Krieg um den Agacher-Streifen

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Krieg um den Agacher-Streifen
Teil von: Malisch-Burkinischer Grenzkonflikt

Provinz Oudalan in Burkina Faso, die Nordgrenze der Provinz bildet den Agacher-Streifen
Datum 14. Dezember 1985 bis 30. Dezember 1985
Ort Grenze zwischen Mali und Burkina Faso (Provinz Oudalan)
Ausgang Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag
Territoriale Änderungen Teilung des Grenzstreifens
Folgen Überwachung der Einhaltung der Friedensbestimmungen durch eine Kommission aus Vertretern afrikanischer Staaten
Konfliktparteien

Burkina Faso Burkina Faso

Mali Mali

Befehlshaber

Hauptmann Thomas Sankara

Genéral Moussa Traoré

Truppenstärke

4.600 Mann

7.600 Mann

Verluste

141 Tote (?)

38 Tote (?)

Der Krieg um den Agacher-Streifen (auch Weihnachtskrieg,[1] und Malisch-Burkinischer Grenzkonflikt, frz. Guerre de la Bande d’Agacher) war ein vom 25. bis zum 30. Dezember 1985 von den beiden westafrikanischen Staaten Mali und Burkina Faso geführter Grenzkrieg.

Kriegsursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Grenzkonflikt wurzelte in jahrzehntealten Streitigkeiten um vier Dörfer in dem 160 km langen und 30 km breiten Wüstenstreifen Agacher, den Mali kontrollierte und in dem reichhaltige Bodenschätze (wie Erdgas, Mangan, Titan und Uran) vermutet werden. Nach der von Frankreich in der Kolonialzeit festgelegten Grenzziehung gehörte das Gebiet zu Burkina Faso, Mali versuchte jedoch die Grenze militärisch zu revidieren.

Vorgeschichte (Erster Agacher-Konflikt)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits im Dezember 1974 war es zu einem Grenzkonflikt zwischen Mali und Burkina Faso (damals noch Obervolta) gekommen, in welchem der spätere burkinische Präsident Thomas Sankara als Hauptmann die Einheiten Obervoltas befehligte.[2] Da es damals nur sporadische Schusswechsel gab, wird dieser Konflikt nicht als Krieg angesehen.

Durch die Vermittlung des senegalesischen Präsidenten Léopold Sédar Senghor verständigten sich Mali und Obervolta darauf, eine Schlichtungskommission aus Vertretern der Regierungen von Togo, Niger, Guinea und Senegal einzusetzen.[3] Diese Kommission beschloss ihrerseits, zur Festsetzung des Grenzverlaufes eine gemeinsame Expertenkommission (commission technique neutre), bestehend aus drei Kartographen, einem Ethnologen, einem Juristen und einem Sekretär einzusetzen.[4] Doch dazu kam es nicht.

Der „Weihnachtskrieg“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anlässlich einer landesweiten Volkszählung in Burkina Faso betraten am 14. Dezember 1985 einige der damit betrauten Beamten eine Siedlung, die nach Auffassung der malischen Regierung zu ihrem Territorium gehörte.[5] Deshalb schritten malische Grenzsoldaten gegen die Volkszähler ein. Burkinische Soldaten kamen den Landsleuten zur Hilfe. Der malische Präsident, General Moussa Traoré, forderte seinen burkinischen Amtskollegen Thomas Sankara auf, seine Truppen zurückzuziehen. Dies geschah am 20. Dezember.[6] Gleichwohl griffen malische Truppen am 25. Dezember 1985 an. Daraufhin ordnete die Regierung von Burkina Faso die Generalmobilmachung an. Sechs Tage lang, bis zum 30. Dezember 1985, kam es entlang der Grenze zu mehreren Scharmützeln. Die Zahl der Opfer ist unbekannt, sie wird auf mehr als 100 geschätzt.[7] Die meisten Toten fanden sich unter der Zivilbevölkerung, die bei der Bombardierung bzw. dem Beschuss der burkinischen Orte Ouahigouya, Nassoumbo und Djibo einerseits und des malischen Ortes Sikasso andererseits ums Leben kamen.[6]

Waffenstillstand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 26. und am 27. Dezember 1985 scheiterten zwei Versuche des libyschen Ministers für afrikanische Einheit, Ali Abdel Salam al-Traiki, und der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), ein Waffenstillstandsabkommen zu erreichen. Einen dritten Anlauf unternahm der westafrikanische Verteidigungspakt Accord de non-agression et de défense (ANAD), dem außer den beiden Konfliktparteien die Staaten Senegal, Elfenbeinküste, Mauretanien, Niger und Togo angehörten. Diese Initiative hatte schließlich am 30. Dezember 1985 Erfolg.

Schiedsspruch des Internationalen Gerichtshofes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mali und Burkina Faso riefen gemeinsam den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag an, um die Lage zu stabilisieren. Am 10. Januar 1986 forderte der IGH in einem vorläufigen Spruch beide Seiten zum freiwilligen Rückzug ihrer Truppen auf. Bei einer Konferenz der ANAD am 17. Januar 1986 in Yamoussoukro (Elfenbeinküste) erklärten sich die Staatschefs von Burkina Faso und Mali bereit, ihre Truppen in die jeweiligen Ausgangsstellungen zurückzunehmen. Eine Kommission aus Vertretern Libyens, Nigerias, Malis, Burkina Fasos und der OAU sollte die Einhaltung der Abmachungen überwachen.

Am 22. Dezember 1986 verkündete der IGH das Urteil, demzufolge Burkina Faso der südliche Teil des umstrittenen Grenzstreifens, das sogenannte „Drei-Flüsse-Gebiet“, zugesprochen wurde, während Mali den nördlichen Bereich um die „vier Dörfer“ erhielt. Beide Staaten nahmen das Urteil an.[6][8]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Frank Pfetsch (Hrsg.): Konflikte seit 1945 – Schwarzafrika. Daten – Fakten – Hintergründe. Ploetz Verlag, Freiburg 1990, ISBN 978-3-87640-357-1.
  • Emmanuel Salliot: A review of past security events in the Sahel 1967. OECD, Paris 2007; darin Kapitel 5: Border dispute and the „Christmas war“ between Mali and Burkina Faso 1985–86, S. 22–25.
  • Internationaler Gerichtshof: Affaire du différend frontalier (Burkina Faso/République du Mali). Accord, compromis, mémoire du Burkina Faso et annexes au mémoire. United Nations Publications, Den Haag 2007, ISBN 978-92-1-070829-6.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Frank Pfetsch (Hrsg.): Konflikte seit 1945 – Schwarzafrika. Daten – Fakten – Hintergründe. Ploetz Verlag, Freiburg 1990
  2. Gustav Fochler-Hauke (Hrsg.): Der Fischer Weltalmanach 1987. Frankfurt am Main 1986, S. 693.
  3. Revue génerale de droit international public, Jg. 79 (1975), S. 834.
  4. Internationaler Gerichtshof: Affaire du différend frontalier (Burkina Faso/République du Mali). Den Haag 2007, S. 58.
  5. Pierre Englebert: La révolution burkinabè. L’Harmattan, Paris 1986, ISBN 2-85802-756-0, S. 194.
  6. a b c Emmanuel Salliot: A review of past security events in the Sahel 1967. S. 22.
  7. Arès, herausgegeben von der Société pour le développement des études de défense et de sécurité internationale (SDEDSI), Lyon, Jg. 8 (1986), S. 187.
  8. Internationaler Gerichtshof: Case Concerning The Frontier Dispute (Burkina Faso/Republic Of Mali). Judgment of 22 December 1986, Archivierte Kopie (Memento vom 18. Januar 2016 im Internet Archive)