Makrodaten

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Makrodaten (oder Makroebene) ist in den Wirtschaftswissenschaften die Bezeichnung für die höchste Aggregationsebene von Daten in einem Staat. Pendant sind die Mikrodaten.

Erkenntnisobjekt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf der Makroebene werden die Handlungen oder Interaktionen einzelner Akteure (Wirtschaftssubjekte wie Unternehmen, Privathaushalte) in ihrer Gesamtheit (Wirtschaftszweige, Bevölkerung) analysiert.[1] Die Makroebene ist Erkenntnisobjekt der Makrosoziologie. Während diese die Formen der Vergesellschaftung untersucht, befasst sich die Mikrosoziologie mit Formen der Vergemeinschaftung.[2] Bei der Vergesellschaftung stehen die Individuen ganz überwiegend in indirekten Beziehungen zueinander (internationale Organisationen, Weltgesellschaft), bei der Vergemeinschaftung gibt es unmittelbare Kontakte wie etwa die soziale Beziehung in Partnerschaften (Mikroebene).

Die Mehrebenenanalyse der Sozialwissenschaften untersucht unter anderem hierarchisch strukturierte Daten, die bei Personen beginnen und aufsteigend auf der Makroebene des Staates (Bevölkerung) enden.[3] Sie unterstellt, dass es zwischen der Mikroebene und der Makroebene Abhängigkeiten gibt wie etwa das individuelle Konsumverhalten mit seiner Abhängigkeit vom allgemeinen Güterangebot. Zwischen beide Ebenen wird zuweilen noch die Mesoebene gestellt.[4]

Einteilung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Je nach Fachgebiet können unter anderem folgende Mikro- und Makroebenen unterschieden werden:

Fachgebiet Mikroebene Makroebene
Bildungswesen Schüler Schule
Demografie Person
Migrant
Einwohnerzahl
Migration
Finanzanalyse Aktienanalyse einer Aktie
Kreditanalyse eines Kredits
Portfolioanalyse (Aktienmarkt)
Analyse eines Kreditportfolios
Soziologie Individuum
Gruppe
Bevölkerung
Schicht
Wirtschaft Beschäftigter
Arbeitsentgelt
Güter
Arbeitsmarkt
Volkseinkommen
Gütermarkt, Weltmarkt

Der einzelne Schüler gehört zur Mikroebene, seine Schulklasse zur Mesoebene und die Schule zur Makroebene. Die Gruppe kann auch als Mesoebene eingeordnet werden, der Weltmarkt ist die globale Makroebene.

Sozialwissenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Coleman'sche Badewanne“

James Samuel Coleman entwickelte 1990 ein so genanntes „Makro-Mikro-Makro-Modell“, das einer Badewanne ähnelt und deshalb auch „Badewannen-Modell“ genannt wird.[5] Er untersuchte die Mikroebene hinsichtlich individueller Entscheidungen, Handlungen und Interaktionen im Hinblick auf soziale Phänomene (etwa eine Ehescheidung oder ein Selbstmord) und deren Rückwirkungen auf die Makroebene (Scheidungsquote oder Selbstmordrate).[6]

Wirtschaftswissenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Neokeynesianismus geht unter anderem davon aus, dass sich Schwankungen fundamentaler makroökonomischer Variablen (Beschäftigung, Volkseinkommen) nur erklären lassen, wenn Unvollkommenheiten auf der Mikroebene bestehen.[7] Derartige mikroökonomischen Unvollkommenheiten sind etwa starre Löhne und Preise. Das Zusammenwirken auf der Mikroebene (etwa individuelle Entscheidungsprozesse) ist so miteinander gekoppelt, dass ein makroskopisches Systemverhalten entsteht.[8] In der Wirtschaftstheorie werden auf der Mikroebene die Individualeinkommen nach Entstehung, Verwendung und Zusammenhängen mit anderen mikroökonomischen Variablen untersucht. Auf der Makroebene widmet sich die Perspektive dem Volkseinkommen und dem Sozialprodukt, das ebenfalls nach Entstehung, Verteilung und Verwendung untersucht wird.[9]

Makrodaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Makrodaten sind Daten aus der Makroebene. Makrodaten sind das Aggregat sachlich zusammengehöriger Mikrodaten. Dazu gehören vor allem volkswirtschaftliche Kennzahlen wie etwa das Bruttoinlandsprodukt; es wird aus der Aggregation aller Umsatzerlöse oder Erträge von einzelnen Wirtschaftssubjekten gewonnen. Während die Ethnodemografie auf der Mikroebene analysiert, untersucht die Demografie die Migration, Fertilität oder Mortalität auf der Makroebene.[10]

Mikro- und Makroebene[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine klare Trennlinie zwischen Mikro- und Makroebene kann oft nicht gezogen werden.[11] Beim „Mikro-Makro-Problem“ wird davon ausgegangen, dass empirische Untersuchungen auf zwei verschiedenen Ebenen erfolgen können, nämlich der Mikroebene (individuelle Entscheidungen, Handlungen und Interaktionen sozialer Akteure) und der Makroebene größerer sozialer Einheiten.[12]

Bislang unentschieden ist der methodische Streit zwischen den Makro- und den Mikrotheoretikern.[13] Gestritten wird, welche Forschungsrichtung die ergiebigere ist, die Mikroebene mit ihren Entscheidungsprozessen der Individuen und der Abwägung zwischen Kosten und Nutzen oder die Makroebene, die Strukturen und Funktionen gesellschaftlicher Organisationseinheiten (Organisationen, Institutionen, Klassen, Schichten) untersucht.

Der Contagion-Effekt kann dazu führen, dass Risiken auf der Mikroebene sich auf die übergeordneten Ebenen ausweiten können. So kann ein lokal begrenzter Streik zu einer Behinderung von Lieferketten führen, die auch in anderen Regionen zu Lieferengpässen beitragen können.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Christoph Weischer/Rainer Diaz-Bone (Hrsg.), Methoden-Lexikon für die Sozialwissenschaften, 2015, S. 253
  2. Sylvia Schütze, Mikro- und Makrosoziologie, in: Heidemarie Kemnitz/Klaus-Peter Horn/Winfried Marotzki (Hrsg.), Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft, 2012, S. 393
  3. Dieter Nohlen/Rainer-Olaf Schultze, Lexikon der Politikwissenschaft, Band I, 2010, S. 588
  4. Hanns Wienold/Otthein Rammstedt/Rüdiger Lautmann/Werner Fuchs-Heinritz, Lexikon zur Soziologie, 1994, S. 432
  5. James Samuel Coleman, Foundations of Social Theory, 1990, S. 2 ff.
  6. Christoph Weischer/Rainer Diaz-Bone (Hrsg.), Methoden-Lexikon für die Sozialwissenschaften, 2015, S. 252 f.
  7. Thorsten Hadeler, Gabler Volkswirtschafts-Lexikon, 1997, S. 776
  8. Thorsten Hadeler, Gabler Volkswirtschafts-Lexikon, 1997, S. 1043
  9. Göttrik Wewer/Hans Duggen, Schleswig-Holstein-Lexikon, 2002, S. 70
  10. Christoph Weischer/Rainer Diaz-Bone (Hrsg.), Methoden-Lexikon für die Sozialwissenschaften, 2015, S. 116
  11. Sascha Trültzsch, Kontextualisierte Medieninhaltsanalyse, 2009, S. 40
  12. Udo Kelle, Die Integration qualitativer und quantitativer Methoden in der empirischen Sozialforschung, 2008, S. 72
  13. Gerd Reinhold/Siegfried Lamnek/Helga Recker, Soziologie-Lexikon, 2000, S. 287