Flug- und Raumfahrtmedizin

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Die Flug- und Raumfahrtmedizin beschäftigt sich mit dem Erhalt der Gesundheit von Nutzern von Flugzeugen und Raumschiffen. Der englische Begriff aviation medicine fasst die Gebiete Flugmedizin und Raumfahrtmedizin (auch Weltraummedizin) zusammen.

Sie erstreckt sich über die Bereiche:

Raumfahrtmedizin umfasst die Gebiete:

Die Flug- und Raumfahrtmedizin beschäftigt sich ebenfalls mit der psychologischen und physiologischen Testung für die Personalauswahl. Ein an die Flugfahrtmedizin angrenzendes Gebiet ist die Reisemedizin.

Flugmedizin als Zusatzweiterbildung für Fachärzte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fachärzte der Gebiete Innere Medizin, Allgemeinmedizin oder Arbeitsmedizin können nach erfolgreichem Abschluss einer entsprechenden Zusatzweiterbildung die Zusatzbezeichnung Flugmedizin neben ihrer Facharztbezeichnung führen.

Die Ärztliche Weiterbildung ist Angelegenheit der Länderärztekammern in Deutschland. Eine koordinierende Funktion zur Vereinheitlichung der Weiterbildungsgänge übt die Bundesärztekammer aus, die aber keine Kammer im rechtlichen Sinne ist, sondern lediglich eine Arbeitsgemeinschaft der Landesärztekammern.

Als Übersicht der Inhalte des Zusatzweiterbildungsganges Flugmedizin im Folgenden ein Auszug aus der Muster-Weiterbildungsordnung 2003/2010 der Bundesärztekammer, die im Großen und Ganzen von den Länderärztekammern umgesetzt zu werden pflegt. Genaues müssen Interessenten bei der für sie jeweils zuständigen Landesärztekammer abrufen.

Definition:
Die Zusatz-Weiterbildung Flugmedizin umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Luft- und Raumfahrtmedizin einschließlich der physikalischen und medizinischen Besonderheiten des Aufenthaltes in Luft und Weltraum sowie des Wohlergehens des fliegenden Personals und der Passagiere.

Weiterbildungsziel:
Ziel der Zusatz-Weiterbildung ist die Erlangung der fachlichen Kompetenz in Flugmedizin nach Ableistung der vorgeschriebenen Weiterbildungszeit und Weiterbildungsinhalte sowie des Weiterbildungskurses.

Voraussetzung zum Erwerb der Bezeichnung:
Facharztanerkennung im Gebiet Innere Medizin oder für Allgemeinmedizin oder Arbeitsmedizin

Weiterbildungszeit:
6 Monate Weiterbildung bei einem Weiterbildungsbefugten für Flugmedizin gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2
180 Stunden Kurs-Weiterbildung gemäß § 4 Abs. 8 in Flugmedizin
Abweichend davon wird anstelle der 6-monatigen Weiterbildung in Flugmedizin ein über einen Zeitraum von einem Jahr regelmäßig absolviertes, alle zwei Wochen stattfindendes kollegiales Gespräch unter der Verantwortung des Leiters eines vom Luftfahrt-Bundesamt anerkannten flugmedizinischen Zentrums als abweichende, aber gleichwertige Weiterbildung anerkannt.

Weiterbildungsinhalt:
Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in
– der klinischen Flugphysiologie
– der Beurteilung der Leistungsfähigkeit und Fliegerverwendungsfähigkeit
– der Flugpsychologie
– den Flugreisetauglichkeitsbestimmungen
– Prinzipien des Primär- und Sekundärtransportes von Kranken und Behinderten in Flugzeugen und Hubschraubern
– der medizinischen Ausrüstung an Bord von Verkehrsflugzeugen
– flugmedizinischer Beratung von Fernreisenden über Malariaprophylaxe, Einreisebestimmungen, Hygienemaßnahmen und Medikamentenanpassung bei Zeitzonenverschiebung
– Erfahrung (bei einem Besatzungsumlauf) in großen Verkehrsflugzeugen mit Zeitzonenverschiebung (mindestens 6 Zeitzonen)
– FREMEC- und MEDA-Formularen der IATA für kranke und behinderte Passagiere
 

Bundesärztekammer 2010: (Muster)-Weiterbildungsordnung 2003, S. 152.[1]

Raumfahrtmedizin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Raumfahrt wurden seit 1961 mehr als 560 Astronauten eingesetzt. Dabei handelte es sich ganz überwiegend um hoch selektionierte, trainierte Personen. Die ESA (European Space Agency) hat 1978 damit begonnen, ein eigenes Raumfahrtkorps aufzustellen. Mit den Spacelab-Missionen wurden ab 1983 erstmals europäische Astronauten ins All geschickt und Erfahrungen mit der Physiologie und Pathologie des Aufenthalts im Weltraum gesammelt. Basierend auf den bisherigen Erfahrungen in der bemannten Raumfahrt hat die ESA bei der Rekrutierung von Astronauten folgende Kriterien entwickelt:

  • Gesundheitsprüfung nach JAR-FCL 3, Klasse 2 (Durchführung durch einen durch die nationale flugmedizinische Behörde zugelassenen Fliegerarzt (AME))
  • Keinerlei Krankheiten
  • Keine Drogen-, Alkohol- oder Tabakabhängigkeit
  • Alle Gelenke müssen eine uneingeschränkte Beweglichkeit und eine normale Funktionsfähigkeit aufweisen
  • Sehstärke auf beiden Augen 100 % (20/20) Sehstärke. Korrektur mit Brille oder Kontaktlinsen erlaubt
  • Keinerlei psychische Störungen
  • Hohe kognitive, mentale und charakterliche Fähigkeiten für ein effizientes Arbeiten in einem Umfeld mit hohen intellektuellen und sozialen Anforderungen

Raumfahrer sollten gesund sein und eine ihrem Alter angemessene körperliche Kondition haben. Spitzensportler und übermäßig trainierte Personen haben bei der Raumfahrt keine Vorteile. Eine übermäßig stark entwickelte Muskulatur kann für Astronauten in der Schwerelosigkeit sogar von Nachteil sein.[2]

Mit der Öffnung der kommerziellen Raumfahrt für nicht körperlich selektionierte Personen wächst das medizinische Risiko der Raumfahrt.[3] Die medizinischen Probleme sind je nach Dauer des Raumflugs unterschiedlich. Sie betreffen die physiologische Adaptation an die Schwerelosigkeit, die psychologischen Probleme der Isolation und der Distanz von der Erde und zahlreiche Notfallsituationen zum Beispiel durch einen Druckverlust mit folgender Hypoxie oder Kompressionskrankheit. Beim Start des Raumschiffs treten erhebliche akustische Belastungen, Vibrationen und Beschleunigungen auf, die untrainierten Passagieren erhebliche Probleme machen können. Angstreaktionen, Übelkeit[4] und Hypokapnie sind häufig die Folge. Bei längerem Aufenthalt im All kommt es zu einer Kalksalzminderung der Knochen, häufigeren Nierensteinen, einer Veränderung des Plasmavolumens,[5] einer kardiovaskulären Dekonditionierung und Muskelatrophie der Beine. Weitere Probleme treten auf, wenn der Astronaut nach längerem Aufenthalt im All wieder auf der Erde ist. Die kardiovaskuläre Regulation ist häufig gestört,[6] die wieder vorhandene Schwerkraft führt zu Schwindelreaktionen, Wasser und Mineralhaushalt müssen sich umstellen.

Raumfahrt-Pharmazie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den Raumflügen der Apollo-Mission wurden Medikamente mitgeführt. Diese sind in einer NASA-Publikation aufgelistet, darunter Schmerzmittel, Antibiotika und Antiemetika (Mittel gegen Übelkeit).[7][8] Im Raumanzug konnten die Astronauten jedoch keine Medikamente schlucken. Die NASA arbeitete daher vier Injektionsspritzen in die Raumanzüge ein, sogenannt Astropen. Diese Astropen enthielten sterile Lösungen von Pethidin (gegen Schmerzen), Metaraminol (bei Schock), Cyclizin (bei Übelkeit und Schwindel) und Amphetamin (gegen Übermüdung). Der Astronaut konnte den Astropen aktivieren, der dann automatisch eine Injektion vornahm.[9]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • J. Hinkelbein, E. Glaser (Hrsg.): Flugmedizin. UniMed-Verlag, Bremen 2007.
  • S. Ruff und Hubertus Strughold: Grundriß der Luftfahrtmedizin. Johann Ambrosius Barth, München 1957.
  • Nick Kanas, Dietrich Manzey: Space psychology and psychiatry. Springer, Dordrecht 2007, ISBN 978-1-4020-6769-3.
  • Hans Pongratz: Kompendium der Flugmedizin. Neuauflage / Nachdruck. FlMedInstLw, 2006, ISBN 3-00-016306-9.
  • Roy L. DeHart, Jeffrey R. Davis: Fundamentals of aerospace medicine. Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia 2002, ISBN 0-7817-2898-3.
  • Michael R. Barratt, Sam L. Pool: Principles of clinical medicine for space flight. Springer, New York 2008, ISBN 978-0-387-98842-9.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. (Muster-)Weiterbildungsordnung 2003/2010 (Memento vom 27. November 2018 im Internet Archive), der Bundesärztekammer in der Fassung vom 25. Juni 2010 (abgerufen am 9. Januar 2017; PDF; 741 kB); abgerufen am 24. Mai 2023
  2. FAQ: ESA-Astronauten - Ausbildung und Aufgaben. European Space Agency (ESA), 16. Dezember 2016, abgerufen am 24. März 2019.
  3. Jan Stepanek, Rebecca S Blue, Scott Parazynski: Space Medicine in the Era of Civilian Spaceflight. In: New England Journal of Medicine. Band 380, Nr. 11, 14. März 2019, ISSN 0028-4793, S. 1053–1060, doi:10.1056/NEJMra1609012 (nejm.org [abgerufen am 19. März 2019]).
  4. R T Jennings: Managing space motion sickness. In: Journal of Vestibular Research: Equilibrium & Orientation. Band 8, Nr. 1, 1998, ISSN 0957-4271, S. 67–70, PMID 9416592.
  5. S E Parazynski, A R Hargens, B Tucker, M Aratow, J Styf: Transcapillary fluid shifts in tissues of the head and neck during and after simulated microgravity. In: Journal of Applied Physiology. Band 71, Nr. 6, 1991, ISSN 8750-7587, S. 2469–2475, doi:10.1152/jappl.1991.71.6.2469 (physiology.org [abgerufen am 19. März 2019]).
  6. W H Cooke, I V Ames JE, A A Crossman, J F Cox, T A Kuusela: Nine months in space: effects on human autonomic cardiovascular regulation. In: Journal of Applied Physiology (Bethesda, Md.: 1985). Band 89, Nr. 3, 2000, ISSN 8750-7587, S. 1039–1045, doi:10.1152/jappl.2000.89.3.1039, PMID 10956348.
  7. NASA: Apollo Medical Kits. Abgerufen am 8. Juli 2019 (englisch).
  8. NASA: Apollo Medical Kits. Abgerufen am 8. Juli 2019 (englisch).
  9. Christiane Staiger: 50 Jahre Apollo 11. XING-News, 7. Juli 2019, abgerufen am 8. Juli 2019.