Kopfschmerz

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Klassifikation nach ICD-10
R51 Kopfschmerz
Gesichtsschmerz o. n. A.
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als Kopfschmerz oder Kopfweh (Cephalgie, Kephalgie, Kephalalgie, Zephalgie, Cephalaea) werden Schmerzempfindungen im Bereich des Kopfes bezeichnet. Sie beruhen auf der Reizung von schmerzempfindlichen Kopforganen (Schädel, Hirnhäute, Blutgefäße im Gehirn, Hirnnerven oder oberste Spinalnerven). Die eigentliche Gehirnsubstanz (ein Teil des Zentralnervensystems) ist nicht schmerzempfindlich. Nach ICD-10 R50-R69 zählt Kopfschmerz zu den Allgemeinsymptomen.

Erklärvideo: Die häufigsten Kopfschmerz-Arten (2 min 28)

Epidemiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kopfschmerzkarikatur

Kopfschmerzen gehören neben Rückenschmerzen zu den häufigsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen: Etwa 4–5 % der deutschen Bevölkerung leiden unter täglichen und ca. 70 % leiden unter anfallsweisen oder chronischen (immer wiederkehrenden) Kopfschmerzen. In einer großen deutschen Studie gaben etwa 60 % der Befragten über 14 Jahre an, Kopfschmerzen gehabt zu haben. Dabei zeigte sich, dass gehäuft Frauen und Bewohner von Städten über 50.000 Einwohner an Kopfschmerzen leiden.[1]

Dabei entfallen über 90 % der Kopfschmerzerkrankungen auf die beiden primären Kopfschmerzformen Migräne und Spannungskopfschmerzen, die auch kombiniert auftreten können. Zu den primären Kopfschmerzen gehören auch der Cluster-Kopfschmerz, der medikamentenassoziierte Kopfschmerz und der Münzkopfschmerz. Gemeinsam haben sie, dass bei bildgebender Diagnostik kein sichtbares Korrelat gefunden werden kann.

Bei den primären Kopfschmerzen ist der Schmerz selbst die Erkrankung. Ihre Ursache ist immer noch nicht genau bekannt und kann deshalb auch nicht immer beseitigt werden. Die Vorbeugung zielt darauf hin, bekannte Auslöser und Faktoren für die Entstehung zu vermeiden. Die Behandlung besteht in einer schnellen und anhaltenden Schmerzlinderung.

Sekundäre, das heißt als Begleiterscheinung einer anderen Erkrankung auftretende Kopfschmerzen sind wesentlich seltener. Sie müssen aber gut beobachtet werden, und ihre Ursachen müssen gegebenenfalls schnell beseitigt werden. Eine Ursache für sekundären Kopfschmerz kann zum Beispiel eine sogenannte craniomandibuläre Dysfunktion sein, bei der durch Zahnfehlstellung und Fehlstellung der Kiefer Verspannungen entstehen, die zu Kopfschmerzen und auch zu Rückenschmerzen führen können.

Unterteilung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der heutigen Medizin sind über 250 verschiedene Arten von Kopfschmerzen bekannt.[2] Im Jahre 2013 wurde die dritte Auflage der internationalen Kopfschmerzklassifikation in einer Betaversion mit 367 Hauptdiagnosen publiziert.[3]

Bis zum Jahre 1960 gab es weltweit keine internationale, akzeptierte und einheitlich verwendete Klassifikationsgrundlage von Kopfschmerzen. Erst im Jahre 1962 publizierte ein Ad-hoc-Komitee des National Institute of Health erstmals eine Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen. Grundlage dieser Klassifikation war eine primär ätiologische Herangehensweise. Man versuchte, abgrenzbare Kopfschmerzursachen verschiedenen diagnostischen Gruppen zuzuordnen. Die Kopfschmerzerkrankungen waren durch kurze Glossardefinitionen charakterisiert.[4] Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft (International Headache Society, IHS) wurde im Jahre 1982 gegründet. Im Jahre 1985 wurde von der IHS ein Kopfschmerzklassifikationskomitee eingerichtet, das eine internationale konsensfähige Kopfschmerzklassifikation erarbeiten sollte. In Subkomitees wurden operationalisierte Kriterien auf der Basis empirischer Befunde und, falls diese nicht vorhanden war, auf der Basis von Konsensbildungen zwischen den Experten aufgestellt. Im Jahre 1988 wurde erstmals eine Kopfschmerzklassifikation auf der Grundlage solcher operationalisierter diagnostischer Kriterien publiziert, die Classification and diagnostic criteria for headache disorders, cranial neuralgias, and facial pain, ICHD-1.[5] Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Kopfschmerzklassifikation der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft übernommen und in die ICD-10 sowie in die ICD-10 NA (NA: Neurological Application) aufgenommen. Die 2. Auflage der Internationalen Kopfschmerzklassifikation, International Classification of Headache Disorders (ICHD-2), erschien im Januar 2004.[6] Im Juli 2013 folgte die 3. Auflage (IHS-ICHD-3 Beta).[7][8][3]

Es erfolgt eine Gliederung der Kopfschmerzen einerseits nach ihrer Ursache, andererseits nach ihrer Art, wobei die klinische Unterteilung nicht streng getrennt erfolgt.

Nach der Ursache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

primär
Migräne, Cluster-Kopfschmerz und andere trigemino-autonome Kopfschmerzerkrankungen, Spannungskopfschmerz
sekundär
Kopfschmerzen nach Trauma, bei intrakraniellen Tumoren, Blutungen usw.

Nach der Art[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch die vielen verschiedenen Formen von Kopfschmerzen ist auch die Therapie sehr vielfältig. In der Selbstmedikation stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung, die pflanzlich oder synthetisch gewonnen werden.

Pflanzlich
Der Klassiker ist hier das Pfefferminzöl, es wird äußerlich angewendet, kann ab dem 6. Lebensjahr sowie auch in der Schwangerschaft genutzt werden.
Synthetisch
Bei der medikamentösen Therapie sind die vier gebräuchlichsten Wirkstoffe gegen Kopfschmerzen Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen sowie Propyphenazon. Auf Grund der Nebenwirkungen und auch der Interaktionen mit anderen Arzneimitteln sollte eine Absprache mit einem Arzt oder Apotheker erfolgen.
Spannungskopfschmerzen
Zur Spannungskopfschmerz-Therapie gehören auch Wärmeanwendungen, Massagen und Dehnübungen. Spannungskopfschmerzen entstehen z. T. dann, wenn sich die Verspannung der Nackenmuskulatur bis in den Kopfbereich fortsetzen. In diesem Fall hilft es, die Muskulatur zu lockern.[9]
Migräne
In der Migränetherapie sollte vorerst immer eine Absprache mit dem Arzt erfolgen, ob es sich wirklich um eine Migräne handelt. Auch hier gibt es mehrere Wirkstoffe zur Auswahl, eine spezifische Wirkstoffgruppe sind die Triptane.[10]

Bei anfallsartigem Kopfschmerz, Cluster-Kopfschmerz, Kopfschmerz der länger als 3 Tage andauert, Kopfschmerz in Zusammenhang mit Übelkeit und Erbrechen, Kopfschmerz bei eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion, Kopfschmerz in Zusammenhang mit der Einnahme anderer Medikamente sowie bei Kindern unter 7 Jahren sollte ein Arzt aufgesucht werden.[11]

Behandlung von Kopfschmerzen und Erkältungen (15. Jahrhundert)

Ein sehr frühes Dokument aus dem 15. Jahrhundert rät zur Therapie von Kopfschmerzen, indem man Kamille, Salbeiholz, echte Betonie, Portulak zusammen erhitzt und sich das Gemisch auf den Scheitel legt.

Seltenere Kopfschmerzformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

benigner Hustenkopfschmerz
Dauert weniger als 60 Sekunden; meist beidseitig vorhanden mit einem Schwerpunkt am Hinterkopf.
benigner Anstrengungskopfschmerz
In Verbindung mit (starker) körperlicher Anstrengung auftretender, beidseitiger pochender Kopfschmerz, der fakultativ von vegetativen Symptomen begleitet ist (Übelkeit, Erbrechen), kann bis zu 24 Stunden andauern.
(post)koitaler Kopfschmerz
Ein dumpfer, pulsierender, beidseitiger, meist okzipital lokalisierter Kopfschmerz während oder nach dem Geschlechtsverkehr, kann für Minuten bis Tage bestehen. Wichtigste Differentialdiagnose, die unbedingt ausgeschlossen werden muss (durch bildgebende Verfahren und klinische Untersuchung) ist die Subarachnoidalblutung.
Dialysekopfschmerz
Tritt während bzw. nach einer Dialysebehandlung auf und ist gut mit Paracetamol zu therapieren.
Hemicrania continua
beschreibt einen dauerhaften, halbseitigen Kopfschmerz, der gut auf Indometacin und Acetylsalicylsäure reagiert.
Kältekopfschmerz
(umgangssprachlich englisch ice cream headache ‚Eiscremekopfschmerz‘ oder englisch brain freeze ‚Hirnfrost, Hirnvereisung‘ genannt) wird durch einen Kältereiz am Gaumen ausgelöst und ist ein meist temporal lokalisierter Kopfschmerz von 20 bis 30 Sekunden Dauer.
Dissektion extra- und intrakranieller Gefäße
Kopfschmerzen, die eine für das dissezierte Gefäß charakteristische Lokalisation haben: innere Halsschlagader (A. carotis interna) temporal und am Hals einseitig; Wirbelkörperarterie (A. vertebralis): am Hinterkopf, Rückseite des Halses; Hirnstammarterie (A. basilaris): ringförmig um den gesamten Schädel ziehend. Dissektionen, v. a. der A. vertebralis, bedürfen der sofortigen neurologischen Abklärung. Chirotherapie (Einrenken) darf bei Verdacht auf eine Dissektion nicht durchgeführt werden.
Postpunktioneller Kopfschmerz
Meist lageabhängiger Kopfschmerz am Hinterkopf und/oder Stirn, der 24 bis 48 Stunden nach einer Liquorpunktion auftritt.
Schlafgebundener Kopfschmerz
Auftreten ausschließlich aus dem Schlaf heraus.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leitlinien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fachliteratur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Kopfschmerz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Andreas Straube, Bernhard Aicher, Steffanie Förderreuther, Thomas Eggert, Janin Köppel, Stefan Möller, Roland Schneider, Gunther Haag: Period prevalence of self-reported headache in the general population in Germany from 1995–2005 and 2009: results from annual nationwide population-based cross-sectional surveys. In: The Journal of Headache and Pain. Nr. 14, 2013, S. 11, doi:10.1186/1129-2377-14-11 (englisch).
  2. The International Classification of Headache Disorders - ICHD-3. In: ichd-3.org. Abgerufen am 17. Januar 2024.
  3. a b The International Classification of Headache Disorders - ICHD-3. In: ichd-3.org. Abgerufen am 17. Januar 2024 (englisch).
  4. Ad Hoc Committee on Classification of Headache: Headache Classification. In: Journal of the American Medical Association. Nr. 179, 1962, S. 717–718 (englisch).
  5. Headache Classification Committee of the International Headache Society: Classification and diagnostic criteria for headache disorders, cranial neuralgias, and facial pain. In: Cephalalgia: an international journal of headache. Suppl 7, Nr. 8, 1988, S. 1–96 (englisch).
  6. J. Olesen, M. G. Bousser. H. C. Diener, D. Dodick, M. First, P. J. Goadsby, H. Göbel, M. J. Lainez, J. W. Lance, R. B. Lipton, G. Nappi, F. Sakai, J. Schoenen, S. D. Silberstein, T. J. Steiner: The International Classification of Headache Disorders 2nd edition. In: Cephalalgia : an international journal of headache. Suppl 1, Nr. 24, 2004, S. 1–160 (englisch).
  7. The International Classification of Headache Disorders, 3rd edition (beta version). In: Cephalalgia. Band 33, Nr. 9, 14. Juni 2013, S. 629–808, doi:10.1177/0333102413485658 (englisch).
  8. Jes Olesen: ICHD-3 beta is published. Use it immediately. In: Cephalalgia. Band 33, Nr. 9, S. 627–628, doi:10.1177/0333102413487610 (englisch).
  9. Kopfschmerzen ganzheitlich behandeln. (PDF; 1,54 MB) In: jameda.de. Jamedia, 23. Juli 2014, archiviert vom Original am 17. Juni 2022; abgerufen am 17. Januar 2024.
  10. Empfehlungen - dmkg.de. In: dmkg.de. Abgerufen am 17. Januar 2024.
  11. Herbert Gebler, Gerd Kindl: Pharmazie für die Praxis. 6. Auflage. Deutscher Apotheker-Verlag, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-7692-4790-9.