Moriori

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Die Moriori waren ein Volk polynesischer Herkunft, das etwa ab 1500[1] auf den neuseeländischen Chathaminseln siedelte und dort bis Anfang des 19. Jahrhunderts weitgehend ungestört lebte. 1835 fielen die beiden Māori-Stämme der Ngāti Mutunga und der Ngāti Tama von der Nordinsel Neuseelands in ihr Stammesgebiet ein. Über 200 Moriori[2] wurden dabei getötet und die Überlebenden versklavt.[3] Der Stamm als solcher gilt heute als ausgestorben.

Bei der Volkszählung 2006 gaben 942 Einwohner Neuseelands an, Nachfahren der Moriori zu sein. Die Nennungen verteilten sich über das gesamte Land, wobei aber die Region Canterbury mit 192 und die Region Auckland mit 132 Schwerpunkte darstellten.[4]

Moriori-Baumschnitzerei, Chathaminseln (1900)

Abstammung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es wurde ursprünglich einmal angenommen, dass die Moriori ein melanesisches Volk waren.[5] Die wissenschaftliche Erforschung der Abstammung der Moriori begann um 1894. Der erste Gelehrte, der sich mit dieser Frage beschäftigte, war Dr. John H. Scott, und zwar auf der Basis von 38 Personen, an denen er seine ersten Forschungen durchführte. Scott ging davon aus, dass Māori und Moriori grundsätzlich von den Polynesiern abstammten, aber je nach Iwi unterschiedlich starke melanesische Einflüsse aufwiesen.[6] In der Folge beschäftigten sich einige Wissenschaftler mit der Abstammungsfrage. Doch die Anzahl der Moriori, die keiner Mischehe entstammten, nahm ständig und rapide ab. Tame Horomona Rehe, der Letzte der Moriori, verstarb am 19. März 1933.[7] So wurde es für die Wissenschaftler zusehends schwieriger, an lebenden Beispielen zu forschen. Heute gehen Anthropologen davon aus, dass die Moriori rein polynesischer Abstammung waren und je nach Auslegung zwischen dem 9. und dem 16. Jahrhundert auf den Chatham-Inseln siedelten.[8] Meist wird aber um 1500 als Besiedelungszeitpunkt angegeben.[5] Durch die isolierte Lage der Inselgruppe entwickelte sich unter den Moriori eine eigenständige Sprache und Kultur, sodass man sie als ein von den Māori unterscheidbares, eigenständiges Volk betrachten kann.

Namensherkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Schreibweise des Namens der Moriori ist höchst unterschiedlich und reicht von Mōriori über Mooriori, Mouriuri, Maioriori, Maoriori bis hin zur jetzt gebräuchlichen englischen Form Moriori, wobei das erste „o“ lang ausgesprochen wird.[9] Über die Entstehungsweise des Namens und seine unterschiedlichen Ausprägungen gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Es wird angenommen, dass sich die Moriori, als die ersten Māori zu den Inseln herüberkamen oder die ersten Europäer die Chathams betraten, selbst so benannten. Sie taten dies nicht, um sich als eine bestimmte Rasse zu bezeichnen, denn aus ihrer Sicht gab es nur Bezeichnungen für ihre Stämme, sondern dem Gegenüber zu dokumentieren, dass sie ein anderer Stamm waren.[10] Entsprechend dem Dictionary of the Maori Language von Herbert W. Williams wird das Wort Māori mit ordinary people of a place (gewöhnliches Volk eines Ortes) übersetzt.[11] Die Ableitungen davon wurden als Bezeichnung für die Bewohner der Chatham Islands erst nach der Ankunft der Europäer verwendet.[12]

Einflüsse von außen und Verdrängung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Den vermutlich ersten Kontakt zu Europäern hatten die Moriori am 29. November 1791. An diesem Tag ging Leutnant William Robert Broughton mit der Chatham vor Rēkohu, der Hauptinsel der Inselgruppe, vor Anker. Bei dem Versuch, einen Tauschhandel mit den Moriori einzugehen, kam es zu Missverständnissen und in Folge zu Kampfhandlungen, bei denen einer der Moriori getötet wurde. Nach der Abreise Broughtons beschlossen die Stämme, Fremden zukünftig wohlwollend zu begegnen und Konflikte friedlich lösen zu wollen (Nunukus Gesetz), ein Entschluss, der ihnen später zum Verhängnis werden sollte.[13] Vor der Abreise der Chatham schlug William Broughton die britische Flagge in den Boden, gab der Hauptinsel den Namen seines Schiffes und beanspruchte das Land für King George III.[3]

Anfang 1800 hatten sich bereits einige Walfänger und Seehundjäger auf den Chatham-Inseln niedergelassen und um 1827 herum und in den Folgejahren sollen größere Mengen Schweinefleisch von den Chatham-Inseln nach Neuseeland transportiert worden sein.[14] Gut 35 Jahre nach Broughtons Landung kamen die Moriori in Kontakt zu sechs Schiffbrüchigen der Brigg Glory, die am 15. Januar 1827 vor Pitt Island havarierte und sank. Es wird angenommen, dass die sechs Überlebenden mit einem Kanu der Moriori zurück nach Neuseeland segeln konnten und schließlich die Bay of Islands sicher erreichten.[15]

Am 17. November 1835 kam Kapitän John Harewood mit der Lord Rodney, begleitet von rund 500 Māori der Stämme Ngāti Mutunga und der Ngāti Tama zu den Chatham Islands. Andere Quellen sprechen von 900 Okkupanten, die in zwei Transporten zu den Inseln kamen.[3] Die von der strapaziösen dreitägigen Überfahrt geschwächten Māori wurden gastfreundlich empfangen. Doch bei später aufkommenden Konflikten gingen die kriegerischen Māori zum Angriff über, töteten über 200 Moriori und versklavten die Überlebenden.[16] Am 5. Juli 1866 wurden die Chatham Islands zu einer Strafkolonie umfunktioniert, in der die im Rahmen der militärischen Niederschlagung der religiösen Bewegung Pai Mārire gefangen genommenen Māori inhaftiert wurden. Unter ihnen war Te Kooti, der zwei Jahre später am 4. Juli 1868 mit 300 Gefolgsleuten mittels des gekaperten Schoners Rifleman entkommen konnte.[17]

Rhys Richards ging in seiner Publikation 1972 davon aus, dass um 1791 noch 2.000 Moriori auf den Inseln der Chatham Islands gelebt haben müssen,[14] wogegen 1862 der Moriori Council der 101 noch überlebenden Moriori eine Namensliste der 1.663 Moriori erstellte, die kurz vor der Invasion durch die Māori im Jahr 1835 auf den Inseln gelebt hatten.[18] Der Rückgang der Einwohnerzahl von 1791 bis 1835 ergab sich durch die von Europäern eingeschleppten Krankheiten, an denen viele starben. Der Verlust von über 1.500 Bewohnern von 1835 bis 1862 war der Tötung, Versklavung und Verschleppung durch die von der Nordinsel Neuseelands eingefallenen Māori geschuldet. Der letzte Moriori verstarb am 19. März 1933. Tame Horomona Rehe hatte es durch die Tatsache, der letzte Überlebende seines Stammes zu sein, zu einer gewissen Bekanntheit gebracht.[7]

Waitangi Tribunal[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 1990er Jahren fingen die Nachfahren der Moriori an, sich in der Öffentlichkeit vermehrt als The First Chatham Islanders (die ersten Chatham-Inselbewohner) darzustellen.[19] Sie trugen ihre Ansprüche an den Chatham Islands erstmals am 9. Mai 1994 dem Waitangi Tribunal vor, das zu diesem Zweck zur ersten Anhörung in der Waitangi Hall auf den Chatham Islands stattfand. Seit dieser Zeit gab es 14 Anhörungen mit dem Ergebnis eines ersten Reports, der am 25. Mai 2001 erstellt wurde.[20]

Der Report stellte klar, dass die Versklavung der Moriori im Jahre 1835 auch nach der Annexion der Inseln durch die britische Krone im Jahre 1842 noch über 20 Jahre lang stattfand und damit seitens der Krone gegen den Slavery Abolition Act von 1833 und die damaligen Menschenrechtsstandards verstoßen wurde. Weiterhin wurde festgestellt, dass Landentschädigungen nicht in ausreichendem Maße und zu ungerechten Preisen stattgefunden hatten. Es wurde unterstellt, dass mindestens die Hälfte des Landes hätte zurückgegeben werden müssen.[21] Verhandlungen darüber begannen im Jahr 2004.

Gegenwart[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die neuseeländische Bildungsministerin Anne Tolley präsentierte im März 2011 acht neue School Journals (Schulbücher), in denen die Geschichte und Kultur der Moriori neu dargestellt wurde.[22] Sie stellte diese Bücher mit einem symbolischen Akt im Kopinga Marae auf den Chatham Islands vor und bemerkte, dass „zum ersten Mal die Moriori eine authentische Stimme in den School Journals hätten“.[23]

169 Jahre nach der Inbesitznahme der Chatham Islands wurde schlussendlich den Vorurteilen gegenüber Herkunft, Kultur und Charakter der Moriori, die häufig als primitives, faules und heimtückisches „Naturvolk“ dargestellt wurden,[24] offiziell begegnet.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael King: Moriori: a People Rediscovered. Penguin Books (N.Z.), Auckland 2000, ISBN 0-14-010391-0 (englisch, Überarbeitete Version des Buches aus dem Jahr 1989).
  • Ross Clark: Moriori and Maori: The Linguistic Evidence. In: Douglas G. Sutton (Hrsg.): The Origins of the First New Zealanders. Auckland University Press, Auckland 1994, ISBN 1-86940-098-4, S. 123–135 (englisch).
  • Harry Lionel Shapiro: The physical anthropology of the Maori-Moriori. In: The University of Auckland (Hrsg.): The Journal of the Polynesian Society. Volume 49, No. 193. Auckland 1940, S. 1–16 (englisch, Online [abgerufen am 3. Juli 2011]).
  • Rhys Richards: A tentative population distribution map of the Morioris of Chatham Island, circa 1790. In: The University of Auckland (Hrsg.): Journal of the Polynesian Society. Volume 81, No. 3. Auckland 1972, S. 350–374 (englisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • About Moriori. Hokotehi Moriori Trust, abgerufen am 3. Juli 2011 (englisch).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Atholl John Anderson: Origins, Settlement and Society of Pre-European South Polynesia. In: Giselle Byrnes (Hrsg.): The New Oxford History of New Zealand. Part One - People, Land and Sea. Oxford University Press, Melbourne 2009, ISBN 978-0-19-558471-4, S. 27 (englisch).
  2. Alison Drench: Essential Dates - A Timeline of New Zealand History. Random House, Auckland 2005, ISBN 1-86941-689-9, S. 46–47 (englisch).
  3. a b c Denise Davis, Māui Solomon: The impact of new arrivals. Te Ara - the Encyclopedia of New Zealand, abgerufen am 3. Juli 2011 (englisch).
  4. Iwi by Regional Council for the Māori Descent Population. (Microsoft Excel) Statistics New Zealand, archiviert vom Original am 10. Juni 2011; abgerufen am 2. Mai 2019 (englisch, Tabelle 33 innerhalb der Excel-Datei).
  5. a b Denise Davis, Māui Solomon: Origins of the Moriori people. Te Ara - the Encyclopedia of New Zealand, abgerufen am 3. Juli 2011 (englisch).
  6. Harry Lionel Shapiro: The physical anthropology of the Maori-Moriori. In: University of Auckland (Hrsg.): Journal of the Polynesian Society. Volume 49, No. 193. Auckland 1940, S. 2–3 (englisch).
  7. a b Michael King: Solomon, Tommy. In: Dictionary of New Zealand Biography. Ministry for Culture & Heritage, 1. September 2010, abgerufen am 3. Juli 2011 (englisch).
  8. Michael King: Moriori: a People Rediscovered. Penguin Books (N.Z.), Auckland 2000, ISBN 0-14-010391-0, S. 21–28 (englisch).
  9. Simon Ager: Moriori (Te Rē Mōriori). Omniglot (Simon Ager), abgerufen am 3. Juli 2011 (englisch).
  10. Elsdon Best: The Land of Tara and they who settled it. Wellington City Libraries, abgerufen am 3. Juli 2011 (englisch).
  11. Herbert W. Williams: Dictionary of the Maori Language. Hrsg.: Government. 7. Ausgabe. Wellington 1971, S. 179 (englisch).
  12. Moriori. In: Harry Orsman (Hrsg.): Journal of the Polynesian Society. Oxford University Press, Auckland 1997 (englisch).
  13. Alison Drench: Essential Dates - A Timeline of New Zealand History. Random House, Auckland 2005, ISBN 1-86941-689-9, S. 22 (englisch).
  14. a b Rhys Richards: A tentative population distribution map of the Morioris of Chatham Island, circa 1790. In: University of Auckland (Hrsg.): Journal of the Polynesian Society. Volume 81, No. 3. Auckland 1972, S. 357 (englisch).
  15. Alison Drench: Essential Dates - A Timeline of New Zealand History. Random House, Auckland 2005, ISBN 1-86941-689-9, S. 41 (englisch).
  16. Alison Drench: Essential Dates - A Timeline of New Zealand History. Random House, Auckland 2005, ISBN 1-86941-689-9, S. 46–47 (englisch).
  17. Alison Drench: Essential Dates - A Timeline of New Zealand History. Random House, Auckland 2005, ISBN 1-86941-689-9, S. 95, 97 (englisch).
  18. George Edward Grey: Genealogy of the Chatham Islands. Auckland 1862 (englisch, Manuskript Nr. 144 liegt in der Auckland Public Library).
  19. Jacinta Blank: Imagining Moriori - A history of ideas of a people in the twentieth century. Hrsg.: University of Canterbury. Christchurch 2007 (englisch, Abschlussarbeit für Master of Arts in History).
  20. werkohu: A Report on Moriori and Ngati Mutunga Claims in the Chatham Islands. Waitangi Tribunal, archiviert vom Original am 14. Mai 2011; abgerufen am 2. Mai 2019 (englisch, Originalwebseite nicht mehr verfügbar).
  21. Summary. In: Waitangi Tribunal (Hrsg.): Rekohu: A Report on Moriori and Ngati Mutunga Claims in the Chatham Islands. Chapter One. Wellington 2001, S. 4–7 (englisch).
  22. Anne Tolley: School Journals tell Moriori history. New Zealand Government, 10. März 2011, abgerufen am 5. Juli 2011 (englisch).
  23. Paul Harper: School Journals to teach history of Moriori for first time. New Zealand Herald - Online Edition, 10. März 2011, abgerufen am 5. Juli 2011 (englisch).
  24. Peter Clayworth: The Development of the Idea of the ‘Moriori Myth’. Hrsg.: University of Otago. Dunedin 2001, S. 267 (englisch, Doktorarbeit für Doctor of Philosophy in History).