Klaus Günter Annen

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Klaus Günter Annen (* 1951) ist ein deutscher Lebensrechtsaktivist, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts als Abtreibungsgegner in Erscheinung trat. Als solcher war er Gründer und Leiter des Vereins Initiative Nie Wieder! in Weinheim.[1] Er ist seit 2016 stellvertretender Vorsitzender der Christlichen Mitte[2] und vertritt den Verein presserechtlich.[3]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der in Weinheim wohnhafte Annen, der Verbindungen zu evangelikalen und rechtsextremen Kreisen unterhält, ist Katholik.[4][5] Er organisiert bundesweit Proteste gegen Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen,[6][7] und erstattete laut Süddeutscher Zeitung seit 2001 Strafanzeigen gegen über 400 Mediziner wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft.[8] Mit dem Verein Christliche Mitte unterstützt er den Marsch für das Leben.[9]

Bei der Anzeigenerstattung gegen Mediziner erhielt er Unterstützung durch den unter dem Pseudonym „Markus Krause“ auftretenden Aktivisten Yannic Hendricks. Annen und Hendricks waren im Dezember 2018 die einzigen Personen deutschlandweit, die in den vorherigen Jahren Anzeigen gemäß § 219a erstattet hatten.[10][6][5][11][12] Eine dieser Anzeigen führte zu einem nicht rechtskräftigen zweitinstanzlichen Schuldspruch durch das Landgericht Gießen und Revision.[13][14]

Im Jahr 2003 wurde Annen vom Landgericht Heilbronn zu einer zweimonatigen Bewährungsstrafe verurteilt, nachdem er einem Mannheimer Arzt, der Abtreibungen vornahm, vorgeworfen hatte, „Mord an Kindern“ zu praktizieren; das Oberlandesgericht Stuttgart und der BGH bestätigten die Verurteilung. Nach einer weiteren derartigen Protestaktion erhielt Annen eine Ordnungsstrafe von vier Tagen. Im Fall eines Arztes aus Neckargemünd, dem er „rechtswidrige Abtreibungen“ vorgeworfen hatte, wurde Annen vom Oberlandesgericht Karlsruhe freigesprochen.[15][16]

Annen vergleicht den Schwangerschaftsabbruch mit dem Holocaust und bezeichnet ihn als Babycaust. Im Jahr 2000 wurde der von Annen genutzte Slogan „Damals: Holocaust – heute: Babycaust“ vom Bundesgerichtshof als von der Meinungsfreiheit gedeckt eingeschätzt. Später wurde Annen von mehreren deutschen Gerichten verboten, Parallelen zwischen Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornahmen, und KZ-Kommandanten in der Zeit des Nationalsozialismus zu ziehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGfM) in Straßburg bestätigte das Verbot im Sommer 2018, nachdem Annen dort noch 2015 freigesprochen worden war.[6] Das Landgericht Karlsruhe verurteilte Annen zur Unterlassung und zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 10.000 an einen klagenden Arzt.[4][17]

Annen betreibt die Websites babycaust.de, die 2007 durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wurde, und abtreiber.com, auf der unter anderem Namen von Ärzten gelistet werden, die Schwangerschaften abbrechen.[18][19][20] Annen sieht sich als Nachfolger des 2011 verstorbenen, Martin Humer, dessen „Christlich-Soziale Arbeitsgemeinschaft Österreich“ er 2012 übernahm.[21][4] Beide wurden durch das holocaustleugnende katholisch-traditionalistische Blog kreuz.net unterstützt, Annen auch durch das moderatere kath.net und die idea-Nachrichtenagentur.[22][23][24] Annen war selbst Autor des rechtsextremen Blogs kreuz.net.[25]

Im Juli 2019 erstattete die Ärztin Kristina Hänel Anzeige auf Unterlassung persönlicher Schmähkritik, in der Annen sie und andere Ärztinnen und Ärzte auf eine Stufe mit den Verbrechern des Nationalsozialismus setze.[26] Der Prozess dazu fand am 21. August 2020 vor dem Landgericht Hamburg statt. Das Gericht untersagte Annen, der Hänel als „Entartete“ beschimpft hatte, diverse Äußerungen und verurteilte ihn zur Zahlung von 6.000 € an die Klägerin.[27][28] Die Bildungsstätte Anne Frank attestierte Annen „faschistisches Vokabular“.[29]

Im Februar 2021 wurde gegen Annen Strafanzeige wegen des Verdachts auf Beleidigung und Volksverhetzung gestellt,[30][31] woraufhin er im Februar 2022 vom Amtsgericht Weinheim wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.[32] Laut LTO gehe die Debatte wegen der Strafbarkeit der Volksverhetzung weiter.[33]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Muslim-Markt interviewt Klaus Günter Annen – Vorsitzender der „Initiative Nie Wieder! e.V.“, Muslim-Markt vom 14. Juli 2006.
  2. Günter Annen siegt in Straßburg. Kurier der Christlichen Mitte 2016/1, S. 4.
  3. Impressum – Christliche Mitte. Abgerufen am 13. Februar 2021.
  4. a b c Abtreibungsgegner darf Ärzte nicht als Mörder bezeichnen. Ärzte Zeitung vom 20. September 2018
  5. a b Valerie Zaslawski: «Mein Bauch gehört mir» war gestern. Neue Zürcher Zeitung vom 16. Oktober 2018.
  6. a b c Aktivist darf Abtreibung nicht mit Holocaust vergleichen. Frankfurter Allgemeine vom 20. September 2018
  7. Eike Sanders: Lahmende Lobby »Lebensschutz«-Bewegung. Der Rechte Rand, Januar 2018
  8. Kristiana Ludwig: Debatte um Paragraf 219a – Aufgeheizte Stimmung. Abgerufen am 13. Februar 2021.
  9. Marsch für das Leben – Christliche Mitte. Abgerufen am 13. Februar 2021.
  10. Timo Stein: Diese Frauen stehen vor Gericht, weil sie Frauen über Abtreibung informieren. Watson vom 9. Dezember 2018, Abruf am 16. Dezember 2018
  11. Dinah Riese: Y***** H******** mahnt ab. die tageszeitung vom 14. November 2018
  12. Annabelle Seubert: „Es soll wieder heimlich passieren.“ Heinrich-Böll-Stiftung, 2/2018
  13. Martin Wortmann: Urteil gegen Ärztin bestätigt. Ärzte Zeitung vom 12. Oktober 2018, Abruf am 16. Dezember 2018
  14. Kristina Hänel geht in Revision. In: Legal Tribune Online. 20. November 2018, abgerufen am 16. Dezember 2018.
  15. Vier Tage ins Gefängnis wegen Protest gegen Abtreibungen. kath.net vom 13. Juli 2003
  16. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Dezember 2004, Az. VI ZR 308/03 (Memento des Originals vom 21. Juni 2006 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eurolawyer.at
  17. Gigi Deppe: EGMR-Urteil: Abtreibungsgegner scheitert vor Gericht. tagesschau vom 20. September 2018
  18. Prof. Dr. Marc Liesching: Indizierung des Internetangebotes „www.babycaust.de“ – vs. Meinungsfreiheit?, Website von Volker Beck, 5. März 2008.
  19. Vivian Pasquet und Christopher Piltz: Am digitalen Pranger, Der Spiegel vom 14. März 2015.
  20. Cornelia Filter: Was Fürstin Gloria und Bürger Klaus gemeinsam haben. Emma vom 1. März 2003
  21. Nachrichten europäischer Bürgerinitiativen zum Schutze des Lebens und der Menschenwürde, Ausgabe 4/2012 (Memento vom 16. Dezember 2018 im Internet Archive)
  22. Pornojäger Humer 80. kathpress vom 23. November 2005 (gebührenpflichtig)
  23. Geben Sie „www.babycaust.de“ in Google ein und schauen Sie, was dabei herauskommt. Christlich-Soziale Arbeitsgemeinschaft Österreichs, 29. April 2005
  24. Lebensrechtler des Jahres: Klaus Günter Annen. kath.net vom 28. Dezember 2003.
  25. Artikel von Klaus-Günter Annen auf kreuz.net: Betrifft: Mahnwache von Herrn Dr. Josef Preßlmayer. Europäische Bürgerinitiativen zum Schutze des Lebens und der Menschenwürde, Abruf am 23. Februar 2022
  26. Prozess gegen Abtreibungsgegner Humanistischer Pressedienst vom 17. August 2020
  27. Ärztin Kristina Hänel setzt sich gegen radikalen Abtreibungsgegner durch. In: Der Spiegel. Abgerufen am 24. August 2020.
  28. Gerichtsurteil: Vergleich von Abtreibung mit Holocaust unzulässig. evangelisch.de vom 21. August 2020
  29. Bildungsstätte Anne Frank, Pressemitteilung vom 24. August 2020
  30. Institut und Kristina Hänel gehen gegen radikalen Abtreibungsgegner vor. In: Spiegel Online. Abgerufen am 13. Februar 2021.
  31. hpd.de: Ermittlungsverfahren gegen Abtreibungsgegner eingeleitet. 16. April 2021, abgerufen am 5. Mai 2021.
  32. Alexander Albrecht: Weinheim: Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen ging zu weit. In: Rhein-Neckar-Zeitung. 16. Februar 2022, abgerufen am 16. Februar 2022.
  33. Christian Rath: Ist 'Babycaust' eine Volksverhetzung? In: LTO. 15. Februar 2022, abgerufen am 16. Februar 2022.