Mandukya-Upanishad

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Die Mandukya-Upanishad oder auch Mandukyopanishad ist die kürzeste der Upanishaden. Sie behandelt die Silbe Om, die drei psychologischen Bewusstseinszustände Wachen, Träumen und Tiefschlaf sowie den transzendenten vierten Zustand der Erleuchtung (Turiya).

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Manduk-Blüten (Oroxylum indicum)

Der Name Mandukya-Upanishad – माण्डुक्य उपनिषद् – māṇḍukya-upaniṣad – leitet sich wahrscheinlich von einem Weisen namens Manduka – माण्डुक – ab, dem Sohn der Manduki. In der Brihadaranyaka-Upanishad wird ein Hellseher gleichen Namens zusammen mit seinen Schülern, den Mandukeyas, erwähnt. Diese Mandukeyas treten auch im Bhagavata Purana auf, in dem sie von Indra einen Zweig des Rigveda anvertraut bekommen. Die hellseherischen Mandukeyas erscheinen auch mit Hymnen über Linguistik im Rigveda.

Die Manduki Shiksha ist eine etymologische Abhandlung über den Veda und erklärt außerdem die Musiknoten der Tonleiter.

Als Manduka wird auch ein spezieller Yoga bezeichnet – eine abstrakte Meditationsübung, bei der der asketisch lebende Meditierende bewegungslos in Froschhaltung sitzt. Mandukasana ist eine der in diesem Yoga verwendeten Asanas (Sitzhaltungen).

Auf Hindi bedeutet Manduk – मण्डूक – Blüte und bezeichnet insbesondere die zu den Trompetenbaumgewächsen gehörende Blütenpflanze Oroxylum indicum.

Datierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nakamura (2004) datiert die Mandukya-Upanishad auf das 1. oder 2. Jahrhundert.[1]

Hierzu die Ansicht von Olivelle (1998):

„Schließlich sind wir bei den beiden späten, in Prosa gehaltenen Upanishaden, nämlich der Prashna-Upanishad und der Mandukya-Upanishad. Sie dürften nicht viel älter als Christi Geburt sein.“

[2]

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Mandukya-Upanishad gehört zu den zehn Mukhya-Upanishaden und bildet einen Teil des Atharvaveda. Im Muktika-Kanon wird sie an sechster Stelle angeführt. Sie ist in Prosa abgehalten und besteht aus nur 12 Versen.

Ein Kommentar zur Mandukhya-Upanishad, der Māṇḍukya Kārikā, wurde im 8. Jahrhundert von Gaudapada geschrieben – eines der frühesten Werke über Advaita Vedanta.

Buddhistischer Einfluss[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut Hajime Nakamura wurde die Mandukya-Upanishad wesentlich vom Mahayana-Buddhismus beeinflusst. In ihr lassen sich viele buddhistische Begriffe und Ausdrücke finden, insbesondere das Konzept von der Leere (Sunyata).[1]

Die vier Bewusstseinszustände[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Mandukya-Upanishad beschreibt vier Bewusstseinszustände, nämlich Wachen (jagrat), Träumen (svapna) und Tiefschlaf (susupti). Diese drei Grundzustände korrespondieren mit den Drei Körpern des Sarira.[3]

Der erste Bewusstseinszustand, in dem wir unserer täglichen (Um)welt bewusst sind, ist Wachheit. Das Wachbewusstsein entspricht dem grobstofflichen Körper. Die Mandukya-Upanishad beschreibt es als nach außen gerichtete Wahrnehmung (bahish-prajna), von grober Natur (sthula) und universell (vaishvanara).

Der zweite Zustand ist der des träumenden Geistes. Er entspricht dem feinstofflichen Energiekörper. Seine Wahrnehmung geht nach innen (antah-prajna), ist feinstofflicher (pravivikta) und brennender Natur (Taijasa).

Der dritte Zustand ist der des Tiefschlafs. Er entspricht dem Kausalkörper. In diesem Zustand ist das unterlagernde Bewusstsein vollkommen ungestört. Shankara beschreibt diesen Zustand als

„Herrn über alles (sarv’-eshvara), Kenner von allem (sarva-jnya), Kontrolleur im Inneren (antar-yami), Quell aller Dinge (yonih sarvasya), Ursprung und Auflösung alles Erschaffenen (prabhav’-apyayau hi bhutanam).“

Der vierte Zustand ist Turiya, reines Bewusstsein. Es bildet den Hintergrund zu den anderen drei Bewusstseinszuständen bzw. unterlagert sie. In diesem Bewusstseinszustand werden sowohl absolutes Saguna Brahman als auch relatives Nirguna Brahman transzendiert.[4] In ihm wird Unendlichkeit (ananta) und Nicht-Abgesondertheit (advaita/abheda) wahrhaft erfahren. Er ist nicht-dualistisch, da keine Versuche stattfinden, die Realität in Konzepte (vipalka) zu zwängen.[5] Und schließlich erfolgt auch die Wahrnehmung von Ajativada, dem Zustand ohne Ursprung (wörtlich übersetzt Weg des Nicht-Geborenwerdens).

Om in der Mandukya-Upanishad[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der universelle Klang Om wird in der Mandukya-Upanishad erklärt

Das Wort aum besteht aus den drei mātrās (Buchstaben) A, U, und M, wobei das A den Wachzustand symbolisiert, in welchem wir mit unserem Geist und den Sinnesorganen nach außen gerichtet erleben. Das U vertritt den Traumzustand, in dem nach innen gerichtete Erlebnisse auftreten. Im Tiefschlaf, repräsentiert durch den Klang M, kann das von der Wunschnatur unbehelligte Bewusstsein sich auf sich selber konzentrieren.

Aber darüber hinaus gibt es noch einen vierten, transzendentalen Zustand, der

„weder Bewusstsein der subjektiven Innen- noch der objektiven Aussenwelt ist; weder handelt es sich um das Bewusstsein dieser beiden Welten vereint noch um eine Anhäufung von Bewusstsein schlichtweg; weder ist es einfach Bewusstsein noch Unbewusstsein. Vielmehr ist er unwahrnehmbar, unergründlich, unverständlich, undenkbar und unbeschreibbar. Es ist BEWUSSTSEIN, das sich in den drei Zustandsformen des Selbst manifestiert. In ihm nehmen alle Phänomene ein Ende. Es ist absoluter Frieden, reine Seligkeit und ohne Dualität. Dies ist, was als der Vierte (turiya) bezeichnet wird. Dies ist der Atman, den es zu erkennen gilt.“

Mandukya-Upanishad, Vers 7

Kommentare[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der älteste, jetzt noch vorliegende Kommentar der Mandukya-Upanishad wurde von Gaudapada, einem Vorläufer Shankaras, geschrieben. Dieser Māndūkya-kārikā ist die früheste Abhandlung über Advaita. Shankara schrieb etwas später seinen Kommentar zur Mandukya-Upanishad, wobei er die Upanishad mit dem Kārikā Gaudapadas verschmolz. Anandagiri kommentierte dann seinerseits Shankara in seinem Tīkā sehr ausführlich.

Gaudapada übernahm in seinem Kommentar die buddhistischen Doktrin vijñapti-mātra (die letztliche Realität ist reines Bewusstsein) und Catushkoti (die so genannte Vier-Ecken-Negation).[6] Gaudapada verwob beide Doktrin mit der Philosophie der Mandukya-Upanishad, was dann später von Shankara weiter ausgebaut wurde.

Rezeption im modernen Hinduismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Laut Radhakrishnan enthält die Mandukya-Upanishad eine fundamentale Herangehensweise an die letztliche Realität.[7]

Sikh-Übersetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für Sikh-Gelehrte stellt die Mandukya-Upanishad eine der faszinierendsten Upanishaden dar, da sie von den vier Seinszuständen handelt. Guru Gobind Singh ließ sie 1689 in Anandpur übersetzen.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Nakamura, Hajime: A History of Early Vedānta Philosophy, Part 2. Motilal Banarsidass Publ., 2004.
  2. Olivelle, Patrick: The Early Upanishads. Oxford University Press, 1998.
  3. Ken Wilber: Integral Psychology. Shambhala Publications, 2000, S. 132.
  4. Sarma, Chandradhar: The Advaita Tradition in Indian Philosophy. Motilal Banarsidass, Delhi 1996.
  5. King, Richard: Early Advaita Vedānta and Buddhism: The Mahāyāna Context of the Gauḍapādīya-kārikā. SUNY Press, 1995.
  6. Raju, P.T.: The Philosophical Traditions of India. Motilal Banarsidass Publishers Private Limited, Delhi 1992.
  7. S. Radhakrishnan: The Principal Upanishads. George Allen and Unwin, 1969.