Klostersturm

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Unter Klostersturm versteht man die planmäßige Aufhebung von Klöstern durch die weltliche Macht aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen.

Einen Klostersturm gab es zum Beispiel bei der Auflösung der englischen Klöster unter Heinrich VIII., in der französischen Revolution, in der Säkularisation des frühen 19. Jahrhunderts, im Kulturkampf des späten 19. Jahrhunderts und 1941 durch die nationalsozialistischen Machthaber.

Klostersturm während des nationalsozialistischen Regimes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmten staatliche Stellen sowie die NSDAP weit über 200 Klöster. Der nationalsozialistische Raubzug gegen die katholischen Ordensgemeinschaften in Deutschland startete aufgrund eines Geheimerlasses des NSDAP-Reichsleiters Martin Bormann vom 13. Januar 1941.

Bereits seit Beginn des Zweiten Weltkriegs betrieben die SS unter Heinrich Himmler und die Wehrmacht – zunächst in den „angeschlossenen“, annektierten und militärisch besetzten Nachbarländern Deutschlands – eigene Beschlagnahmen von Einrichtungen und Gebäuden. Während die Wehrmacht die beschlagnahmten Klöster und Einrichtungen vorwiegend als Lazarette, Erholungsheime, Schulungseinrichtungen für Soldaten nutzte, beanspruchte die SS diese vor allem als Erstunterkünfte für „Volksdeutsche“, die unter der Devise Heim ins Reich durch die Volksdeutsche Mittelstelle der SS in das nationalsozialistische Deutschland umgesiedelt werden sollten.[1]

Anfangs wurden auch evangelische und nichtkirchliche Sozialeinrichtungen (u. a. psychiatrische Kliniken, Pflegeheime für Behinderte) beschlagnahmt und zwangsgeräumt. Später verschob sich das Gleichgewicht zuungunsten der katholischen Klöster und Einrichtungen. Die bisherigen Bewohner wurden meist nicht nur aus ihren Unterkünften, von ihren Arbeitsplätzen und Wirkungsstätten vertrieben, sondern häufig erhielten die Ordensleute zusätzlich ein Aufenthaltsverbot in der örtlichen Umgebung ihrer Ordenshäuser. Ordensangehörige, die sich den Zwangsmaßnahmen widersetzten, wurden beschuldigt, Straftaten begangen zu haben, und von der Gestapo in Schutzhaft genommen.

Für viele psychisch kranke und/oder körperlich behinderte, schwer pflegebedürftige Betreute aus den beschlagnahmten kirchlichen und weltlichen Hospitälern und Pflegeheimen führten die Zwangsräumungen unmittelbar zum Abtransport in NS-Tötungsanstalten.

Nicht immer wurden die Klöster in die ihre Beschlagnahme begründende Bestimmung überführt. Oft übernahm die NSDAP die Klöster, Ordenshäuser und kirchlichen Einrichtungen für ihre eigenen Zwecke. Auch wurden häufig die vorher für den Verlust der Gebäude in Aussicht gestellten Entschädigungen nicht ausgezahlt. Die katholischen Bischöfe Deutschlands verfassten mehrere Hirtenbriefe und erhoben öffentlich Einspruch. Hitler verbot am 30. Juli 1941 weitere Beschlagnahmen, da diese Aktion bei der kirchlich gebundenen Bevölkerung große Unruhe ausgelöst hatte.[2]

Siehe auch:

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ferdinand Doelle: Der Klostersturm von Torgau im Jahre 1525. Aschendorff, Münster 1931 (Franziskanische Studien. Beiheft 14, ZDB-ID 202286-2).
  • Ulrike Gärtner, Judith Koppetsch (Hrsg.): Klostersturm und Fürstenrevolution. Staat und Kirche zwischen Rhein und Weser 1794/1803. Begleitbuch zur Ausstellung der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen und des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund, 24. Mai bis 17. August 2003. Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Dortmund 2003. (= Veröffentlichungen der Staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen. Reihe D: Ausstellungskataloge staatlicher Archive, Bd. 31), ISBN 3-935019-85-8
  • Sales Hess: Dachau – eine Welt ohne Gott. Sebaldus-Verlag, Nürnberg 1946.
  • Paul Humpert: Der Klostersturm. Erlebnisse aus den Novembertagen 1918. Geleitwort von Johannes Wallenborn. Verlag der Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria, Hünfeld 1930 (= Blüten und Früchte vom heimatlichen und auswärtigen Missionsfelde, Nr. 16, ZDB-ID 988569-9).
  • Annette Mertens: Himmlers Klostersturm. Der Angriff auf katholische Einrichtungen im Zweiten Weltkrieg und die Wiedergutmachung nach 1945. Schöningh, Paderborn 2006 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte Reihe B: Forschungen, Bd. 108; zugleich: Leipzig, Univ., Diss., 2005). ISBN 3-506-75621-4
  • Felix Nabor: Der Klostersturm. Geschichtliche Erzählung aus St. Gallens Vergangenheit. Zehnder, Schwyz 1923.
  • Carl Anton Schips: Glaubensstarke Frauen. Ein Klostersturm vor 400 Jahren. 2., vollständig umgearbeitete und erweiterte Aufl. Schwabenverlag, Stuttgart 1938 (Aus Schwabens Vergangenheit, Bd. 6).
  • Hugh Willmott: The Dissolution of the Monasteries in England and Wales (in der Reihe Studies in the Archaeology of Medieval Europe). Equinox, Sheffield 2020, ISBN 978-1-78179-954-3

Filmdokumentation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Annette Mertens: Himmlers Klostersturm. Der Angriff auf katholische Einrichtungen im Zweiten Weltkrieg und die Wiedergutmachung nach 1945. Schöningh, Paderborn 2006, S. 126–143.
  2. Gisela Keuerleber: 75 Jahre nach dem Geheimbefehl zum Klostersturm. Deutschlandradio, 13. Januar 2016, abgerufen am 13. Februar 2022.