Liste starker Verben (bairische Sprache)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die folgende Übersicht über die starken Verben des Bairischen erfolgt nach den historischen Ablautklassen, das heißt nach dem Vokalwechsel, der im Wortstamm stattfindet; es werden jeweils der Infinitiv und das Partizip Perfekt zur Bildung der Vergangenheit angegeben. Zusätzlich findet sich ein Hinweis zur Konjunktiv-Bildung, wenn der Stammvokal der Konjunktivformen von dem des Infinitivs abweicht. Der i-Umlaut im Präsens Singular findet, anders als im Hochdeutschen, auch in der ersten Person Singular statt. Der Konjunktiv wird, wo nicht angegeben, schwach gebildet (also zu bleim: i bleibat „ich bliebe“; formal einem hdt. schwach gebildeten „ich bleibete“ entsprechend).

1. Ablautklasse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1. Gruppe: ei > i (mhd. î > i)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • beissn – bissn (beißen, gebissen)
  • leiddn – gliddn (läuten, geläutet)
  • greiffa – griffa (greifen, gegriffen)
  • reissn – grissn (reißen, gerissen)
  • reiten – grittn (reiten, geritten)
  • scheissn – gschissn (scheißen, geschissen)

2. Gruppe: ei > ie (mhd. î > i)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • bleim – bliem (bleiben, geblieben)
  • dreim – driem (treiben, getrieben)
  • leing/leicha – glieng/gliecha (leihen, geliehen)
  • reim – griem (reiben, gerieben)
  • scheim – gschiem (kegeln, gekegelt)
  • schneim – gschniem (schneien, geschneit) – auch schwach: gschneibt
  • schnein – gschnien (schneiden, geschnitten)
  • schreim – gschriem (schreiben, geschrieben)
  • speim – gspiem (speien, gespien)
  • steing – gstieng (steigen, gestiegen)

2. Ablautklasse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1. Gruppe: ia > o (mhd. ie > o)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(Das Nordbairische hat zum Teil statt ia entweder äi oder oi, ui, z. B. läign, loing, luing lügen, valoisn, fruisn verlieren, frieren)

  • biang – bong (biegen, gebogen)
  • (da)frian – (da)froan ((er)frieren, (er)froren)
  • fliang – gflong (fliegen, geflogen)
  • gliam – glom (klieben, gekloben = „Holz spalten“)
  • griacha – grocha (kriechen, gekrochen)
  • liang – glong (lügen, gelogen)
  • riacha – grocha (riechen, gerochen)
  • schiam – gschom (schieben, geschoben)
  • schiassn – gschossn (schießen, geschossen)
  • schliaffa – gschloffa (schliefen, geschloffen = „schlüpfen“)
  • valian – valoan (verlieren, verloren)
  • wiang – gwong (wiegen, gewogen)
  • ziang – zong (ziehen, gezogen)

2. Gruppe: à > u (mhd. û > o)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • sàffa (meist: i sauf) – gsuffa (saufen, gesoffen)

3. Gruppe: sekundäre Mischungen verschiedener Klassen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • làffa (meist: i lauf) – gloffa (laufen, gelaufen) – mit ursprünglichem Partizip glàffa auch zur 7. Ablautklasse
  • scheim – gschom (kegeln, gekegelt) – mit ursprünglichem Partizip gschiem auch zur 1. Ablautklasse

3. Ablautklasse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1. Gruppe: i > u (mhd. i > u)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • brinna – brunna (brennen, gebrannt; intransitiv; nur gebietsweise)
  • dawischn – dawuschn (erwischen, erwischt) – auch schwach: dawischd
  • drinna – drunna (entkommen, entkommen) – auch schwach: drinnt
  • dringa (1) – drunga (dringen, gedrungen)
  • dringa (2) – drunga (trinken, getrunken)
  • fiachtn – gfuachtn (fürchten, gefürchtet) – auch nach der 2. Gruppe: gfoachtn
  • gwinna – gwunna (gewinnen, gewonnen)
  • rinna – grunna (rinnen, geronnen)
  • schindn – gschundn (schinden, geschunden)
  • schwimma – gschwumma (schwimmen, geschwommen)
  • singa – gsunga (singen, gesungen)
  • spinna – gspunna (spinnen, gesponnen)
  • springa – gsprunga (springen, gesprungen)
  • stinga – gstunga (stinken, gestunken)
  • winga – gwunga (winken, gewinkt)
  • winschn – gwunschn (wünschen, gewünscht)
  • zindn – zundn (zünden, gezündet)
  • zwinga – zwunga (zwingen, gezwungen)

2. Gruppe: ea > å/oa (mhd. ë > o vor r + Konsonant)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • feachtn – gfoachtn (fürchten, gefürchtet) – auch nach der 1. Gruppe
  • steam (i stiab) – gståm, gstoam (sterben, gestorben)
  • vadeam (i vadiab) – vadåm, vadoam (verderben, verdorben)
  • weaffa (i wiaf) – gwåffa, gwoaffa (werfen, geworfen)
  • weam (du wiabst) – gwåm, gwoam (werben, geworben)
  • wean (Kj. i wiad) – woan (werden, geworden; Präsens im Ggs. zum Hochdeutschen ohne Umlaut: du weast)

3. Gruppe: öi/äi > ui/oi (mhd. ë > o vor l + Konsonant)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • gäitn (des guit) – goitn oder göitn – guitn (gelten, gegolten)
  • häiffa (i huif) – ghoiffa oder höiffa – ghuiffa (helfen, geholfen)
  • mäiggn – gmoiggn (melken, gemolken)
  • schäitn – gschoitn (schelten, gescholten; fluchen, geflucht)
  • schmäizn – gschmoizn oder schmöizn – gschmuizn (schmelzen, geschmolzen)

4. Ablautklasse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1. Gruppe: e > u und öi/äi > ui/oi (mhd. ë > o vor einfachem Konsonanten)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • nehma (i nimm, Kj. i nàhmad) – gnumma (nehmen, genommen)
  • stöin (Kj. i stehlad) – gstuin oder stäin – gstoin (stehlen, gestohlen)

2. Gruppe: e > o (mittelhochdeutsch verschiedenen Fälle)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • daschrecka (i daschrig) – daschrocka (erschrecken, auch transitiv) – im Präsens immer, im Perfekt transitiv daneben auch schwach: derschreckd
  • dreffa (i drif) – droffa (treffen, getroffen)
  • hem – kom (heben, gehoben) – auch schwach: ghebbd
  • kemma (i kim, Kj. i kàmad oder i kàm) – kemma (kommen, gekommen)

Historische 5., 6. und 7. Ablautklasse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1. Gruppe: Verben mit gleichem Ablaut in Infinitiv und Partizip II (mhd. a, â, ë, ei, ô, ou, uo > a, â, ë, ei, ô, ou, uo)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • bacha (i back, mia bachan, és backz) – bacha (backen, gebacken) – auch schwach: baggd
  • drång (Kj. i dràgad oder auch i dragad/drågad ) – drång (tragen, getragen)
  • eischåiddn – eigschåiddn (einschalten, eingeschaltet)
  • essn (i iß) – gessn (essen, gegessen)
  • fagessn (i vagiß) – fagessn (vergessen, vergessen)
  • fåin (Kj. i fallad) – gfåin (fallen, gefallen)
  • fressn (i friß) – gfressn (fressen, gefressen)
  • gem (i gib, Kj. i gàbad oder i gàb) – gem (geben, gegeben)
  • gråm – gråm (graben, gegraben)
  • hoaßn – ghoaßn (heißen, geheißen)
  • làffa – glàffa oder gloffa (laufen, gelaufen)
  • lån – glån (laden, geladen)
  • låssn – låssn (lassen, gelassen) – in der Bedeutung "furzen": glåssn (auch nach Infinitiv: "er hat oan fahrn glåssn"), sonst im Gegensatz zum Hdt. immer "låssn", egal ob mit Infinitiv oder nicht
  • lesn (i lies) – glesn (lesen, gelesen)
  • måin (i mahlad) – gmåin (mahlen, gemahlen)
  • måin (i malad) – gmåin (malen, gemalt)
  • messn (i miß) – gmessn (messen, gemessen)
  • ruaffa (Kj. i riaffat) – gruaffa (rufen, gerufen)
  • schlaffa – gschlaffa (schlafen, geschlafen)
  • sèng (i sig, Kj. i sàgad) – gsèng (sehen, gesehen)
  • wachsn – gwachsn (wachsen, gewachsen)
  • waschn – gwaschn (waschen, gewaschen)

2. Gruppe: Spezialfälle (mhd. i > ë; ê > a)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • biddn – been (bitten, gebeten; einladen, eingeladen) – auch schwach: bidd oder ausnahmsweise mit deutlich hörbarem unbetonten e: biddet
  • ling (Kj. i làgad) – gleng (liegen, gelegen)
  • sitzn – gsessn (sitzen, gesessen)
  • geh (i gäh, Kj. i gàngad(ad) oder selten i gàng) – ganga (gehen, gegangen; historisch zur 7. Ablautklasse)
  • steh (i stäh, Kj. i stêgad oder selten i stàndad) – gstandn (stehen, gestanden; historisch zur 6. Ablautklasse)

Sonderfälle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • bringa – bråcht (bringen, gebracht; historisch kein Ablaut, sondern ein Rückumlaut)
  • doa (i dua, mia dean/dàn, és deaz/dàz, de dàn, Kj. i dàd oder i dàdad) – dô (tun; historisch außerhalb der Ablautklassen stehend. "dàd" wird auch fast immer statt hdt. "würde" für den periphrastischen Konjunktiv herangezogen)
  • sei (i bin, du bist, er is, mia san, és saz, de sand) – war (Kj. i wàr, i wàrad) – gwen (sein; historisch aus drei Wortwurzeln bestehend. Imperfekt wird ausgebildet, Erzählzeit ist aber auch hier Perfekt)

Schwache Verben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Genannt werden nur jene, die im Gegensatz zum Hochdeutschen schwach beziehungsweise ohne Rückumlaut sind.

  • aufhebbm – aufghebbd (aufheben) – auch stark: aufghoom
  • bagga – baggd (backen) – auch stark: bagga
  • biddn – bidd (bitten, einladen) – auch stark: been
  • brenna – brennd (brennen), s. a. oben
  • denga – denggd (denken)
  • fanga – gfangd (fangen)
  • haua – ghaud (hauen)
  • henga – ghenggd (hängen)
  • scheina – gscheind (scheinen, vom Licht) – „den Anschein haben“ heißt normalerweise nicht scheina