Marsilius-Kolleg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Marsilius-Arkaden, Heidelberg

Das Marsilius-Kolleg ist ein interdisziplinäres Kolleg der Universität Heidelberg. Es wurde 2007 im Rahmen des vom Wissenschaftsrat bewilligten Antrags der Universität in der dritten Förderlinie der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder als „Institute for Advanced Study“ eingerichtet.[1] Übergreifendes Ziel des Marsilius-Kollegs ist es, das Gespräch zwischen verschiedenen Wissenschaftskulturen (Lebenswissenschaften, Naturwissenschaften, Sozial- und Rechtswissenschaften, Geistes- und Kulturwissenschaften) am Wissenschaftsstandort Heidelberg zu fördern sowie disziplinübergreifende Forschungsprojekte zu initiieren und zu konkretisieren. Damit einhergehend widmet sich das Kolleg auch zunehmend dem Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.

Das Kolleg ist nach dem Gründungsrektor der Universität Heidelberg, Marsilius von Inghen, benannt.

Hochschulpolitischer Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausgangspunkt der Gründung des Marsilius-Kollegs war eine Diskussion über die Zukunft des Modells der Volluniversität im Rahmen der Antragstellung für die Exzellenzinitiative.

Das Marsilius-Kolleg ist eine institutionelle Antwort auf die Probleme ständig zunehmender wissenschaftlicher Spezialisierung und der damit verbundenen Isolierung der Wissenschaftskulturen. Beabsichtigt wird eine Vernetzung der Wissenschaftskulturen auf der Grundlage und nicht auf Kosten disziplinärer Spezialisierung. Durch das Marsilius-Kolleg sollen insbesondere auch die experimentell arbeitenden Natur- und Lebenswissenschaften in den interdisziplinären Dialog eingebunden werden, da diese an den bestehenden „Institutes for Advanced Study“ aufgrund ihrer stärkeren Ortsgebundenheit (Labore und Arbeitsgruppen) nur selten partizipieren können.

Ziele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Marsilius-Kolleg verfolgt gemäß der vom Senat der Universität Heidelberg verabschiedeten Satzung die folgenden Ziele:[2]

  • Förderung des Dialogs zwischen den Vertretern verschiedener Wissenschaftskulturen im Rahmen eines integrativen Verständnisses von Natur, Geist und Kultur
  • Netzwerkbildung innerhalb der Universität sowie zwischen ihr und den im Raum Heidelberg angesiedelten außeruniversitären Forschungseinrichtungen und mit ausgewählten nationalen und internationalen Partnern
  • Initiierung neuer Forschungsprojekte, die eine einzelne Wissenschaftskultur überschreiten
  • Durchführung solcher Forschungsprojekte auch unter Einbeziehung von Nachwuchswissenschaftlern
  • Vermittlung der gewonnenen Erkenntnisse in die universitäre und außeruniversitäre Öffentlichkeit
  • Durchführung interdisziplinärer Lehrveranstaltungen im Rahmen der Marsilius-Studien nach der Satzung der Marsilius-Studien[3]

Instrumente interdisziplinärer Zusammenarbeit am Marsilius-Kolleg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um die genannten Ziele zu erreichen, wurden folgende Instrumente entwickelt:

Fellows[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Universität beruft jedes Jahr 10 bis 15 Wissenschaftler als Fellows des Marsilius-Kollegs.[4] Die Fellows bearbeiten am Kolleg Arbeitsvorhaben, die die Zusammenarbeit unterschiedlicher Wissenschaftskulturen erfordern. Die wöchentlichen Diskussionen der Fellows bilden den Kern des Marsilius-Kollegs. Die Fellows des Marsilius-Kollegs werden nach eingehender Bewerbung auf Vorschlag des Auswahlausschusses, dem auch externe Wissenschaftler angehören, vom Rektorat berufen.

Ziel der Fellowships ist es auch, längerfristige interdisziplinäre Forschungsprojekte zu initiieren (z. B. Marsilius-Projekte)[5], die entweder durch externe Drittmittelgeber oder durch das Kolleg selbst gefördert werden können.

Young Marsilius Fellows[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab 2021 wird das Young Marsilius Fellow Program for Interdisciplinarity and Science Communication (YMFP) eingerichtet.[6]

Konzipiert für Postdoktoranden und weit fortgeschrittene Doktoranden der Universität Heidelberg und der umliegenden außeruniversitären Forschungseinrichtungen, umfassen die einjährigen Fellowships die Zusammenarbeit an einem gemeinsam entwickelten interdisziplinären Projekt sowie Workshops zum Thema Wissenschaftskommunikation. Umfang, Inhalte und Ausrichtung der Young Marsilius Fellowships sind auf die Besonderheiten der Karrierestufe von Postdoktoranden angepasst. Die jährlichen Projekte der interdisziplinären Zusammenarbeit der YM-Fellow-Klassen stehen unter einem für alle Disziplinen anschlussfähigen Jahresmotto (z. B. 2021 „Freund & Feind“).

Marsilius-Studien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf Anregung von Studierenden wurden 2010 die „Marsilius-Studien“, ein ergänzendes interdisziplinäres Studienprogramm, eingerichtet.[7]

Die Marsilius-Studien dienen der Möglichkeit, dem akademischen Nachwuchs einen Zugang zur interdisziplinären Grundlagenforschung zu eröffnen. Teilnehmende können andere Wissenschaftskulturen kennenlernen und das Erlernte mit den Theorien und Methoden ihrer eigenen Disziplin verknüpfen.[3]

Um das Zertifikat zu erhalten, müssen Absolvent zwei Brücken-Seminare der Marsilius-Studien absolvieren sowie an einer dem eigenen Studienfach fremden Veranstaltung teilnehmen. Als Abschlussleistung halten die Studierenden einen Fachvortrag für ein fachfremdes Publikum, zu dessen Vorbereitung sie von einem/einer Fellow des Marsilius-Kollegs als Mentor begleitet werden.

Marsilius-Vorlesungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Marsilius-Kolleg organisiert jedes Semester eine „Marsilius-Vorlesung“,[8] bei der namhafte Wissenschaftler aus unterschiedlichen Bereichen zu disziplinenübergreifenden Themen sprechen. Diese werden dort mit der „Marsilius-Medaille“ ausgezeichnet, die für besondere Verdienste für das Gespräch zwischen den Wissenschaftskulturen verliehen wird. Redner und Preisträger waren bislang:

Datum Festredner Wissenschaftsdisziplin Vorlesungsthema
22.07.2021 Antje Boetius Meeres- & Polarforschung Mensch und Meer – zur Zukunft von Ozeanen und Polarregionen
04.02.2021 Lambert Wiesing Philosophie Wahrnehmung und Selbstbewusstsein
16.07.2020 Bernhard Schölkopf Informatik Symbolische, Statistische und Kausale Intelligenz
30.01.2020 Angelika Nußberger Rechtswissenschaft Europa, deine Menschenrechte
23.05.2019 Daniel Jobst Müller Biophysik Engineering Molekularer und Zellulärer Systeme für ein besseres Leben
31.01.2019 Hermann Parzinger Kulturgutforschung Kulturgut auf Abwegen. Zwischen Provenienzforschung, Wiedergutmachung und Shared Heritage
17.05.2018 Petra Schwille Biophysik Leben. Der (kleine) Schritt zur belebten Materie
30.11.2017 Marina Münkler Germanistik Fremdheit. Mittelalterliche Lösungen und moderne Probleme
01.06.2017 Kevin Esvelt Biotechnologie Wisely Engineering Shared Ecosystems. Leveraging gene drive to ensure open and community-responsive genetic engineering research
26.01.2017 Elke Seefried Geschichtswissenschaft Zukünfte. Eine Geschichte der Zukunftsforschung seit 1945
12.05.2016 Joachim von Braun Agrarökonomie Bioökonomie: Nachhaltig leben und wirtschaften
03.02.2016 Jutta Allmendinger Soziologie Wissenschaft als Berufung? Karrieren im Wissenschaftssystem des 21. Jahrhunderts
11.06.2015 Elio Riboli Medizin und Public Health Can we prevent Chronic Disease? The role of Nutrition and Lifestyle
29.01.2015 Melanie Wald-Fuhrmann Musikwissenschaft Warum lieben Sie Brahms? Musikgeschmacksforschung zwischen Historie, Soziologie und Neurowissenschaft
05.06.2014 Felix Schürmann Physik „Wettlauf ums Gehirn?“ – Das europäische Human Brain Project
06.02.2014 Hans-Jörg Rheinberger Wissenschaftsgeschichte Natur und Kultur im Spiegel des Wissens
16.05.2013 Onur Güntürkün Neurowissenschaften Die Evolution des Denkens
07.02.2013 Alvin Roth Wirtschaftswissenschaften Kidney Exchange and other market and near-market approaches to transplantation
10.05.2012 Simon White Astrophysik Kosmische Evolution: Der Ursprung unseres Universums
01.02.2012 Edna Foa Medizin und Psychiatrie Post-traumatic Stress: Etiology and treatment taking social aspects into account
30.06.2011 Douglas Price Archäometrie Isotopes and ancient teeth: A new window on the human past
03.02.2011 Gerd Gigerenzer Psychologie Die Illusion der Gewissheit: Wie wir uns von Statistiken verwirren lassen
08.07.2010 Jörg Widmann Komposition & Klarinette „Die Zukunft soll das höhere Echo der Vergangenheit sein“ (Robert Schumann) – Über Tradition und Innovation in der Musik
04.02.2010 Christiane Nüsslein-Volhard Biologie Wachstum in Natur und Kultur
02.07.2009 Dieter Grimm Rechtswissenschaft Die Kunst ist frei – aber was ist Kunst?
19.02.2009 Wolfgang Frühwald Germanistik „Lies nur die linken Seiten eines Buches!“ – Über Mehrung und Zerfall moderner Wissenswelten
18.07.2008 Günter Blobel Biomedizin Die Zelle als Kunstwerk

Marsilius kontrovers[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Veranstaltungsformat „Marsilius kontrovers“ ist als Diskussion zwischen einer Expertengruppe, bestehend aus Fellows des Kollegs, und dem Publikum zu einem gesellschaftlich relevanten Thema konzipiert.[9] Nachdem die Wissenschaftler ihre Forschung zu der Thematik aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven in Kurzvorträgen präsentiert haben, besteht die Möglichkeit für das Publikum, kritische Rückfragen zu stellen und in einen Dialog zu treten.

Gastprofessur für Wissenschaftskommunikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf die Nature-Marsilius Gastprofessur für Wissenschaftskommunikation (ehem. Springer Nature Gastprofessur) werden Experten berufen, die im Rahmen eigener Veranstaltungen Anregungen und Erkenntnisse um den Themenkomplex Berichterstattung und Kommunikation in der Wissenschaft bieten und das Bewusstsein dafür schärfen sollen.[10]

Die Nature-Marsilius Gastprofessur ist eine gemeinsame Initiative der Holtzbrinck Berlin (ehem. Holtzbrinck Publishing Group), der Klaus Tschira Stiftung (KTS) und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

Alle bisherigen und aktuellen Gastdozierenden:

Gastdozierende
Wintersemester 2018/2019 Sir Philip Campbell (Editor-in-Chief von Springer Nature)
Wintersemester 2019/2020 Dagmar Röhrlich (Wissenschaftsjournalistin)
2021/2022 Eva Wolfangel
2022/2023 Ionica Smeets
Wintersemester 2022/2023 Mai Thi Nguyen-Kim (Wissenschaftsjournalistin und Fernsehmoderatorin)
2023/2024 Michele Catanzaro

Das Direktorium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Marsilius-Kolleg wird von zwei Direktoren aus unterschiedlichen Wissenschaftskulturen geleitet, die dem Rektorat der Universität Heidelberg berichten. Sie werden vom Senat der Universität für drei Jahre gewählt.

Amtszeit Direktorium
Seit 2020 Michael Boutros (Genomforschung) & Friederike Nüssel (Systematische Theologie)
2014–2020 Thomas Rausch (Molekulare Pflanzenbiologie) & Bernd Schneidmüller (Mittelalterliche Geschichte)
2007–2014 Gründungsdirektoren: Hans-Georg Kräusslich (Virologie) & Wolfgang Schluchter (Soziologie)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ergebnisse der Frühjahrssitzungen des Wissenschaftsrats (21.–23. April 2021), auf wissenschaftsrat.de
  2. Satzung des Marsilius-Kollegs, auf marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de
  3. a b Satzung der Marsilius-Studien, auf marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de
  4. Fellows, auf marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de
  5. Projekte, auf marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de
  6. Young Marsilius Fellows, auf marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de
  7. Marsilius-Studien, auf marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de
  8. Marsilius-Vorlesungen, auf marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de
  9. Marsilius kontrovers, auf marsilius-kolleg.uni-heidelberg.de
  10. Springer Nature Gastprofessur, auf uni-heidelberg.de