Landtagswahl in Hessen 1999

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1995Landtagswahl 19992003
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43,4
39,4
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5,1
2,7
2,2
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 1995
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   4
   2
   0
  -2
  -4
+4,2
+1,4
−4,0
−2,3
+0,7
± 0,0
    
Insgesamt 110 Sitze
Wahlplakat der CDU

Die Wahlen zum 15. Hessischen Landtag fanden am 7. Februar 1999 statt. Obwohl die Forschungsinstitute einen Wahlsieg der rot-grünen Landesregierung sowie ein Hervorgehen der SPD als stärkste Partei vorhergesagt hatten, konnte die CDU mit 43,4 % deutlich zulegen und gegenüber 1995 den Vorsprung vor der SPD ausbauen. Während letztere leichte Stimmengewinne verbuchen konnte, führten die großen Stimmenverluste der GRÜNEN dazu, dass die bisherige Landesregierung ihre Mehrheit verlor. Die FDP kam mit 5,1 % knapp über die 5%-Hürde.

Nach der Wahl endete die Amtszeit des Kabinett Eichel II unter Ministerpräsident Hans Eichel; der CDU-Spitzenkandidat Roland Koch wurde Ministerpräsident und blieb es bis zum 31. August 2010 (Kabinette Koch I, II und III).

Ausgangssituation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Landtagswahl am 5. März 1995 setzten SPD und Grüne ihre rot-grüne Koalition fort; Hans Eichel blieb Ministerpräsident. Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten, dem Bundesinnenminister Manfred Kanther, erhielt zwar 39 % der Stimmen und wurde stärkste Partei; SPD und Grüne erhielten zusammen aber mehr Stimmen und Landtagssitze als CDU und FDP.

Die Landtagswahl am 19. Februar 1995 brachte folgendes Ergebnis:

Endergebnis 1995
Partei Stimmanteil Sitze
CDU 39,2 % 45
SPD 38,0 % 44
GRÜNE 11,2 % 13
FDP 7,4 % 8

Umfragen vor der Wahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Meinungsumfragen vor der Wahl sagten eine klare Bestätigung der rot-grünen Koalition voraus. Prognostiziert wurden Gewinne der SPD und leichte Verluste der CDU.[2]

Institut Datum CDU SPD FDP GRÜNE Sonstige
Polis 30.01.1999 36 % 41 % 8 % 10 % 5 %
Forschungsgruppe Wahlen[3] 29.01.1999 39 % 42 % 5,5 % 8,5 % 5 %
Infratest Dimap 28.01.1999 37,5 % 42 % 7 % 10 % 3,5 %
Forsa 20.01.1999 36 % 40 % 7 % 11 % 6 %
Infratest Dimap 14.01.1999 39 % 42 % 6 % 9 % 4 %

Spitzenkandidaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die SPD trat mit Ministerpräsident Hans Eichel als Spitzenkandidat an. Gegenkandidat der CDU war Fraktionschef Roland Koch.

Die PDS hatte sich entschieden, zur Wahl nicht anzutreten, und rief zur Wahl von Rot-Grün auf. Die Grünen gingen traditionell mit einer Doppelspitze in den Wahlkampf. Priska Hinz und Rupert von Plottnitz führten die Grünen-Liste an. Für die FDP fungierte Ruth Wagner als Spitzenkandidatin.

Antretende Parteien und Kandidaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Folgende Parteien standen landesweit zur Wahl:

  1. CDU – Christlich Demokratische Union Deutschlands
  2. SPD – Sozialdemokratische Partei Deutschlands
  3. GRÜNE – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
  4. F.D.P. – Freie Demokratische Partei
  5. REP – DIE REPUBLIKANER
  6. Die Tierschutzpartei – Mensch Umwelt Tierschutz
  7. DIE FRAUEN – Feministische Partei DIE FRAUEN
  8. PASS – Partei für Arbeit und Soziale Sicherheit/Partei der Arbeitslosen und Sozial Schwachen
  9. DKP – Deutsche Kommunistische Partei
  10. BüSo – Bürgerrechtsbewegung Solidarität
  11. FWG – Freie Wähler Gemeinschaft — Wählergruppe Hessen
  12. PBC – Partei Bibeltreuer Christen
  13. DHP – Deutsche Heimat Partei… die National-Liberalen
  14. NATURGESETZ – NATURGESETZ PARTEI, AUFBRUCH ZU NEUEM BEWUSSTSEIN
  15. ödp – Ökologisch-Demokratische Partei
  16. NPD – Nationaldemokratische Partei Deutschlands
  17. BFB-Die Offensive – BUND FREIER BÜRGER — OFFENSIVE FÜR DEUTSCHLAND, Die Freiheitlichen

Wahlkampf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Wahlkampf wurde insbesondere durch die Debatte um die CDU/CSU-Unterschriftenaktion gegen die Reform des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts geprägt und damit durch bundespolitische Einflüsse überlagert (siehe hierzu: Wahlanalyse).

An landespolitischen Themen prangerte die CDU den Unterrichtsausfall an hessischen Schulen an und versprach die Einstellung von 3.000 neuen Lehren und eine Unterrichtsgarantie. Ein zweiter Themenschwerpunkt war die innere Sicherheit. Hier stand die von der Opposition als zu hoch bewertete Zahl der Gefängnisausbrüche im Mittelpunkt.

Amtliches Endergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1999 Ministerpräsident: Roland Koch

Die Landtagswahl am 7. Februar 1999 brachte folgendes Ergebnis[4]:

Parteien Wahl-
kreis-
bewerber
Wahlkreisstimmen Landesstimmen Mandate
Anzahl % +/- Direkt-
mandate
Anzahl % +/- Landes-
mandate
Gesamt +/-
CDU 55 1.265.942 45,3 +3,5 34 1.215.783 43,4 +4,3 16 50 +5
SPD 55 1.158.663 41,5 +0,8 21 1.102.544 39,4 +1,4 25 46 +2
GRÜNE 55 168.325 6,0 –3,6 201.194 7,2 –4,0 8 8 –5
FDP 55 98.095 3,5 –1,2 142.845 5,1 –2,4 6 6 –2
REP 55 79.273 2,8 +1,1 75.114 2,7 +0,7
Tierschutz 3 2.056 0,1 N/A 12.856 0,5 N/A
BFB 34 8.760 0,3 N/A 10.811 0,4 N/A
FWG 1 405 0,0 N/A 10.057 0,4 N/A
DIE FRAUEN 6 1.745 0,1 N/A 6.691 0,2 N/A
NPD 7 2.231 0,1 –0,3 5.933 0,2 –0,1
PBC 13 2.164 0,1 –0,1 4.999 0,2 –0,1
DKP 6 1.181 0,0 ±0,0 3.881 0,1 ±0,0
NATURGESETZ 11 1.515 0,1 –0,1 2.499 0,1 –0,1
ödp 1 138 0,0 –0,1 2.053 0,1 –0,1
PASS 1 95 0,0 ±0,0 1.909 0,1 N/A
BüSo 9 627 0,0 ±0,0 612 0,0 ±0,0
DHP 1 91 0,0 ±0,0 591 0,0 ±0,0
Sonstige 6 540 0,0 ±0,0
Gesamt 374 2.791.846 100 55 2.800.372 100 55 110
Ungültige Stimmen 53.740 1,9 –0,8 45.214 1,6 –0,7
Wähler 2.845.586 66,4 +0,2 2.845.586 66,4 +0,2
Wahlberechtigte 4.282.397 4.282.397
Quelle: Der Landeswahlleiter

Den nur leichten Gewinnen der SPD standen Zugewinne von 4,2 Prozentpunkten durch die CDU gegenüber. Damit erhielten CDU und FDP eine sehr knappe Mehrheit. Neuer Ministerpräsident wurde Roland Koch (CDU).

Wahlprüfung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wahlprüfungsgericht beim Hessischen Landtag entschied mit Urteil vom 1. Juli 1999 gegen die Einsprüche zur Wahl und erklärte die Wahl für gültig. Am 3. März 2000 beschloss das Wahlprüfungsgericht, das Wahlprüfungsverfahren wieder aufzunehmen (Hinweis: Das Wahlprüfungsgericht ist nicht, wie der Name vermuten lässt, ein unabhängiges Gericht, sondern ein politisches Gremium). Anlass war die CDU-Spendenaffäre. Aus den nicht deklarierten Geldern der CDU waren auch Teile des Wahlkampfes des CDU finanziert worden. Basis der Wiederaufnahme war die Regelung in Artikel 78 Absatz 2 der Hessischen Verfassung, der regelte, dass erhebliche gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen, die das Wahlergebnis beeinflussen, die Wahl ungültig machen. Das Bundesverfassungsgericht stellte mit Urteil vom 8. Februar 2001[5] die Interpretation klar, worauf das Wahlprüfungsgericht das Verfahren einstellen musste. Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen bestätigte die Rechtmäßigkeit dieser Einstellung mit Urteil vom 13. Februar 2002.[6]

Wahlanalyse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Ergebnis der Wahlen war nach Analysen von Infratest dimap primär auf bundespolitische Themen zurückzuführen. Infratest schreibt „Die Bevölkerung war mit der wirtschaftlichen Lage und ihrer eigenen finanziellen Situation überwiegend zufrieden, sie gab der SPD in der Regierung gute Noten und schrieb ihr in wichtigen Politikbereichen die größte Kompetenz zu.“[7]

Gemäß der Wahltagsbefragung von Infratest war das Thema doppelte Staatsbürgerschaft wahlentscheidend: Fast jeder zweite CDU-Wähler und über 60 Prozent derjenigen, die von einer anderen Partei zur CDU gewechselt sind, gaben an, die Union aus diesem Grund gewählt zu haben, zumal die CDU ihre Unterschriftenaktion in der Wahlkampfzeit durchgeführt hatte. Infratest stellte fest, dass die Wahl von dem bekannten Muster geprägt sei, dass die Regierungsparteien im Bund bei Landtagswahlen Niederlagen erlitten. Ungewöhnlich in Hessen war, dass es die jeweils kleinen Parteien Grüne und FDP gewesen seien, die Verluste hinnehmen mussten.

Konsequenzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hessen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Roland Koch wurde am 7. April 1999 erstmals zum Ministerpräsidenten von Hessen gewählt. Er stand einer schwarz-gelben Regierung vor (Kabinett Koch I). Die neugebildete CDU-FDP-Regierung setzte insbesondere in der Schulpolitik (Einstellung von 3000 Lehrern im Rahmen der Unterrichtsgarantie), Verkehrspolitik (Staufreies Hessen) und Innenpolitik (verschärfter Strafvollzug, Verstärkung der Polizei) neue Akzente in der hessischen Innenpolitik.[8]

Über Hessen hinaus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Wahlergebnis wurde allgemein als Denkzettel für die Bundesregierung Schröder interpretiert. Vor allem der Versuch der Bundesregierung, die doppelte Staatsangehörigkeit einzuführen, wurde als Ursache für den Wechsel in Hessen bewertet. Die rot-grüne Bundesregierung musste auf die Durchsetzung ihres Vorhabens verzichten und verabschiedete eine deutlich abgeschwächte Version (das sogenannte Optionsmodell).

Als direkte Folge der Wahlergebnisse in Hessen trat Hans Eichel am 12. April die Nachfolge des im März zurückgetretenen Oskar Lafontaine als Finanzminister in der Bundesregierung mit Gerhard Schröder als Kanzler an.

Mit der Wahl in Hessen änderten sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Dort haben die Länder 69 Stimmen. Vor der Wahl waren die Länder mit SPD-Alleinregierung (13 Stimmen) und Rot-Grün (18 Stimmen) zwar in der Minderheit, gemeinsam mit den SPD/PDS-regierten Bundesländern (7 Stimmen) verfügten die Parteien der Bundesregierung jedoch über eine Mehrheit. Dieser standen 21 Stimmen der von der Opposition regierten Länder gegenüber. 12 Stimmen entfielen auf Koalitionen zwischen FDP bzw. CDU und SPD. Nach der Wahl wechselten Hessens fünf Stimmen ins Lager der Opposition. Ohne die Zustimmung mindestens eines Bundeslandes mit FDP- oder CDU-Regierungsbeteiligung war keine Mehrheit im Bundesrat mehr möglich.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Forschungsgruppe Wahlen: Landtagswahl in Hessen. Eine Analyse der Wahl vom 7. Februar 1999, Mannheim 1999.
  • Wolfgang Hecker: Neuwahlen in Hessen? Zur Frage einer erneuten Prüfung der Landtagswahl von 1999 durch das hessische Wahlprüfungsgericht, Darmstadt 2000.
  • Rüdiger Schmitt-Beck: Die hessische Landtagswahl vom 7. Februar 1999. Der Wechsel nach dem Wechsel, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 1/2000, S. 3–17.
  • Hans-Joachim Veen: Analyse der Landtagswahl vom 7. Februar 1999 in Hessen, Sankt Augustin 1999, ISBN 3-933714-05-2. (Interne Studien / Konrad-Adenauer-Stiftung, 178)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Landtagswahl in Hessen 1999 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Landtagswahlen in Hessen 1946–2009 Hessisches Statistisches Landesamt
  2. Wahlumfragen, zitiert nach Wahlrecht.de
  3. Endgültiges Ergebnis der Landtagswahl am 7. Februar 1999 (StAnz. 9/1999 S. 637–666)
  4. Urteil Bundesverfassungsgericht vom 8. Februar 2001, 2 BvF 1/00 – (BVerfGE 103, 111 ff.)
  5. Urteil des Staatsgerichtshofes vom 13. Februar 2002 (Memento des Originals vom 21. Februar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.staatsgerichtshof.hessen.de
  6. Kurzanalyse von Infratest
  7. Koalitionsvereinbarung 1999 (PDF; 3,1 MB)