. Über der Nachfolgefrage entstand ein heftiger Streit, der zu einer Reihe von Abspaltungen führte. Der dienstälteste Apostel, Brigham Young, übernahm die Führung des Hauptteils der Mitglieder. Die meisten der anderen Fraktionen vereinigten sich wesentlich später (ab 1860) zur Reorganisierten Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, die sich seit 2001 Gemeinschaft Christi nennt.

Auszug nach Salt Lake City

Brigham Young

Schon Joseph Smith hatte sich mit der Frage beschäftigt, ob die Kirche nicht in eine menschenleere Gegend ziehen solle, um weiteren Verfolgungen zu entgehen. Dies realisierte Brigham Young mit dem (vorzeitig erzwungenen) Auszug fast aller Mormonen aus Nauvoo und deren Übersiedlung in das Tal des Großen Salzsees in den Rocky Mountains, wo er am 24. Juli 1848 die heutige Großstadt Salt Lake City gründete. Sie ist bis heute Hauptsitz der Kirche geblieben.

Konsolidierung in Salt Lake City (1850–1896)

Zunächst wurde das neue Territorium erschlossen. Bald wurden aber auch wieder Missionare ausgesandt, die vor allem im Osten der USA, in Kanada und Europa versuchten, Menschen von ihren Lehren zu überzeugen. Dazu gehörte damals auch die „Sammlung in Zion“, das Auswandern in den neu gegründeten „Staat Deseret“. Bedingt durch die starke Zuwanderung und die hohe Kinderzahl, stieg die Bevölkerung rasch an. Dadurch wurde das vorher fast unbewohnte Land immer stärker erschlossen und bewirtschaftet, und zwar sowohl religiös als auch wirtschaftlich und in der Gesetzgebung sehr stark durch die Kirche geprägt. Seit 1852 wurde die vorher im Geheimen gelebte Mehrehe offen praktiziert.

Die frühe Geschichte von Utah und die des „Staates Deseret“ wurden insgesamt sehr stark durch die Kirche geprägt, da ihre Mitglieder in den ersten Jahren fast völlig unter sich waren. In diesem Zusammenhang steht der Utah-Krieg von 1857, in dessen Verlauf es auch zum sogenannten Mountain-Meadows-Massaker kam, das von Mormonen begangen wurde.

Verbunden mit der Sklavenfrage kämpfte die amerikanische Innenpolitik gegen die Polygamie und erschwerte durch immer restriktivere Gesetze diese Praxis der Kirche. Die Durchsetzung dieser von der Kirchenführung als verfassungswidrig betrachteten Gesetze führte zu Massenverhaftungen von Mitgliedern und groß angelegten Beschlagnahmungen von Kircheneigentum, wie z. B. Grundstücken und Kirchengebäuden. Eine Anzahl von in Polygamie lebenden Familien wich dem Druck dadurch aus, dass sie nach Mexiko oder Kanada auswanderten. Als Reaktion darauf erklärte im Jahr 1890 der damalige Präsident und Prophet Wilford Woodruff die Vielehe als nicht mehr akzeptabel in der Kirche (siehe Amtliche Erklärung Nr. 1 im Buch Lehre und Bündnisse). Dies war ein wesentlicher Faktor dafür, dass Utah 1896 die Eigenständigkeit als Bundesstaat zugebilligt wurde. Aber erst unter der Präsidentschaft von Joseph F. Smith (1901–1918), dem Neffen des Gründers, konnte innerhalb der Kirche die Polygamie vollständig abgeschafft werden. Zu dieser Zeit kam es auch zu weiteren Abspaltungen von Gruppen, welche die Polygamie teilweise bis heute noch praktizieren.

Weltweite Ausbreitung (seit 1900)

Salt Lake City 1912

Nach der rechtlichen Anerkennung und der finanziellen Konsolidierung und noch einmal verstärkt seit dem Ersten Weltkrieg begann die Kirche, sich international zu positionieren. Zu dieser Zeit wurde auch die Auffassung aufgegeben, dass sich möglichst alle Mitglieder in Utah sammeln sollen. Stattdessen erhielten die Mitglieder den Auftrag, die Kirche in den Gegenden der Welt aufzubauen, in denen sie zu Hause sind.

Bis 1978 konnten Männer mit schwarzafrikanischer Herkunft das Priestertum nicht bekommen und folglich auch keine Führungsaufgaben übernehmen. Sie durften auch nicht den Tempel besuchen und konnten keine Tempelsegnungen empfangen. Veranlasst durch großen Zulauf von Bekehrten mit schwarzafrikanischer Herkunft in Brasilien erließ Präsident Spencer W. Kimball die Amtliche Erklärung Nr. 2 (siehe Lehre und Bündnisse), die besagt, dass nunmehr alle Männer, unabhängig von ihrer rassischen Herkunft, das Priestertum erhalten können.

Mittlerweile hat die Kirche offiziell 15.372.337 Mitglieder (Stand 31. Dezember 2014),[2] von denen mehr als die Hälfte außerhalb der USA leben; wichtige Schwerpunkte sind Ozeanien, Lateinamerika und Afrika. Ein Zeichen für die stärkere internationale Präsenz der Kirche ist der seit ca. 1990 massiv gesteigerte Bau von Tempeln der Kirche. Während die Kirche in Osteuropa ein starkes (Nachhol-)Wachstum aufweist, ist die Mitgliederzahl in den westeuropäischen Industriestaaten eher rückläufig oder stagnierend.

Organisation

Gemäß der Theologie der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist die gesamte Kirchenstruktur auf der Organisation des Priestertums aufgebaut. Priestertum bedeutet die Vollmacht, im Namen Gottes zu handeln. Dieser Grundsatz gilt nur für die Kirche in ihrer seelsorgenden Funktion selbst, nicht für von ihr gegründete unterstützende Organisationen, wie beispielsweise das Bildungswesen der Kirche oder die Bereiche Verwaltung, Bauwesen, Lehrmittelherstellung, Übersetzung u. s. w., die professionelle, vollzeitige berufliche Arbeit erfordern.

Auf allen Kirchenebenen werden Mitglieder in Ämter berufen. Eine bezahlte Berufsgeistlichkeit gibt es in den weitaus meisten Fällen nicht, auch keine universitäre Ausbildung zum Geistlichen. Sogenannte Generalautoritäten (die Verantwortung auf Welt- bzw. Gebietsebene tragen) erhalten teilweise Bezüge aus Firmenbeteiligungen der Kirche.

In der Kirche herrscht strenge Hierarchie, die aber zeitlich stark wechselt und flexibel den Gegebenheiten der Zeit und des Ortes angepasst werden kann. Niemand kann sich um ein Amt bewerben, sondern man wird in ein Amt berufen. Nach Überzeugung der entsprechenden Verantwortlichen stützt sich die Auswahl eines bestimmten Funktionsträgers auf persönliche Offenbarung an denjenigen, der ihn beruft. Wer wen auf welcher und in welche Organisationsebene zu berufen hat, ist genau festgelegt. Nachdem jemand ausgewählt wurde, wird er oder sie in einem vertraulichen Gespräch vom Verantwortlichen gefragt, ob er das Amt annimmt. Ist dies der Fall, wird die Berufung in einer öffentlichen Versammlung den betroffenen Mitgliedern zur Zustimmung vorgelegt. Durch Handheben erklären sich die Mitglieder mit der Berufung einverstanden und verpflichten sich, die Person in ihrer neuen Berufung zu unterstützen. Sie haben auch die Möglichkeit, sich durch das Heben der Hand dagegen auszusprechen. Auch der Prophet wird so bestätigt. (Extrem selten wurde bisher eine Berufung wegen Verweigerung der Zustimmung nicht wirksam.)

Berufungen werden, mit Ausnahme der Funktion des Propheten und der Apostel, die bis zum Lebensende währen, für begrenzte Zeit ausgesprochen. Dadurch wechselt die Position eines Mitgliedes in der Hierarchie üblicherweise mehrmals im Leben und kann von Aufgaben auf Gemeindeebene durchaus zu Aufgaben auf Weltebene und wieder zurück führen.

Auch wenn Frauen nicht das Priestertum tragen können, haben sie dennoch Führungsaufgaben auf allen Ebenen inne, allerdings unter der Führung von männlichen Priestertumsführern.

In der Führung der Kirche spielt der Grundsatz der Offenbarung eine sehr wichtige Rolle. Es wird gelehrt, dass jeder ganz persönlich im Zwiegespräch mit Gott Antwort auf Fragen und Hilfe beim Lösen von Problemen erhalten könne, aber nur bezogen auf seinen Verantwortungsbereich. So könne beispielsweise ein Gemeindeleiter Offenbarung bezüglich Fragen in der Leitung der Gemeinde, aber nicht für die gesamte Kirche erhalten. In dieser Lehre manifestiert sich wiederum die streng geordnete Hierarchie der Kirche. Wenn sich jeder Amtsträger in seinen Entscheidungen darauf beruft, er habe ein Anrecht auf Offenbarung und er habe solche Offenbarung auch erhalten, ist im Rahmen der Organisation eine „Reform von unten“ oder gar eine „Revolution von unten“ undenkbar.

Weltebene

Schematische Darstellung der allgemeinen Organisation

Regionale Ebene

Schematische Darstellung der regionalen Organisation

Lokale Ebene

Schematische Darstellung der lokalen Organisation

Kirchenleben

Ein wesentlicher Teil des Kirchenlebens spielt sich in für diesen Zweck errichteten Gemeindehäusern ab. Sie sind für alle Veranstaltungen allgemein zugänglich. Neben den Gottesdiensten finden dort gesellige Veranstaltungen von Ballspielen bis zu Theaterstücken und Tanzabenden statt. Die Gemeinden sind überschaubar gehalten und umfassen nicht mehr als 500 Mitglieder.

Ein weiterer Ort für das Kirchenleben sind die Tempel. Sie sind Mitgliedern vorbehalten, die sich zuvor bereit erklärt haben, nach den Grundsätzen der Kirche zu leben, und von ihrem Bischof und ihrem Pfahlpräsidenten für würdig befunden wurden.

Ziel eines jeden Mannes ist es, würdig befunden zu werden, im Priestertum ordiniert zu werden. Dies ist auch eine Voraussetzung für den Besuch eines Tempels. Die Aufgaben im Priestertum prägen das Leben eines jeden männlichen Mitglieds ab seinem zwölften Lebensjahr.

Ansonsten beeinflusst die Kirche das Familienleben sehr stark.

Der Kirchenbeitritt

Der Kirchenbeitritt erfolgt durch die Taufe. Die Taufen anderer Kirchen werden nicht anerkannt. Dies gründet sich nicht allein in der Ablehnung der Kindertaufe, sondern auch im mormonischen Verständnis der Vollmacht: anderen Kirchen fehle die nötige göttliche Autorität für eine gültige Taufe. Beitrittswillige werden – üblicherweise durch Missionare – über einen längeren Zeitraum in den grundsätzlichen Lehren unterrichtet. Anschließend erfolgt eine prüfende Unterredung mit einem führenden Missionar.

Ausschlaggebende Faktoren für die Zulassung zur Taufe sind:

  • Mindestalter von acht Jahren
  • Verständnis der Grundzüge der Lehren
  • Kenntnis der zu beachtenden Gebote
  • Umkehr von früheren Sünden
  • Verheiratete Personen brauchen die Zustimmung des Ehepartners zur Taufe
  • Bei Personen unter 18 Jahren muss die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter vorliegen

Bei schwerwiegenden Übertretungen (z. B. Verwicklung in eine Abtreibung – auch bei einem Mann) muss der Missionspräsident die Umkehr durch ein klärendes Gespräch feststellen. Bei Taufkandidaten, die wegen Totschlages oder Mordes verurteilt worden sind, hängt es allein von der Genehmigung der Ersten Präsidentschaft ab, ob eine Taufe durchgeführt werden darf. Ist geklärt, ob der Kandidat künftig ein Leben nach den Grundsätzen der Kirche führen will und seine bisherigen Verfehlungen gegen Gottes Gebote soweit möglich bereut und bereinigt hat, so wird er zur Taufe zugelassen.

Die Taufe wird durch vollständiges Untertauchen von einem bevollmächtigten Priestertumsträger im Beisein von mindestens zwei Zeugen vollzogen. Durch die Taufe wird der Täufling von allen früheren Sünden, sofern er davon umgekehrt ist, befreit. Die kirchenrechtliche Mitgliedschaft wird allein durch die Taufe begründet. Nach den Lehren der Kirche bedarf es jedoch auch einer Mitgliedschaft in der Kirche des Reiches Gottes. Diese erfolgt erst durch die üblicherweise einige Tage später ausgeführte Spendung des Heiligen Geistes durch Auflegen der Hände von mehreren Trägern des Melchisedekischen Priestertums. Dabei wird auch die Mitgliedschaft wörtlich bestätigt.

Ungetaufte Kinder werden bis zur Vollendung des neunzehnten Lebensjahres als eingetragene Mitglieder geführt.

Getaufte Mitglieder setzen dem Namen anderer getaufter Mitglieder üblicherweise das Wort „Bruder“ oder „Schwester“ voran.

Personen, die nach dem Ermessen des örtlich zuständigen Bischofs nicht zurechnungsfähig sind, können nicht getauft werden, da sie nicht umkehrfähig sind. Sie genießen einen Sonderstatus als ungetaufte eingetragene Mitglieder.

Sonntagsgottesdienst

Eine Kapelle in Salt Lake City

Der übliche Gottesdienst am Sonntag umfasst:

  • Die Abendmahlsversammlung (ca. 70 min)
    Dies ist der wichtigste Teil des Gottesdienstes. Hier wird das Abendmahl in Form von Wasser und Brot gereicht, es werden Kirchenlieder gesungen, und es gibt einige Predigten, Ansprachen genannt, von Mitgliedern, männlich und weiblich, auch von Jugendlichen. Ursprünglich wurde das Abendmahl mit Wein gefeiert, doch wurde nach Einführung des „Wortes der Weisheit“ der Wein durch Wasser ersetzt. Familien nehmen komplett daran teil. Besucher des Gottesdienstes sollen anständig und dezent, dem feierlichen Anlass des Gottesdienstes entsprechend, ordentlich gekleidet sein. Dies gilt besonders für Priestertumsträger, die während des Gottesdienstes heilige Handlungen vollziehen, so dass die Würde des Anlasses unterstrichen und nicht von der heiligen Handlung abgelenkt wird. Männer sollen vorzugsweise Hemd und Krawatte, eventuell auch ein Jackett tragen, Frauen Röcke oder Kleider statt Hosen.
  • Sonntagsschule (40 min)
    Hier gibt es unterschiedliche Klassen für Erwachsene, Jugendliche und für interessierte Außenstehende. Es werden Themen aus den Schriften, Aussagen von Propheten und anderer Kirchenführer besprochen.
  • Kollegiumsversammlung bzw. Frauenhilfsvereinigung / Junge Damen (50 min)
    Hier treffen sich die Priestertumsträger nach Kollegien getrennt: „Diakone“ (12 bis 14 Jahre), „Lehrer“ (14 bis 16 Jahre), „Priester“ (16 bis 18 Jahre), „Älteste“ und „Hohepriester“ (ab 18 Jahre); abhängig von ihrer Größe treffen die beiden Gruppen „Älteste“ und „Hohe Priester“ sich entweder zusammen oder (im Regelfall) ebenfalls getrennt. Ebenso treffen sich die Frauen in der Frauenhilfsvereinigung und die Mädchen von 12 bis 18 Jahren in den Versammlungen der Jungen Damen. Hier werden die Lehren speziell für die Gruppe besprochen und diskutiert.
  • Primarvereinigung (während Sonntagsschule und Kollegiumsversammlung)
    Dies ist die wesentliche religiöse Erziehung der Kinder bis zwölf Jahren außerhalb der Familie nach Altersgruppen getrennt.

Gebete

Die öffentlichen und die persönlichen Gebete richten sich stets an den „Himmlischen Vater“ und werden im Namen Jesu Christi gesprochen. Wenn ein öffentliches Gebet gesprochen wird, dann ist es üblich, dass die Anwesenden nach der Beendigung des Gebetes mit „Amen“ zustimmend antworten. Man betet in kniender, stehender oder sitzender Haltung. Mitglieder sind dazu angehalten, täglich persönlich, als Familie und vor dem Essen zu beten. Alle Gebete werden frei gesprochen, außer den Abendmahlsgebeten und dem Taufgebet, die wörtlich festgelegt sind. Normalerweise enthalten Gebete einen Dank und eine Bitte je nach den persönlichen Umständen und dem Anlass des Gebetes.

Aufgaben des Priestertums

Neben dem Lehren des „Evangeliums“ (gemeint ist die mormonische Theologie) hat das Priestertum auch die Aufgabe, „Heilige Handlungen“ zu vollziehen. Zu diesen Heiligen Handlungen gehören: Taufe, Konfirmation, Abendmahl, Übertragung des Priestertums, Kindersegnung, Krankensegen, Väterlicher Segen u. a.

Es ist eindeutig geregelt, welches Amt im Priestertum welche Heiligen Handlungen durchführen darf.

Religionserziehung

Neben den sonntäglichen Versammlungen gibt es für Jugendliche von 14 bis 18 das Seminarprogramm und für junge Erwachsene von 18 bis 30 das Institutprogramm. Beides wird vom Bildungswesen der Kirche (CES) organisiert. Es findet je nach den örtlichen Umständen wöchentlich am Abend oder täglich am Morgen vor der Schule oder Arbeit statt. Die meist ehrenamtlichen Lehrer werden von CES gestellt und fortgebildet.

Seelsorge

Die Seelsorge ist wie die sonstigen kirchlichen Aufgaben auf die Schultern vieler verteilt. Im Einzelnen handelt es sich dabei um ein Paar von Priestertumsträgern, die häufig aus einem Jugendlichen (Lehrer oder Priester im aaronischen Priestertum) und einem Träger des melchisedekischen Priestertums bestehen. Sie sind gemeinsam einigen Familien als sogenannte Heimlehrer zugeteilt und haben die Aufgabe, ihnen in Nöten aller Art zu helfen. Dazu gehört auch ein monatlicher Seelsorgebesuch, bei dem eine geistige Botschaft vermittelt wird. Heimlehrer helfen ihren „Schäfchen“ auch, wenn sie ein Problem mit dem Halten eines Gebots haben. Frauen sind paarweise einige Frauen zugeteilt, denen sie als „Besuchslehrerinnen“ dienen. Auch sie vermitteln monatlich eine geistige Botschaft und helfen, wo es nötig erscheint.

Monatliches Fasten

Den Mitgliedern, die alt genug und gesund sind, wird empfohlen, am ersten Sonntag im Monat zu fasten, um ihre Geistigkeit zu stärken. Das bedeutet, auf zwei Mahlzeiten zu verzichten und während dieser Zeit auch nichts zu trinken. Das dadurch eingesparte Geld wird üblicherweise zweckgebunden für die Versorgung von Bedürftigen gespendet.

Das Fasten soll durch Gebet begleitet werden und endet in der Fasten- und Zeugnisversammlung. Das ist eine besondere Abendmahlsversammlung, in der jeder, der möchte, die Gelegenheit hat, seine Glaubensgewissheit mitzuteilen.

Familienleben

Die Familie ist gemäß der Lehre der Kirche für die Errettung von besonderer Wichtigkeit. Ein aktives und positives Familienleben wird von den Kirchenführern sehr stark betont.[25] Die Rolle der Frau als Mutter genießt höchstes Ansehen. Daraus entspringt die Lehre, dass es die vornehmliche Aufgabe einer Frau sei, Kinder zu gebären und zu erziehen. Diesem Dogma folgend haben Familien innerhalb der Kirche in der Regel überdurchschnittlich viele Kinder, vor allem im Vergleich zur durchschnittlichen Kinderrate in den westlich-orientierten Industriestaaten. Dem Streben nach beruflicher Karriere einer Frau mit minderjährigen Kindern wird dagegen mit Skepsis begegnet.

Die Familie nimmt nicht nur an den Sonntagsgottesdiensten teil, sondern kommt auch möglichst montags zu einem Familienabend zusammen. Dort können Probleme und Vorhaben der Familie besprochen werden. Die Eltern nutzen diesen Abend, um die Lehre ihren Kindern in einer fröhlichen und entspannten Atmosphäre nahezubringen.

Die Siegelung im Tempel soll die Familienbande ewig machen. Sie entspricht einer Eheschließung, die jedoch die Kinder ausdrücklich einschließt. Ein Mann kann an mehrere Frauen gesiegelt werden, allerdings nur dann, wenn die jeweils frühere Ehefrau verstorben ist. Seit Änderungen der Tempelzeremonien 1990 ist es Frauen nun unter bestimmten Umständen ebenfalls möglich, an mehr als einen Mann gesiegelt zu werden. Vorher gab es diese Möglichkeit nicht.

Unverheirateten Mitgliedern wird nahegelegt, möglichst einen Partner zu heiraten, der ebenfalls Mitglied der Kirche ist. Vom Eingehen einer Mischehe wird deutlich abgeraten, jedoch wird diese von der Kirche akzeptiert.

Wenn eine Familie aufgrund weiter Entfernungen oder anderer Umstände nicht am Gemeindeleben teilnehmen kann, so soll sie ein rudimentäres Gemeindeleben mit Abendmahl, Liedern, Gebeten, Belehrungen usw. unter der Leitung des Vaters (der in einem solchen Fall zumindest Priester im aaronischen Priestertum sein muss), aus der Ferne beaufsichtigt vom zuständigen Kirchenführer, gestalten.

Tempel

Der Frankfurt-Tempel

Von den Mitgliedern der Kirche wird der Tempel als ganz besonders heiliger Ort verstanden. Dort geht man Gott gegenüber besondere Verpflichtungen (sog. Tempelbündnisse) ein und wird über den Erlösungsplan in symbolischer Weise belehrt. Neubeigetretene Mitglieder können frühestens ein Jahr nach der Taufe an den Heiligen Handlungen des Tempels teilnehmen.

Tempelbesucher verpflichten sich, über besonders heilige Teile des Tempelrituals außerhalb des Tempels grundsätzlich nicht zu sprechen.

Missionsarbeit

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist eine missionierende Religion und mobilisiert rund 80.000 Vollzeitmissionare weltweit. Eine 18- bis 24-monatige Tätigkeit als Missionar im Ausland ist Pflicht; sie soll „den Glauben festigen“.[26] Mitglieder der Mormonen zahlen dafür an ihre Kirche; diese finanziert einige Wochen Missionsschule (wo 52 Fremdsprachen gelehrt werden), Flug, Unterkunft (zu zweit), Handy und Taschengeld. Der Tagesablauf ist vorgeschrieben; der Schwerpunkt liegt bei einer hohen Zahl von persönlichen Kontakten zu Menschen. Missionare müssen jeden Tag über ihre Missionskontakte Rechenschaft ablegen. Kaffee, Tee, Alkohol, Zigaretten, Internet, Radio, Fernsehen, Kino, vorehelicher Sex sind untersagt, konservative Kleidung vorgeschrieben.[27]

Mitglieder der Kirche Jesu Christi folgen dem biblischen Gebot, das Evangelium Jesu Christi in aller Welt zu predigen. Ihr Bestreben liegt darin, jeden Menschen zu Christus zu führen und ebenso Mitgenuss an den Segnungen des wiederhergestellten Evangeliums zu ermöglichen. Dabei versuchen sie einerseits durch ein gutes Beispiel auf sich aufmerksam zu machen, aber andererseits auch das Evangelium zu denen zu bringen, die es noch nicht empfangen haben. Diese Verkündigung geschieht in erster Linie durch die lokalen Mitglieder, die von den Vollzeitmissionaren unterstützt werden. Das ist auch der Grund, warum Mitglieder Gelegenheiten wahrnehmen, anderen Menschen vom Evangelium zu erzählen, und Informationsmaterial der Kirche und Einladungen zu diversen Kirchenveranstaltungen ausgeben. Darüber hinaus betreiben Vollzeitmissionare Missionsarbeit, indem sie Leute auf der Straße ansprechen, Ausstellungen und Kirchenaktivitäten organisieren, Termine mit Interessierten abhalten, sich im sozialen Bereich einbringen oder einfach von „Tür zu Tür“ gehen.

Obwohl die Mitglieder aufgefordert werden, die Lehren der Kirche unter ihren Bekannten nach Möglichkeit zu verbreiten, werden sie angehalten, dabei nicht aggressiv aufzutreten, sondern die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen zu respektieren.

Junge Männer werden aufgefordert, ab dem 18. Lebensjahr eine zweijährige Vollzeitmission zu absolvieren. Auch Frauen ab 19 und ältere Ehepaare im Rentenalter können diesen Dienst, aber zeitlich verkürzt (meist 18 Monate bei jungen Frauen und 12 bis 23 Monate bei älteren Ehepaaren), erfüllen. Die Mission ist stets freiwillig, obgleich von jungen Männern erwartet wird, dass sie eine Vollzeitmission erfüllen, wie Aussagen der Präsidenten der Kirche über die Jahre belegen.

Die Arbeit dieser Vollzeitmissionare wird von einem Missionspräsidenten beaufsichtigt, der für ein bestimmtes geographisches Gebiet zuständig ist und direkt dem „Kollegium der Zwölf Apostel“ unterstellt ist. Finanziert wird der Lebensunterhalt für diese Zeit von den Missionaren selbst und/oder deren Familien und Freunden. Die Kirche lehnt es grundsätzlich ab, die anfallenden Kosten für die Missionare zu übernehmen. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen kommt es zu einer Unterstützung seitens der Kirche. Die Kosten für das Missionsmaterial werden grundsätzlich von der Kirche übernommen.

Prägende Gebote

Mitglieder der Kirche sind dazu angehalten, völlig auf den Genuss von Alkohol, Tabak, Kaffee und schwarzem Tee zu verzichten sowie keine anderen Drogen zu nehmen und sich gesund zu ernähren. Dieser Grundsatz, dessen Einhaltung eine Bedingung für den Besuch eines Tempels darstellt, ist bekannt als „Das Wort der Weisheit“. Tätowierungen und Piercings werden abgelehnt; Ohrringe bei Frauen bilden eine Ausnahme. Jede Art von als Verstümmelungen betrachteten Veränderungen am Körper haben die Mitglieder zu unterlassen. Dies hängt damit zusammen, dass der Körper als Tempel für den Geist betrachtet wird, der nicht verunreinigt werden soll.

Die Mitglieder zahlen den „Zehnten“, also ein Zehntel ihres monatlichen Ertrages. Unter Ertrag wird dabei das persönliche Einkommen verstanden und nicht näher spezifiziert. Die Zehnteneinnahmen werden für die Finanzierung von Bauprojekten, Gebäudeunterhalt, Lehrmitteln, humanitäre Hilfe, Aktivitäten, Missionsarbeit und anderes verwendet. Auch dies ist Bedingung für den Tempelbesuch.

Das Gesetz der Keuschheit bedeutet völlige sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe und vollständige Treue in der Ehe. Dazu gehört auch, dass man das andere Geschlecht mit Respekt behandelt, sich anständig kleidet und eine saubere Sprache verwendet. Ebenso sind Pornographie und jegliche Form der Selbstbefriedigung zu meiden. Eine gleichgeschlechtliche Ehe wird als den Gesetzen Gottes widersprechend betrachtet, und homosexuelles Verhalten gilt als Übertretung des Gebotes der Keuschheit.[25]

Das Einhalten des Keuschheitsgesetzes ist auch eine Voraussetzung für den Tempelbesuch. Schwere Übertretungen hinsichtlich dieses Gebotes können zu Sanktionen wie Gemeinschaftsentzug bis hin zur Exkommunikation führen, wenn sie den Kirchenführern bekannt werden und sich der der Übertretung Schuldige nicht zur „Umkehr“ von der Übertretung bewegen lässt.

Unter „Sabbatheiligung“ versteht man in der Kirche den Besuch des Gottesdienstes und den Verzicht auf kommerzielle und sportliche Betätigung (etwa Schwimmen im Freibad) nicht etwa am Samstag, wie das hebräische Wort Sabbat vermuten lässt, sondern entsprechend christlicher Tradition am Sonntag. Stattdessen soll man sich mit familiären und geistlichen Dingen befassen.

Wohltätigkeit

Die Hilfsbereitschaft und die „Nährung der Armen“ spielt eine große Rolle. Gläubige Mormonen fasten mindestens einmal im Monat und spenden ein „Fastopfer“, das verwendet wird, um Bedürftige innerhalb der Gemeinde zu unterstützen. Die Kirche unterhält auch zahlreiche wohltätige Organisationen, die unabhängig von Religionszugehörigkeit weltweit Hilfe anbieten und in Krisengebieten arbeiten. Schon zur Nachkriegszeit wurden die Mormonen in Deutschland durch ihre Armenspeisungen bekannt. Kommt es zu besonders schwerwiegenden humanitären Krisen, wird das Fastopfer der Mitglieder ausschließlich für bestimmte Hilfsorganisationen verwendet. Bei einer Dürrekatastrophe in Afrika brach die Kirche einen Spendenrekord beim Roten Kreuz. Auf humanitärer Ebene arbeiten die Mormonen häufig zusammen mit anderen religiösen Hilfsorganisationen, wie dem Katholischen Hilfswerk oder Islamic Relief.

Wirkung nach außen

Genealogische Gesellschaft von Utah

Neben dem Missionsprogramm tritt die Kirche vermehrt mit Internetauftritten, mit Interviews von Kirchenführern in öffentlichen Medien und mit Zeitungsberichten an die Öffentlichkeit.

Zahlreiche Angehörige der Kirche betreiben intensive Familienforschung, da sie nach der Lehre ihrer Kirche ihren nicht mormonisch getauften Vorfahren durch die Taufe für Verstorbene die Möglichkeit der Errettung verschaffen können, wenn sie deren Namen und Sterbedatum kennen. Unterstützung erhalten sie durch umfangreiche genealogische Archive, insbesondere das der Genealogischen Gesellschaft von Utah, das auch Nichtmitglieder bei der Familienforschung unterstützt.

So kann jeder in der Datenbank Familysearch.org nach Personendaten recherchieren, die von Mitgliedern der Kirche aus Kirchenbüchern in die Datenbank eingegeben oder von Familienforschern eingespeist wurden. Man kann über diese Website auch im Family History Library Catalog nach verfilmten Kirchenbüchern suchen und diese dann gegen Gebühr in die nächstgelegene Genealogische Forschungsstelle der Mormonen bestellen, um darin zu recherchieren. Einige kirchliche Archive lehnen es allerdings ab, Familienforschern ihre Kirchenbücher auch über die Genealogischen Forschungsstellen zugänglich zu machen; in diesem Fall sind die Kirchenbuchfilme für Forschungsstellen in Deutschland oder in Europa gesperrt. Nach und nach werden jetzt Kirchenbücher auch direkt über das Internet für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die evangelische Kirche in Deutschland lehnt es im Hinblick auf die Sonderlehre von der Taufe für Verstorbene heute ab, der Genealogischen Gesellschaft von Utah weiterhin die Verfilmung von Kirchenbüchern zu gestatten.

Theologen und Religionswissenschaftler der Evangelischen Kirche in Deutschland bezeichnen die Kirche als eigenständige synkretistische Neu-Religion. Ein Übertritt zum Mormonentum bedeute daher eine völlige Abkehr von der christlich-ökumenischen Kirchengemeinschaft. Ein Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage kann nicht als Taufpate zugelassen werden. Weiter ist die kirchliche Trauung eines Mormonen nicht möglich. Ebenso ist die gastweise Zulassung zum evangelischen Abendmahl Mormonen nicht möglich. Mit Ausnahme der Verweigerung des Zugangs zu genealogischen Daten werden die geschilderten Maßnahmen der evangelischen Kirche von Mormonen akzeptiert, ja für folgerichtig und selbstverständlich gehalten.

Viele internationale Hilfsorganisationen loben die Zusammenarbeit mit der Kirche in humanitären Hilfsprojekten.

Kontroversen

Wegen ihrer fundamentalistischen Anschauungen, die zum Teil im Gegensatz zu den Lehren der anderen christlichen Kirchen stehen, ist die Kirche der Heiligen der Letzten Tage harter Kritik und offener Anfeindung ausgesetzt. Zweifel werden vor allem gegenüber der Person Joseph Smith und der Authentizität seiner Visionen geäußert. Smith soll keine Offenbarungen erhalten, sondern seine Werke mittels Phantasie und Adaption anderer Lehren erstellt haben. Für detaillierte Kritik siehe unter Buch Mormon, Lehre und Bündnisse und Buch Abraham.

Scharfe Kritik wird von einigen christlichen Gruppierungen geäußert, welche die Kirche als nicht christlich einstufen, da sie das nicäische Glaubensbekenntnis ablehne und ihre Lehre nicht nur aus der Bibel, sondern auch aus neuzeitlichen Offenbarungen ableite. Oftmals wird der Religionsgemeinschaft negativ angelastet, dass es ihrer Lehre nach unter Gott, dem Vater, noch andere „niedrigere“ Götter gebe und dass der Mensch dereinst selbst göttlich werden und Welten schaffen könne. Weiterhin führt auch der Anspruch, die einzige Kirche zu sein, die wirklich von Jesus Christus geführt und anerkannt sei, zu starker Ablehnung.

Vor allem evangelikale und fundamentale Christen kritisieren ferner, dass Luzifer als Bruder von Jesus Christus bezeichnet wird und die Sintflut als eine Art Taufe der Erde verstanden wird. Der Präsident der Kirche Ezra Taft Benson lehrte in Fortsetzung der Lehren Brigham Youngs,[28] dass Jesus Christus nicht durch den Heiligen Geist gezeugt worden sei, sondern dass Gott der Vater ihn im Fleische zusammen mit der Jungfrau Maria gezeugt habe.[29]

Die Aussage, dass zur Erlösung eigene Werke des Menschen nötig sind, wird in protestantischen Kreisen häufig dahingehend missverstanden, die Kirche Jesu Christi lehne die aus Gnade erfolgte Erlösung durch das Sühnopfer Jesu Christi ab. Ferner wird kritisiert, dass der örtlich zuständige Bischof zu bestimmten Anlässen Unterredungen mit Mitgliedern führen soll, in denen sie unter anderem freiwillig Auskunft darüber geben sollen, ob sie nach dem Gebot der Keuschheit leben.

Der Kirchenführung wird gelegentlich vorgeworfen, mit der eigenen Geschichte oberflächlich und einseitig umzugehen. Dabei wird unterstellt, sie versuche negative Gesichtspunkte vor den „normalen Mitgliedern“ zu verbergen. Kritisiert werden ferner ihr als autoritär betrachteter Führungsstil, die Forderung der Abgabe des „Zehnten“ und manche geschäftlichen Aktivitäten. Die Abgabe des Zehnten ist freiwillig, aber z. B. der für die Kirchenmitglieder so wichtige Tempelbesuch ist nur möglich, wenn der Zehnte ehrlich gezahlt wird.

Häufig werden Polygamie und Rassismus kritisch thematisiert. Kirchenvertreter halten dem entgegen, dass die Polygamie seit 1890 abgeschafft sei und seit 1978 jeder Mann unabhängig von seiner ethnischen Herkunft das Priestertum erlangen könne. Eine Reihe von Frauenrechtlerinnen sehen aber die Lehre der Vielehe noch immer latent vorhanden und kritisieren die patriarchalische Struktur der Kirche und ihr dementsprechendes Frauenbild. Dem widersprechen jedoch zahlreiche prominente Frauen innerhalb der Kirche.[30]

Der Vorwurf des Rassismus leitet sich auch aus der Lehre ab, wonach Hebräer unter den Stammvätern der heutigen Ureinwohner Amerikas seien, sowie dem Ausschluss von Mitgliedern schwarzafrikanischer Abstammung von der Priesterweihe in der Zeit von 1850 bis 1978. Kritiker fassen dies als ein kolonialistisches Selbstverständnis von einer Überlegenheit der weißen Rasse auf.

Die Kirche wurde mehrfach wegen der Totentaufe jüdischer Verstorbener kritisiert. Zwar wurde 1995 durch die Kirchenführung versprochen, dass speziell für Opfer des Holocausts keine Totentaufe zu Mormonen mehr möglich sein soll; dennoch erregte die 2012 in der Dominikanischen Republik stattgefundene Totentaufe von Anne Frank Aufsehen.[31][32]

Verbreitung im deutschsprachigen Raum

Deutschland

Als erste Deutsche wurden der ausgewanderte Jakob Zundel 1837 in Amerika und Alexander Nejbauer 1838 in England getauft.

Der Apostel Orson Hyde, der 1842 nach Regensburg kam, begann die Missionstätigkeit in Deutschland. Obwohl er nur zehn Monate bleiben konnte, versuchte er in dieser Zeit, die deutsche Sprache zu erlernen, um so mit seinen Predigten die Menschen in ihrer Muttersprache zu erreichen. Er fertigte eine deutsche Übersetzung eines Traktats an und unterrichtete später den Präsidenten der Kirche, Joseph Smith, in der deutschen Sprache.

Unter der Leitung des Missionars Johann Greenig entstand 1843 eine erste Gruppe von Mitgliedern in Darmstadt. (Zu dieser Zeit wurde in Nauvoo, Illinois, USA, eine deutsche Gemeinde gegründet. Konrad Kleinmann gehörte zu den ersten deutschen Pionieren, die das Salzseetal erreichten.)

1852 wurde die erste deutsche Gemeinde in Hamburg mit zwölf Mitgliedern gegründet. Im selben Jahr wurde in Hamburg auch die erste deutsche Übersetzung des Buches Mormon herausgegeben. Übersetzer waren John Taylor und George P. Dykes. Da die Mitglieder wegen ihrer Religionszugehörigkeit oft Probleme mit der Obrigkeit hatten und ins Gefängnis kamen, wanderten viele in die Vereinigten Staaten aus. 1854 wurde die Gemeinde Hamburg wieder aufgelöst.

Freiberg-Tempel (Juli 2006)

1855 wurde in Dresden eine Gemeinde mit Karl G. Mäser als Präsidenten gegründet. Auch hier wanderten Mitglieder nach Utah aus, und die Gemeinde wurde 1857 wieder aufgelöst.

Karl G. Mäser, der in der Zwischenzeit in den Vereinigten Staaten ein bekannter Lehrer geworden war und später Mitbegründer der Brigham Young University wurde, kam 1867 als Missionar nach Deutschland zurück und wirkte in der 1860 gegründeten Gemeinde Karlsruhe. Über 600 Menschen wurden innerhalb von drei Jahren getauft. Viele von ihnen verließen Deutschland, um in Utah ihre Religion frei ausüben zu können.

Das erste deutsche Gemeindehaus wurde 1929 in Selbongen (jetzt Zełwągi in Polen) gebaut.

Merit Petersen kommt in ihrer historischen Untersuchung[33] über die Situation der Heiligen der Letzten Tage in der Zeit des Nationalsozialismus zu dem Ergebnis, dass die Kirche, abgesehen von Überwachung und vereinzelten Repressalien und Gemeindeauflösungen, weitgehend unbehelligt geblieben sei. Sie führt dies vor allem auf das Verständnis der Kirche von weltlichen Autoritäten als von Gott gelenkten und beeinflussten Institutionen zur Durchsetzung seines Willens (bei gleichzeitig geforderter Trennung von kirchlichen und staatlichen Angelegenheiten) zurück. Die Kirchenmitglieder seien bei Freiheit der Religionsausübung zur Unterordnung gegenüber dem Staat verpflichtet. Daher habe es kaum Konfliktpunkte zwischen der Kirche und dem Regime gegeben. Gemäß dieser Lehre seien Mormonen ungeachtet ihrer Überzeugung auch verpflichtet, auf Geheiß des Staates in den Krieg zu ziehen, was für die Machthaber vor allem im Zweiten Weltkrieg ein Zeichen der Loyalität war. Es habe sogar, so Alan Keele von der Brigham Young University, Versuche der Kirche gegeben, als göttlich verstandene Parallelen und Konvergenzen mit dem NS-Regime hinsichtlich beider Rollen in der apokalyptischen Zeit zu ziehen. Die Hinrichtung des (postum exkommunizierten) 17-jährigen Helmuth Hübener wegen „Vorbereitung zum Hochverrat und landesverräterischer Feindbegünstigung“ 1942 in Plötzensee sowie die Verhaftung und Ausweisung des US-Missionars Alvin Schoenhals blieben Ausnahmen. Demgegenüber habe es Gemeindeleiter gegeben, die überzeugte Nazis gewesen seien. Mindestens 500 Kirchenmitglieder starben im Zweiten Weltkrieg als Soldaten.

Nachdem die amerikanischen Missionare 1938 aus Deutschland zurückgerufen worden waren, konnten sie 1947 wieder zurückkehren. Viele Mitglieder, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Osten fliehen mussten, fanden in den Gemeinden in der DDR und der Bundesrepublik eine neue Heimat. Ezra Taft Benson, ein Mitglied des Rates der Zwölf Apostel, Landwirtschaftsminister der Vereinigten Staaten unter Präsident Eisenhower und später Präsident der Kirche, war nach dem Krieg maßgeblich an der Gründung der Hilfsorganisation CARE beteiligt, um den hungernden Menschen in Deutschland und anderen Ländern zu helfen.

Am 10. September 1961 wurde in Berlin der erste Pfahl (einer Diözese ähnlich) gegründet.[34]

In der DDR bestand die Kirche auch nach dem Krieg weiter. Die glaubenstreuen Mitglieder waren immer bemüht, den Kontakt zur Kirche im Westen aufrechtzuerhalten. Führer der Kirche halfen durch Besuche und mit Zuwendungen. Diesen ständigen Bemühungen der Führer der Kirche ist es auch zu verdanken, dass 1985 in Freiberg der erste Tempel auf deutschem Boden und der einzige Tempel in einem (damals) sozialistischen Land geweiht werden konnte. Erster Präsident des Tempels wurde Henry Burkhardt.

Heute leben in Deutschland über 38.000 Mitglieder,[34] von denen nicht alle aktiv am Kirchenleben teilnehmen, d. h. sie besuchen nicht regelmäßig die Versammlungen und Aktivitäten der Kirche.

Es gibt zwei Tempel: den Frankfurt-Tempel in Friedrichsdorf im Taunus in Hessen und den Freiberg-Tempel in Freiberg in Sachsen.

Es gibt 179 Gemeinden und Zweige in den 14 Pfählen[34] Berlin, Bremen, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Leipzig, München, Neumünster, Nürnberg, Stuttgart und den Distrikten Neubrandenburg, Erfurt und Oldenburg. Die Gemeinde Freiburg und die Zweige Offenburg, Schwenningen, Singen und Bad Säckingen gehören zum Pfahl Zürich in der Schweiz. Der Zweig Ravensburg gehört seit dem 6. Mai 2007 zum Pfahl St. Gallen.

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage hat in den Bundesländern Hessen, Berlin (jeweils seit 1954) und Sachsen (seit 2014[35]) den Status einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts. In den übrigen Ländern ist sie als privatrechtlich organisierter rechtsfähiger Verein im Sinne des BGB eingetragen. Weiter soll die Kirche in diesen Ländern den Antrag zur Verleihung der Körperschaftsrechte gestellt haben, jedoch ist bisher nicht eindeutig geklärt, wann diese Anträge gestellt wurden und wann in etwa mit einer Entscheidung der zuständigen Behörden darüber zu rechnen ist. Eine Meinung in der Staatskirchenrechtswissenschaft bezweifelt die Wirksamkeit des Körperschaftsstatus im Bundesland Berlin, da im Jahr 1954 entgegen den Bestimmungen der Berliner Landesverfassung Formerfordernisse im Verleihungsverfahren nicht eingehalten wurden.[36]

Österreich

1883 wurde Paul Haslinger, das erste Mitglied auf österreichischem Gebiet, in Lambach getauft. Die erste Gemeinde wurde in Haag am Hausruck 1901 gegründet. Die Kirche wurde am 27. September 1955 in Österreich staatlich anerkannt. Bei der Volkszählung 2001 bekannten sich 2236 in Österreich lebende Personen als Mitglieder der Kirche; die Kirche selber gibt die Anzahl der Mitglieder jedoch mit 4607 an (Stand 2015).[37]

Gemeindehaus der Wiener Kirchengemeinde

Im Jahr 2009 gab es in Österreich 17 Gemeinden und 2 Pfähle:

Die Gemeinde in Dornbirn gehört seit dem 6. Mai 2007 zum neu gegründeten Pfahl St. Gallen.

Schweiz

Laut Volkszählung gab es 2000 3436 Mitglieder in der Schweiz;[38] die Kirche selber gibt als Mitgliederzahl 8895 an (Stand 2015), die in 36 Gemeinden und Zweigen in den Pfählen Bern, Genf, Lausanne, St. Gallen und Zürich organisiert sein sollen.[39] Die Gemeinde Lugano gehört zum Pfahl Mailand in Italien.

In Zollikofen befindet sich der erste Tempel in Europa (Bern-Tempel), welcher am 11. September 1955 geweiht wurde.

Siehe auch

Portal: Mormonentum – Weiteres Thema Mormonentum

Literatur

vgl. auch die allgemeinen Darstellungen zum Mormonentum im gleichnamigen Hauptartikel.

  • Thomas G. Alexander: Mormonism in Transition. A history of the Latter-day Saints 1890–1930. Urbana, Ill. 1986.
  • James B. Allen, Glen M. Leonard: The Story of the Latter-day Saints, Salt Lake City, Utah 1976 (umfassende Darstellung).
  • Leonard J. Arrington, Davis Bitton: The Mormon Experience: A History of the Latterday Saints. New York 1979 (wissenschaftliche Darstellung, verfasst von Mormonen).
  • Friedrich Wilhelm Bautz: Die Mormonen. Worte der Aufklärung und Abwehr. Schriftenmission, Gladbeck 1976, ISBN 3-7958-0028-5.
  • Helmut Essinger: Die Mormonen. Schriftenmission, Gladbeck 1962.
  • Hans-Martin Friedrich: Die gefälschte Offenbarung. Anspruch und Wirklichkeit mormonischer Glaubenslehren. Brunnen, Gießen/Basel 1997, ISBN 3-7655-1130-7.
  • Kai Funkschmidt (ed.): Die Mormonen zwischen Familiensinn und politischem Engagement. EZW-Texte, Bd. 219, Berlin 2012.
  • Christian Gellinek: Christus in Amerika, Mormonentum als christliche Religion. Agenda, Münster 1999.
  • Friedrich-Wilhelm Haack: Mormonen. Evangelischer Presseverband für Bayern, München 1989.
  • Rüdiger Hauth: Tempelkult und Totentaufe. Die geheimen Rituale der Mormonen. Gütersloher Verlagshaus Mohn, Gütersloh 1985, ISBN 3-579-00777-7.
  • Rüdiger Hauth: Die Mormonen. Sekte oder neue Kirche Jesu Christi? Ein Ratgeber. Herder, Freiburg 1995, ISBN 3-451-08830-4.[40]
  • Jon Krakauer: Mord im Auftrag Gottes. Piper, München 2004, ISBN 3-492-24276-6.
  • Armand L. Mauss: The Angel and the Beehive. The Mormon Struggle with Assimilation. Urbana, Ill./Chicago 1994 (behandelt Reaktionen auf Herausforderungen durch die moderne Kultur).
  • Albert Mössmer: Die Mormonen. Die Heiligen der Letzten Tage. Walter, Solothurn/Düsseldorf 1995.
  • Robert Mullen: The Mormons. London 1967.
  • Rodney Stark: The Rise of Mormonism. Columbia University Press, New York 2005.
  • Werner Thiede: Die „Heiligen der Letzten Tage“ – Christen jenseits der Christenheit. Eine systematisch-theologische Wahrnehmung der größten Mormonen-Kirche. EZW-Texte. Bd. 161. Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Berlin 2001.
  • David Trobisch: Mormonen. Die Heiligen der letzten Zeit? Bahn, Neukirchen-Vluyn 1998, ISBN 3-7615-4956-3.
  • Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage: Grundbegriffe des Evangeliums. (pdf) 2009 (335 Seiten, Unterweisung in der Lehre der Kirche).

Weblinks

Commons: Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. CIA – The World Factbook, People
  2. a b [1]
  3. Endbericht der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ (PDF; 6,5 MB), Deutscher Bundestag, Drucksache 13/10950, S. 162.
  4. So finanzierten sie bspw. die reformierte Synagoge von Salt Lake City und den hinduistischen Tempel von Spanish Fork, Utah, mit.
  5. Die Glaubensartikel der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, Artikel 3.
  6. George D. Watt: Journal of Discourses, Band 13, S. 225.
  7. George D. Watt: Journal of Discourses, Band 8, S. 191.
  8. George D. Watt: Journal of Discourses, Band 6, S. 167.
  9. a b Verkündet mein Evangelium. Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, ISBN 0-402-36617-4 (lds.org [PDF]). Seite 35
  10. LeGrand Richards: [[A Marvelous Work and a Wonder]]. Deseret Book Company, 1976, ISBN 0-87747-161-4, S. 24. Seite 24
  11. James E. Talmage: The Great Apostasy. The Deseret News, 1909, ISBN 0-87579-843-8, S. 68 (archive.org). Seite 68
  12. Henry B. Eyring: Die wahre und lebendige Kirche. LDS Church, Mai 2008, S. 20–24, abgerufen am 10. November 2014.
  13. James E. Talmage: The Great Apostasy. The Deseret News, 1909, ISBN 0-87579-843-8, S. 64–65 (archive.org).
  14. James E. Faust: Die Wiederherstellung von allem. LDS Church, Mai 2006, S. 61–62, 67–68, abgerufen am 10. November 2014.
  15. Latter-day Saints and the “Great Apostasy”
  16. The Antichrist and the Protestant Reformation
  17. [2]
  18. Die Köstliche Perle, S. 80 f, Übersetzung von 2003, Frankfurt am Main.
  19. Die Köstliche Perle, Joseph Smith Lebensgeschichte 1:5–20
  20. Die Köstliche Perle, Joseph Smith Lebensgeschichte 1:27–54
  21. Die Köstliche Perle, Joseph Smith Lebensgeschichte 1:68–72; Lehre und Bündnisse, Abschnitt 13
  22. Lehre und Bündnisse 20:1–3; Einleitung zu Abschnitt 21
  23. Artikel Extermination Order. In: Encyclopedia of Mormonism. McMillan, 1992, S. 480; (online)
  24. mormonwiki
  25. a b Die Familie, eine Proklamation an die Welt (PDF; 62 kB), 23. Sept. 1995
  26. Matthias Kolb: Im Auftrag des Herrn. sueddeutsche.de, abgerufen am 10. September 2014
  27. Frauke Lüpke-Narberhaus: Die Drückerkolonne des Herrn. spiegel.de, 13. März 2011, abgerufen am 10. September 2014
  28. Journal of Discourses, Bd. 8, S. 115.
  29. The Teachings of Ezra Taft Benson, S. 6 ff., vgl. auch Bruce McConkie: Mormon Doctrine, 1966, S. 547.
  30. Siehe http://de.fairlds.org/?page_id=628
  31. A Twist on Posthumous Baptisms Leaves Jews Miffed at Mormon Rite, NY Times, aufgerufen am 17. Nov 2012
  32. [3]
  33. Merit Petersen: Der schmale Grat zwischen Duldung und Verfolgung. Zeugen Jehovas und Mormonen im „Dritten Reich“. In: Manfred Gailus, Armin Nolzen (Hg.): Zerstrittene „Volksgemeinschaft“. Glaube, Konfession und Religion im Nationalsozialismus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, S. 122–150
  34. a b c Entwicklung der Kirche in Deutschland – Spätere Entwicklung (Memento vom 7. September 2008 im Internet Archive)
  35. Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über die Verleihung des Körperschaftsstatus an die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen vom 24. Oktober 2014 (SächsAbl. S. 1375; PDF, 839 kB)
  36. Held: Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften im Staatskirchenrecht der Bundesrepublik. München 1974, S. 132, 149 f.
  37. Statistische Landesinformation der Kirche für Österreich
  38. [4]
  39. Statistische Landesinformationen der Kirche für die Schweiz
  40. Daniel C. Peterson: Entgegnung auf Rüdiger Hauths Buch „Die Mormonen. Sekte oder neue Kirche Jesu Christi?“ LDS Books Schubert und Roth OHG, Bad Reichenhall (auch im Internet: [5])