Lewisit

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Strukturformel
Struktur von Lewisit
trans- und cis-Isomer
Allgemeines
Name Lewisit
Andere Namen
  • 2-Chlorvinyldichlorarsin
  • Dichlor(2-chlorvinyl)arsin
  • 2-Chlorvinylarsindichlorid
  • 2-Chlorethylendichlorarsin
  • Lewisit I
Summenformel C2H2AsCl3
Kurzbeschreibung

ölige, farb- und geruchlose Flüssigkeit[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
PubChem 5372798
Wikidata Q407502
Eigenschaften
Molare Masse 207,32 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig

Dichte
  • 1,8793 g·cm−3 (25 °C, trans-Isomer)[2]
  • 1,8598 g·cm−3 (25 °C, cis-Isomer)[2]
Schmelzpunkt
  • −2,4 °C (trans-Isomer)[3]
  • −44,7 °C (cis-Isomer)[1]
Siedepunkt
  • 196,6 °C (Zersetzung, trans-Isomer)[2]
  • 169,8 °C (Zersetzung, cis-Isomer)[1]
Dampfdruck
  • 53 Pa (trans-Isomer, 25 °C)[4]
  • 208 Pa (cis-Isomer, 25 °C)[4]
Löslichkeit
Brechungsindex
  • 1,6076 (25 °C, trans-Isomer)[2]
  • 1,5859 (25 °C, cis-Isomer)[2]
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[5] ggf. erweitert[1]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 331​‐​301​‐​410
P: ?
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Lewisit, auch Lewisit I genannt, ist eine chlorhaltige organische Arsenverbindung, deren Wirkung beim Einsatz als chemische Waffe den Losten ähnelt. Die Substanz bewirkt ein starkes Brennen der Haut mit Blasenbildung. Lewisit wurde nach dem amerikanischen Chemiker Winford Lee Lewis (1878–1943) benannt, der es wiederentdeckte, nachdem er auf die Dissertation von Julius Arthur Nieuwland (1878–1936) aufmerksam gemacht worden war. Unter Soldaten trug es den Beinamen Tau des Todes.

Es existieren mit dem trans-Lewisit und dem cis-Lewisit (auch Isolewisit genannt) zwei Konfigurationsisomere.

Darstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Winford Lee Lewis stellte die Substanz 1918 durch Reaktion von Arsentrichlorid (AsCl3) mit Ethin (Acetylen) in Anwesenheit von Chlorwasserstoff in einer Quecksilber(II)-chlorid-Lösung (HgCl2) her:

Als Nebenprodukte entstehen noch β-Lewisit (2,2’-Dichlordivinylarsinchlorid) und γ-Lewisit (1,1’,1’’-Trichlortrivinylarsin).[4]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Substanz wurde noch im Ersten Weltkrieg in den USA entwickelt, produziert und auch nach Europa verschifft, kam aber nicht mehr zum Einsatz.[10] Später wurde die Substanz gezielt von der US-amerikanischen Armee als chemischer Kampfstoff weiterentwickelt und hergestellt.[11] Zwischen den beiden Weltkriegen wurde es auch in der Sowjetunion und Japan produziert. Teilweise wurde es als Giftgasgemisch zusammen mit Senfgas als Mustard-Lewisite eingesetzt für eine schnellere Wirkung und um den Gefrierpunkt des Senfgases herabzusetzen. Lewisit ist volatiler als Senfgas und reagiert empfindlicher auf Feuchtigkeit, wirkt aber schneller und unmittelbarer als Senfgas.[12] Es wurden insgesamt etwa 20.000 t Lewisit hergestellt. Seit Ende der 1950er Jahre wurde der Einsatz eingestellt. Japan produzierte im Zweiten Weltkrieg ebenfalls Lewisit und hatte Bestände im besetzten China vergraben, die 2006 wiederentdeckt wurden.[13] Es gibt keinen Hinweis auf einen Kampfeinsatz.[12]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das cis-, das trans-Isomer bzw. das Isomerengemisch sind ölige, farb- und geruchlose Flüssigkeiten[4], die sich beim Kontakt mit Wasser zersetzen. Die Dämpfe sind sehr viel schwerer als Luft. Hinsichtlich der physikalischen Eigenschaften unterscheiden sich die Isomere stark. Das cis-Isomer besitzt einen wesentlich niedrigeren Schmelz- und Siedepunkt. Es ist wegen des höheren Dampfdrucks leichter flüchtig als das trans-Isomer. Die Dampfdruckkurve für das cis-Isomer ergibt sich nach lgp = 8,4131 - 2450,2/T, die des trans-Isomers nach lgp = 48660 - 13297·lgT - 4815,3/T (p in Torr, T in K).[2]

Giftwirkung und Gegenmittel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Aufnahme des Giftes kann über Haut, Atemwege und Magen-Darm-Trakt erfolgen. Lewisit reagiert mit den Thiolgruppen von Proteinen und stört somit, soweit Enzyme betroffen sind, massiv den Stoffwechsel. Ähnlich wie die Loste reagiert es auch mit DNA-Molekülen, indem diese alkyliert werden.[14] Auf der Haut erzeugt Lewisit sofort ein starkes Brennen, nach 30 Minuten Erytheme; nach 12 Stunden werden daraus scharf begrenzte, oberflächliche Blasen, bis zu tiefen schmerzhaften Nekrosen.[1][15]

Als Gegenmittel kann Dithioglycerin (andere Bezeichnungen sind BAL, British Anti Lewisite, Dimercaprol bzw. 2,3-Dimercaptopropanol) verwendet werden. Dithioglycerin bindet Lewisit oder setzt an Proteine gebundenes Lewisit wieder frei.[14]

Internationale Kontrollen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lewisite werden als Chemikalien der Liste 1 der internationalen Chemiewaffenkonvention (auch Chemiewaffenübereinkommen, CWÜ)[16] von der hierfür zuständigen Behörde OPCW mit Sitz in Den Haag kontrolliert. Die Entwicklung oder der Besitz zu Zwecken, die nicht ausschließlich der Forschung zur Verteidigung gegen diese Substanzen dienen, ist verboten. In Deutschland muss jeder Umgang mit Chemikalien der Liste 1 – ausgenommen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung – vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) genehmigt werden und in Abhängigkeit von der ausgeübten Tätigkeit der OPCW gemeldet werden.[17]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Haas, R. et al.: Chemisch-analytische Untersuchung von Arsenkampfstoffen und ihren Metaboliten, UWSF – Z Umweltchem Ökotox; 10 (1998), 289–293; PDF (freier Volltextzugriff)

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Eintrag zu Chlorvinyldichlorarsin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 16. Februar 2017. (JavaScript erforderlich)
  2. a b c d e f Whiting, G.H.: Some physicochemical properties of cis-2-chlorovinyldichloroarsine in J. Chem. Soc. 1948, 1209–1210, doi:10.1039/JR9480001209.
  3. Lebedev, B.V.; Kulagina, T.G.; Cheremukhina, A.A.; Karataev, E.N.: Russian J. Gen. Chem. 66 (1996) 880-885.
  4. a b c d e f Eintrag zu Lewisit. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 5. November 2011.
  5. Nicht explizit in Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP) gelistet, fällt aber mit der angegebenen Kennzeichnung unter den Gruppeneintrag Arsenverbindungen, mit Ausnahme der namentlich in diesem Anhang bezeichneten im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  6. National Technical Information Service. PB214-270.
  7. A. P. Watson, G. D. Griffin: Toxicity of vesicant agents scheduled for destruction by the Chemical Stockpile Disposal Program. In: Environmental health perspectives. Band 98, November 1992, S. 259–280, doi:10.1289/ehp.9298259, PMID 1486858, PMC 1519623 (freier Volltext) (Review).
  8. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 2,2’-Dichlordivinylarsinchlorid: CAS-Nummer: 40334-69-8, PubChem: 5368106, Wikidata: Q55690543.
  9. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu 1,1’,1’’-Trichlortrivinylarsin: CAS-Nummer: 40334-70-1, PubChem: 5352143, Wikidata: Q55690530.
  10. Robin Black, Development, Historical Use and Properties of Chemical Warfare Agents, in: Franz Worek u. a. (Hrsg.), Chemical Warfare Technology, Royal Society of Chemistry, 2016, Band 1, S. 16
  11. Domingo Tabangcura, Jr. and G. Patrick Daubert, MD. British anti-Lewisite Development Molecule of the Month, University of Bristol School of Chemistry.
  12. a b Worek u. a. (Hrsg.), Chemical Warfare Technology, 2016, Band 1, S. 16.
  13. NTI: Abandoned Chemical Weapons (ACW) in China (Memento vom 29. September 2011 im Internet Archive).
  14. a b wissenschaft-online: Eintrag zum Lewisit im Lexikon der Biologie/Chemie.
  15. Nach anderen Angaben bilden sich Blasen in wenigen Stunden. Franz Worek u. a. (Hrsg.), Chemical Warfare Technology, 2016, Band 1, S. 16
  16. Chemikalien der Liste 1 (Memento vom 9. April 2013 im Internet Archive) beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), abgerufen am 15. Januar 2013.
  17. Chemiewaffenübereinkommen: Informationsangebot zum Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), abgerufen am 15. Januar 2013.