Max Michailow

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Max Michailow, eigentlich Mordechaj Finkelstein[1] (* 11. Mai 1912 in Berlin; † 19. Februar 1991 in München), war ein deutscher Geiger und Konzertmeister.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges mit seinem Vater, dem Geiger und Kapellenleiter Michail Michailow und seiner Mutter, der Tochter des Konzertmeisters Polischuk, nach Schweden geflüchtet, bekam Finkelstein Geigenunterricht von Leopold Auer. Nach dem Krieg kehrte er mit seinen Eltern nach Berlin zurück und begann am 1. September 1926 am Sternschen Konservatorium zu Berlin, wo auch bereits sein Vater studiert hatte, ein Geigenstudium als Max Michailow. Er wurde am Ende in die Meisterklasse von Alexander Petschnikoff aufgenommen. Daneben reiste er als „Wunderkind“ durch Europa. Wie schon sein Vater 1914, so wurde auch er für seine Leistung als Violinist am 12. Juni 1929 mit der Gustav-Hollaender-Medaille ausgezeichnet.

Anfang 1933 sollte Max Michailow Mitglied der Berliner Philharmoniker werden, was die Machtergreifung der Nationalsozialisten verhinderte. Die folgenden Monate erschütterten Michailows Gesundheit so sehr, dass er an Tuberkulose erkrankte und die Jahre 1934 und 1935 in Davos zur Kur verbrachte.

Nach Verabschiedung der Nürnberger Rassegesetze am 15. September 1935 schien seine Karriere in Deutschland beendet. Er konnte nur noch beim Jüdischen Kulturbund und wegen des Decknamenverbots[2] auch nur unter seinem eigentlichen Namen Mordechaj Finkelstein auftreten. Im Frühjahr 1941 wurde er zu Zwangsarbeit eingezogen. 1943 gelang es ihm, unterzutauchen. Er überlebte in Treppenhäusern und Kellern von ausgebombten Gebäuden, wurde bei einem Bombenangriff schwer verletzt und erlitt eine Nervenlähmung. Einen Arzt konnte er nicht aufsuchen. Nach der Genesung schloss er sich einer Widerstandsgruppe an.[3] In den letzten Kriegsmonaten versteckte Frida Fischer ihn und seine Mutter vor den Nazis.[4]

1945 half er in Berlin unter sowjetischer Besatzung das Rundfunk-Sinfonieorchester wieder aufzubauen.[5] Seiner Kriegsverletzungen wegen konnte er erst 1948 wieder eine Geige in die Hand nehmen. Mit dem Berliner Sinfonieorchester unter der Leitung von Artur Rother stellte er sich mit Tschaikowskis Violinkonzert wieder dem Publikum.

In den nächsten Jahren war er Konzertmeister beim Berliner Rundfunk.[6] Daneben leitete er ein Kammerquartett, bestehend aus Helmut Pietsch (2. Geige), Hugo Fricke (Viola) und Werner Haupt (Violoncello).[7] Es war im Rundfunk der DDR oft zu hören. Auch nahm er für die staatliche Gesellschaft Eterna / VEB Deutsche Schallplatte auf. Sein Klavierbegleiter war dabei häufig Erwin Milzkott.

Nach dem Bau der Berliner Mauer verließ Michailow 1961 die DDR und ging nach München, wo er eine Stelle als Erster Konzertmeister beim Rundfunk erhielt.[8] Auch im Westen machte er Schallplattenaufnahmen, diesmal bei Telefunken.[9] 1975 musste er den Posten aus Gesundheitsgründen aufgeben, da ihm die Kriegsfolgen schwer zu schaffen machten. Er starb am 19. Februar 1991 in München.

In der Ende Oktober 2009 in Berlin-Mitte in der Rosenthaler Straße 39 eröffneten „Gedenkstätte Stille Helden“ wird u. a. auch an das Schicksal von Max Michailow erinnert.[10]

Tondokumente[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[11][12]

  • Rimski-Korsakow (1844–1908): Chant Hindu : (Hindu-Lied) aus der Oper „Sadko“. Max Michailow (Violine), Erwin Milzkott (Klavier) Telefunken A 10 942 (Matrizennummer 35 829) DNB
  • M. Michailow sen.: Gavotte, Op. 2. Max Michailow (Violine), Erwin Milzkott (Klavier). Telefunken A 10 942 (Matrizennummer 35 831) DNB
  • Max Butting: Kleine Kammermusik, opus 70. Erwin Milzkott (Flöte), Erich Erthel (Englischhorn), Max Michailow (Violine), Werner Haupt (Violoncello). Eterna / Lied der Zeit Berlin 20/41.
    • I. Satz: Scherzo. ET 20-6287 (Matrizennummer ET 20 6287) DNB
    • II. Satz: Danza. ET 20-6288 (Matrizennummer ET 20 6288) DNB
    • III. Satz: Canzonetta. ET 20-6289 (Matrizennummer ET 20 6289) DNB
    • IV. Satz: Variazioni senza tema. ET 20-6290 (Matrizennummer ET 20 6290) DNB

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Horst J. P. Bergmeier und Rainer E. Lotz: Das Rätsel des M. Michailow. In: Fox auf 78. Heft 19, Frühjahr 2000, S. 16–19.
  • Axel Jockwer: Unterhaltungsmusik im Dritten Reich. Diss., Universität Konstanz 2005. (Online)
  • Alexander Kulpok: Stille Helden in Berlin. In: Reinickendorfer Zeitung, Nr. 2, Dez 08/Jan 09, S. 3.
  • Rainer E. Lotz: German Ragtime and Prehistory Of Jazz. Storyville Publications, Chigwell 1985.
  • O. Verf.: Das Michailow Quartett – Zu unserer Sendung am Montag 15.45 Uhr, Berliner Rundfunk. In: Unser Rundfunk, Nr. 47/55, S. 8.
  • Theophil Stengel, Herbert Gerigk (Bearb.): Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen. (= Veröffentlichungen des Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage, Bd. 2.) Bernhard Hahnefeld, Berlin 1941.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abbildungen
  • Photo, beschrieben wie folgt: Mit Beethoven-Mähne – Willy Steiner dirigiert das Kleine Orchester des Deutschlandsenders und des Reichssenders Berlin bei "Wunschkonzerten für die deutsche Wehrmacht". Berlin, Haus des Rundfunks, Saal 1, September/Anfang Oktober 1939. Der schwarzhaarige Geiger rechts ist Max Michailow, Konzertmeister. Diese Funktion hatte er nach der Kapitulation auch im Nachfolgeorchester des Großen Funkorchesters, dem Berliner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, inne. Quelle: Der Deutsche Rundfunk / Funk Post (Titelgebung in deutscher Schrift), Berlin, 15. Oktober 1939.
  • Abraham Pisarek: Photos vom Konzert des Violinisten Max Michailow im Haus des Rundfunks 1948.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Stengel-Gerigk sp. 74 und 208 nennt ihn ‘Morduch (Max)’; Michailow sen. wird dort nicht geführt.
  2. „Verbot ausländischer Decknamen“ vom 16. Oktober 1935, trat am 1. November 1935 in Kraft, vgl. Jockwer S. 104, 155–156, 367, 567.
  3. Horst J. P. Bergmeier und Rainer E. Lotz: Das Rätsel des M. Michailow. In: Fox auf 78. Heft 19, Frühjahr 2000, S. 17.
  4. vgl. A. Kulpok: Stille Helden in Berlin, in: Reinickendorfer Zeitung.
  5. vgl. Artikel von Barnabás: Das Haus des Rundfunks und seine Rolle während des Musikalischen Neuanfangs. Bei grammophon-platten.de: Einer der ersten war der jüdische Violinist Max Michailow, er bot sich der Militärregierung an und sorgte für die ersten Aufräumarbeiten im Haus des Rundfunks. Michailow war in den 30er Jahren bis 1940 Konzertmeister im Orchester des jüdischen Kulturbundes in Berlin, wo er unter anderen Leiter eines Streichquartetts war.
  6. Vgl. die Erinnerungen von Manfred Ganady: Im Ostteil der Stadt wurde das „Berliner Sinfonie-Orchester“ (BSO) gegründet; seine ersten Dirigenten waren Hans Hildebrandt und Paul Dörrie ... Und es gab das ausgezeichnete Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB, gegründet 1923!) mit den Dirigenten Hermann Abendroth und Rolf Kleinert und dem Konzertmeister Max Michailow. [1]
  7. Die Ausgabe der Radiozeitung Unser Rundfunk vom 4. November 1955 zeigt ein ganzseitiges Photo des Quartetts.
  8. Aufnahmen mit dessen Orchester erschienen später auch auf LP und CD. Vgl. Poème von Zdeněk Fibich mit dem Rundfunk-Orchester München unter Werner Schmidt-Boelcke auf LP »Klassik Wünsche«, Label: Parnass – 38 344 8, F 2. Oder Schwarze Augen auf der CD »Ein Russisches Märchen (Beliebte Lieder Und Neue Melodien Aus Dem Lande Schiwagos)« Label: SR International – 65 267 7, Format: 3 × CD, Compilation, CD 2, Track 5. Oder die Meditation aus Thais von Massenet auf Platte K Track 3 des 10-LP-Sets »Klingender Hausschatz Unvergänglicher Melodien« (Label: Marcato – 38 677 1, Eurodisc – 38 677 1, Format: 10 × Vinyl LP).
  9. vgl. Liste bei Dismarc.org.
  10. Alexander Kulpok: Ende Oktober wurde in Berlin-Mitte in der Rosenthaler Straße 39 die „Gedenkstätte Stille Helden“ eröffnet. Sie erinnert an jene Deutschen, die während der NS-Zeit auf besondere Art Widerstand leisteten, indem sie verfolgte Juden unterstützten. Ein bislang wenig beleuchtetes historisches Kapitel ... Hier die Geschichte einer „stillen Heldin“ aus Berlin-Neukölln – in Kurzform erzählt aus der damals unbekümmerten Perspektive eines kindlichen Augenzeugen .... Aus: Stille Helden in Berlin – Frida und die Rettung des Max Michailow. In: Reinickendorfer Zeitung, Dez. 2008 / Jan. 2009. Zitiert nach der Website des Autors, abgerufen am 28. Juni 2013.
  11. Diskographie des Künstlers bei CHARM, enthält 12 Titel.
  12. [2] Dismarc.org listet 10 Titel mit Michailow und Milzkott.