Kleisterpapier

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Kleisterpapier (engl. paste paper) ist eine Untergruppe von Buntpapier. Unter Kleisterpapier (veraltete Termini sind z. B. Kleistermarmor, Wolkenkleister, Wolkenmarmor) versteht man ein Papier, dessen Oberfläche mit Hilfe von gefärbtem Kleister veredelt wurde. Die Kleisterpapier-Technik ist eine äußerst vielseitige Methode zum Dekorieren von Papieren und zählt zu den elementaren Techniken der Buntpapierherstellung. Ihren Ursprung hat sie in Deutschland und erfuhr hier auch ihre größte Verbreitung. Die Bearbeitung findet im Gegensatz zu auf Wasser oder Schleimgrund marmoriertem Papier (Marmorpapier) immer direkt auf der Papieroberfläche statt. Bei der Gestaltung einer Papieroberfläche mittels eingefärbten Kleisters wird zunächst meist die gesamte Fläche mit einem eingefärbten Kleisterauftrag versehen – dazu werden Pinsel, Schwämme oder Bürsten verwendet. Das Ergebnis mit den stets sichtbaren senkrechten, waagerechten oder diagonalen Pinselstrichen kann für sich stehen oder aber weiter bearbeitet werden, wobei mittels verschiedener Werkzeuge (z. B. Stempeln, Rollen, Musterwalzen und Kämmen) Dekore in die feuchte Kleisterschicht gebracht werden. Die Dekore entstehen durch die bleibende Verformung oder Verdrängung der Kleistermasse auf der Oberfläche. Das wesentliche Merkmal des Kleisterpapiers ist die stets erkennbare Textur. Der verwendete Kleister besteht in der Regel aus Stärken und/oder Cellulosen.[1] In den ganz frühen Anfängen wurden auch Leime als Farbträger benutzt. Die Abriebfestigkeit von Kleisterpapier kann u. a. durch den Auftrag einer Schutzschicht aus z. B. Schellacklösung, Wachsen oder Gelatinen erhöht werden.

Trägerpapier und Farbmittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Christian Friedrich Gottlieb Thon fasste 1826 die Anforderungen an das Trägermaterial Papier so zusammen:

„Der Papierfärber, für den dieses Fabrikat, nebst den Farben, das Hauptmaterial ist, kann nur ein weißes, mehr oder weniger feines, starkes, gleichförmig geschöpftes, gut und egal geleimtes Papier, welches weder Wolken, Flecken, noch Unreinigkeiten und schadhafte Stellen hat, gebrauchen.“[2]

Als Farbmittel für einfarbige Kleisterpapiere (hier auch „Kleistermarmorpapiere oder Herrnhuterpapiere“ genannt) gibt dieselbe Quelle folgende an:

„Insbesondere nimmt man zu Blau: Indigolack, Berlinerblau, Kobaltblau u. f.; zu Roth: Carmoisinlack, Kugellack u. a. rothe Lackfarben; zu Grün: Braunschweigergrün, Berlinerblau in Vermischung einer gelben Farbe u. f.; zu Braun: gebrannten Umbraun, braunen Ocher u. f.; zu Schwarz: ausgeglühten Kienrauch u. f.“[3]

Lack bedeutete damals in der Färbersprache den Niederschlag eines Farbstoffs auf Tonerde.[4] Heute wird ein breites Sortiment von handelsüblichen Farbzubereitungen benannt, die nach dem Erkalten in den sämigen Kleister eingerührt werden: „Wasserlösliche Farben, Pigmente, Gouache, Tempera, Tusche, Beize u. a. m.“[5] Gabriele Grünebaum verweist auf die „große Leuchtkraft und Ausgiebigkeit“[6] von Holzbeizen. Es werden auch Acrylfarben empfohlen, weil diese „wisch- und wasserfest trocknen“[7].

Techniken und Sorten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Kein anderes Buntpapier – nicht einmal das attraktive Marmorpapier – kann so vielfältig gestaltet werden wie das Kleisterpapier, und nirgends werden der Phantasie und der Experimentierfreude so wenig Grenzen gesetzt wie hier.“[8]

„Die Gestaltungsmöglichkeit von Kleisterpapier ist unerschöpflich. Unter Einsatz geringster Mittel erreicht man eine unendliche Anzahl von Mustern.“[9]

Grundtechniken:

  • Gestrichenes Kleisterpapier
ist die einfachste Form des Kleisterpapieres. Das Trägerpapier erhält einen Pinsel-„Anstrich“ mit dem gefärbten Kleister, wobei die Pinselstriche konsequent parallel senkrecht, waagerecht oder diagonal ausgeführt werden und somit eine dezente Musterung entsteht. Gestrichene Kleisterpapiere können einfarbig oder mehrfarbig ausgeführt sein.
  • Kleisterpapier mit Pinseldekor
Im Prinzip handelt es sich ebenfalls um ein „gestrichenes Papier“. Allerdings wird der Kleister nicht in geraden Strichen verteilt, sondern die Musterung entsteht durch die Pinselführung z. B. in Wellenbewegungen, Kreisen und freien Pinselbewegungen. Es kommt kein weiteres Werkzeug außer einem oder mehreren Pinseln zum Einsatz.
  • Geädertes Kleisterpapier
Kleisterpapier mit deutlich ausgerichteter oder diffuser Äderung in der Kleisterschicht. Die Äderung kann z. B. Bearbeitung der Kleisteroberfläche mithilfe von Werkzeugen/Hilfsmitteln wie z. B. Schwämmen, geknüllten Lappen o. ä. oder auch durch das Abziehen, volkstümlich 'Abklatschen' genannt, erzielt werden. Dabei wird der frisch gestrichene Bogen auf eine glatte Fläche gelegt und sofort wieder abgezogen. Die Kleisterfarbe kann auch auf einen glatten Untergrund (z. B. eine Glasplatte) aufgetragen und anschließend mit einem feuchten Papierbogen abgehoben werden; zuvor kann dieser von der Rückseite her mit den Fingern gemustert werden.[10]
Mit geeigneten Werkzeugen wie z. B. Kämmen, Fingern, Stempeln und/oder Musterwalzen entstehen durch Bewegung und Druck Verdrängungsmuster, stellenweise wird also der Kleister verdichtet und erscheint dadurch dort dunkler. Die erzeugten Muster hängen von der Virtuosität des Gestalters ab.
  • Kleisterpapier mit eingemaltem Dekor
In den meist farbigen Kleisteruntergrund werden mit dem Pinsel und gegebenenfalls weiteren Farben Dekore gemalt.

Da die verschiedenen Gestaltungstechniken oft miteinander kombiniert werden, lassen sich Kleisterpapiere nicht immer eindeutig einer bestimmten Technik zuordnen. Man benutzt dann den Oberbegriff „Kleisterpapier“ mit einer erläuternden Beschreibung.

Anwendungsgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bucheinbandgestaltung

Überlieferungsformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Muster in Lehrbüchern und Arbeitsanleitungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verarbeitet an Objekten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Museumszustand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Albert Haemmerle: Buntpapier.Herkommen, Geschichte, Techniken, Beziehungen zur Kunst. Unter Mitarb. von Olga Hirsch. 1. Aufl. Callwey, München 1961, 2. Auflage. Callwey, München 1977. ISBN 3-7667-0388-9.
  • Ilona Hesse, Susanne Krause: Über handgemachtes Buntpapier / On Handmade Decorated Paper: Eine Zusammenfassung / A Summary. Buntpapierverlag, Hamburg 2007, ISBN 978-3-938423-15-8.
  • Susanne Krause: Paste Paper – Kleisterpapier. The Alembic Press, Oxford (Marcham) 2002, ISBN 0-907482-90-2.
  • Susanne Krause: Mehr Kleisterpapier – More About Paste Paper. Buntpapierverlag, Hamburg 2005, ISBN 3-938423-07-2.
  • Julia Rinck und Susanne Krause: Handbuch Buntpapier. Unter Mitarbeit von Frieder Schmidt, Mathias Hegeböck, Manuel Kehrli, Arne Krause, Henk Porck und Frank Sellinat, Stuttgart 2021. ISBN 978-3-7762-2100-8.
  • Diane V Maurer-Mathison: The Art of Making Paste Paper. Watson-Guptill Publications, New York 2002, ISBN 0-8230-3933-1.
  • Ingeborg M. Hartmann: Buntpapiere. 22 Techniken für das kreative Gestalten von Papier. Haupt, Bern 1997. ISBN 978-3-258-05658-6
  • Hedwig Müller: Das Kleisterpapier: Altbewährtes Buntpapier. 3. Aufl. Klaus K. Müller, Landau in der Pfalz 2007. ISBN 978-3-933423-56-6.
  • Henk Porck et al.: Buntpapier – Ein Bestimmungsbuch; Decorated Paper – A Guide Book: Sierpapier – Een Gids. Buntpapierverlag, Hamburg 2010, ISBN 978-3-938423-17-2.
  • Leopold Reintsch: Kleisterpapier im Werkunterricht. Quelle & Meyer, Leipzig 1932.
  • Gisela Reschke (Hg.): Wolkenkleister, Marmor und Brokat. Historische Buntpapiere. (Ausstellungskataloge / Staatsbibliothek zu Berlin. Neue Folge, 24). Staatsbibliothek, Berlin 1997. ISBN 3-89500-013-2.
  • Gisela Reschke, Horst und Margret Wanetschek (Hg.): Das Werkstattbuch einer Buntpapiererin. (Das Werkstattbuch, 17). Verlag Das Werkstattbuch, Murnau 2007. ISBN 978-3-00-021744-9.
  • Rudolf Berliner: Die kunstgeschichtliche Bedeutung einiger Kleisterfarbenpapiere. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg (1964), S. 106–122. (Digitalisat)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kleisterpapier – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Susanne Krause: Exkurs: Stärke, Cellulose, Mehl. In: Julia Rinck, Susanne Krause: Handbuch Buntpapier. Hauswedell, Stuttgart 2021, S. 146–147.
  2. Christian Friedrich Gottlieb Thon: Der Fabrikant bunter Papiere, oder: vollständige Anweisung alle bekannten Arten farbiger und bunter Papiere … fabrikmäßig zu verfertigen, vereiniget mit der Kunst, die fabrizirten Papiertapeten geschmackvoll aufzuziehen, zu vergolden und zu lackiren. (Die Kunst Bücher zu binden für Buchbinder und Freunde dieser Kunst, welche Bücher aller Art selbst binden … 2. Theil.) Voigt, Ilmenau 1826, S. 70–71.
  3. Christian Friedrich Gottlieb Thon: Der Fabrikant bunter Papiere, oder: vollständige Anweisung alle bekannten Arten farbiger und bunter Papiere … fabrikmäßig zu verfertigen, vereiniget mit der Kunst, die fabrizirten Papiertapeten geschmackvoll aufzuziehen, zu vergolden und zu lackiren. (Die Kunst Bücher zu binden für Buchbinder und Freunde dieser Kunst, welche Bücher aller Art selbst binden … 2. Theil.) Voigt, Ilmenau 1826, S. 209.
  4. Frieder Schmidt: Farbmittel in der Buntpapierherstellung. In: Julia Rinck und Susanne Krause: Handbuch Buntpapier. Hauswedell, Stuttgart 2021, S. 40–55, hier. S. 46.
  5. Gisela Reschke: Das Werkstattbuch einer Buntpapiererin. (Das Werkstattbuch, 17) Verlag Das Werkstattbuch, Murnau 2007, S. 18.
  6. Gabriele Grünebaum: Buntpapier. Geschichte, Herstellung, Verwendung (= DuMont-Taschenbücher. 120). DuMont-Buchverlag, Köln 1982, S. 98.
  7. Marianne Moll: Buntpapier. Schweizerischer Verein für Handarbeit und Schulreform. Hölstein 1991, S. 50.
  8. Marianne Moll: Buntpapier. Schweizerischer Verein für Handarbeit und Schulreform. Hölstein 1991, S. 32.
  9. Ingeborg M. Hartmann: Buntpapiere. 22 Techniken für das kreative Gestalten von Papier. Haupt, Bern 1997., S. 52.
  10. Gabriele Grünebaum: Buntpapier. Geschichte, Herstellung, Verwendung (= DuMont-Taschenbücher. 120). DuMont-Buchverlag, Köln 1982, S. 102–103.