Moses Mendelssohn

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Moses Mendelssohn (Kupferstich nach einem Gemälde von Anton Graff)

Moses Mendelssohn (* 6. September 1729 in Dessau; † 4. Januar 1786 in Berlin) war ein deutsch-jüdischer Philosoph. Er gilt als Wegbereiter der jüdischen Aufklärung (Haskala).


Leben

Er war der Sohn des jüdischen Küsters und Gemeindeschreibers Menachem Chaim, jiddisch Mendel Heymann, über dessen Herkunft man nichts weiter weiß, als dass er nach Dessau zugewandert war, und der aus einer alten jüdischen Familie stammenden Rachel Sara Wahl, zu deren Vorfahren bedeutende Gestalten der polnisch-jüdischen Geschichte wie Moses Isserles, der Verfasser eines wichtigen Gesetzeskommentars zum Schulchan Aruch (eines möglichen Namensgebers), und Saul Wahl (ca. 1545–1617) gehören, einer halb sagenhaften Figur, der eine Nacht lang, aus juristischen Gründen, die polnische Königskrone getragen haben soll (daher der Nachname). Der bescheidenen Verhältnisse des Elternhauses ungeachtet, wurde das spät geborene Kind (der Vater ist bereits 47 Jahre alt) sorgfältig ausgebildet und früh als Hochbegabung erkannt; bereits als Zehnjähriger soll er mit dem Talmudstudium begonnen haben. Seine Muttersprache war das späte West-Jiddisch; Hebräisch und Aramäisch lernte er noch als Kind.

Um 1739 wechselte er in die Klasse des Dessauer Oberrabbiners David Fränkel (1704–1762), eines bahnbrechenden Gelehrten, der nach fast 200 Jahren eine Neuausgabe des „Führer der Unschlüssigen“, eines Hauptwerks des bedeutenden jüdischen Philosophen Moses Maimonides (1138–1204) unternommen hatte. Mendelssohn arbeitete das anspruchsvolle zweibändige hebräische Werk gleich nach dessen Erscheinen, 1742, durch. In dieser Zeit – Mendelssohn war etwa dreizehn Jahre alt – machte sich die Krümmung seines Rückens bemerkbar, außerdem neigte er zum Stottern.

Als Rabbi Fränkel 1743 nach Frankfurt/Oder und gleich darauf als Oberrabbiner nach Berlin berufen wurde, folgte ihm sein Schüler an die 1742 neu gegründete Talmudschule nach Berlin; der Sage nach in fünf Tagesmärschen zu Fuß. Er wohnte dort bis zum Jahr 1750 in der Probstgasse 3 hinter der Nikolaikirche in der Dachkammer von Chaim und Gella Bamberger und erhielt, der Tradition entsprechend, zwei „Freitische“ beziehungsweise Gratismahlzeiten pro Woche und wurde zusätzlich von Rabbi Fränkel mit Abschreibaufträgen über Wasser gehalten.

Mit Hilfe älterer, weltlich gebildeter Schüler eignete sich Mendelssohn in diesen Jahren, neben seinen Talmudstudien, Deutsch und später Latein, Französisch und Englisch sowie weiteres weltliches Wissen an. Er zeigte früh eine Neigung zur Philosophie; den englischen Frühaufklärer John Locke studierte er zunächst auf Lateinisch mit Hilfe eines Wörterbuchs.

Nach sieben Jahren als Bettelstudent wurde er im Jahr 1750 vom Seidenhändler Isaak Bernhard als Hauslehrer für dessen Kinder eingestellt und begann 1754 als Buchhalter in dessen neu gegründeter Seidenfabrik, wo er es bis zum Geschäftsführer und Teilhaber brachte.

1754 erfolgte die Bekanntschaft mit dem gleichaltrigen Pfarrerssohn und ehemaligen Theologie- und Medizinstudenten Gotthold Ephraim Lessing, mit dem er Schach spielte und sich in philosophischen Diskussionen erging. Lessing verhalf ihm zur Publikation seiner ersten deutschen Schrift, den „Philosophischen Gesprächen“, und vermittelte ihm die Bekanntschaft mit Friedrich Nicolai, der ihn als Mitarbeiter für seine einflussreiche Zeitschrift „Briefe, die Neueste Litteratur betreffend“ gewann, wodurch Mendelssohn zu einem der einflussreichsten Literaturkritiker der damals neu entstehenden deutschen Literatur wurde.

1762 heiratete Mendelssohn Fromet Gugenheim, mit der er zehn Kinder hatte, von denen sechs überlebten, darunter Abraham Mendelssohn, der Vater von Felix Mendelssohn.

1763 gewann Mendelssohn, vor Immanuel Kant, mit einem philosophischen Aufsatz den ersten Preis der „Königlichen Academie“ (die spätere Preußische Akademie der Wissenschaften) und wurde damit zu einem allgemein anerkannten Denker. 1767 veröffentlichte er „Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele“ – ein viel gelesener philosophischer Text, der in mehreren Auflagen erschien und in zehn Sprachen übersetzt wurde. Dieses Werk ist eine Interpretation des platonischen Dialogs Phaidon, „modernisiert und in Wolffische Metaphysik verwandelt“ (Hegel). Seinen Dialogen stellte Mendelssohn – von Zeitgenossen als „deutscher Sokrates“ bezeichnet - eine lesenswerte Biographie zu „Leben und Charakter des Sokrates“ voran.

Moritz Oppenheim: Der Lavater-Streit, 1856. Links Mendelssohn, stehend Lessing, rechts Lavater

1770 wurde Mendelssohn von dem Schweizer Pfarrer Johann Caspar Lavater öffentlich aufgefordert, entweder in aller Form das Christentum zu widerlegen oder selber Christ zu werden, was zu einer öffentlichen Auseinandersetzung zwischen Mendelssohn und Lavater führte, die ihn viel Kraft und Nerven kostete. 1771 erlitt er, wahrscheinlich im Zusammenhang mit diesen Anstrengungen, einen psychophysischen Zusammenbruch, der ein zeitweises Aussetzen von jeglicher philosophischer Tätigkeit erzwang. Die im gleichen Jahr vorgeschlagene Aufnahme Mendelssohns in die Preußische Akademie der Wissenschaften auf Antrag von Sulzer, dem Präsidenten der Philosophischen Klasse, scheiterte am Widerstand Friedrichs II..

Mendelssohn versuchte, sich bei der Übersetzung der Bibelpsalmen (erschienen 1783, und korrigiert 1788) zu erholen und begann mit den Vorarbeiten zu seiner deutschen Übersetzung des Pentateuch. In hebräischen Buchstaben neben dem Urtext abgedruckt und ausführlich auf Hebräisch kommentiert, sollte sie seinen Mitjuden die Bibel und gleichzeitig die deutsche Sprache näher bringen; sie erschien von 1780 bis 1783.

Zugleich bemühte er sich darum, die bedrückte Stellung der jüdischen Minderheit in Europa zu verbessern; sowohl, in dem er sich immer wieder in konkreten Einzelfällen für sie verwendete, wie durch die Publikation entsprechender Werke und durch Anregung der wichtigen Schrift von Christian Konrad Wilhelm von Dohm „Über die bürgerliche Verbesserung der Juden“. Im Zusammenhang mit diesen Auseinandersetzungen erschien 1783 sein Spätwerk „Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum“, in dem er einerseits die Strafbefugnis des Rabbinats ablehnte, anderseits die Unverrückbarkeit des jüdischen Religionsgesetzes, des „Zeremonialgesetzes“ behauptete, das seiner Meinung nach, unter Berufung aufs Neue Testament, auch für zum Christentum übergetretene Juden seine Gültigkeit behält.

Mendelssohn-Büste im Lessing-Haus

Enge Kontakte hielt Moses Mendelssohn mit Johann Wilhelm Ludwig Gleim, der in Halberstadt als Domsekretär lebte und junge Dichtertalente mit Geld und freundlicher Anteilnahme unterstützte. In Gleims 1769 in Berlin erschienenem Bändchen mit Oden widmete er ein Gedicht auch dem Sokrates Mendelssohn. 1768 ließ Johann Wilhelm Ludwig Gleim für seinen Freundschaftstempel ein Porträt Mendelssohns anfertigen. Auf die Rückseite schrieb er wie immer, warum und von wem das Bild gemalt wurde: „Moses Mendelssohn, wegen seines Phädon, gemalt von Christian Bernhard Rode“. 1933 wurde das Bild aus der Ausstellung entfernt. Sein Verbleib ist bis heute ungeklärt.

Moses Mendelssohns Grabstätte

Im Jahr 1779 setzte Lessing dem Freund in seinem berühmten Ideendrama Nathan der Weise ein bleibendes Denkmal. Lessing wurde nach seinem Tod im Jahr 1781 vom Privatgelehrten Friedrich Heinrich Jacobi als „Spinozist“ und damit indirekt als „Atheist“ bezeichnet – was unter damaligen Verhältnissen einer schweren Rufschädigung gleichkam und zu einem längeren Briefwechsel zwischen Jacobi und Mendelssohn führte, den Jacobi 1785 in eigener Redaktion und Auswahl publizierte.

Mendelssohns Erwiderung, ein dreißig Druckseiten umfassender Aufsatz „An die Freunde Lessings“ war dessen letztes, im Februar 1786 postum publiziertes Werk, dessen Manuskript er noch persönlich am Abend des 31. Dezember 1785 zur Druckerei gebracht hatte. Er stellt darin klar, dass Lessing keiner fremden Verteidigung bedürfe. Mendelssohn starb am 4. Januar 1786 in Berlin und wurde am Donnerstag, dem 5. Januar 1786, auf dem Berliner Jüdischen Friedhof beerdigt, wo noch heute ein rekonstruierter Grabstein an ihn erinnert.

Familie

Mendelssohn hatte zehn Kinder, von denen jedoch nur sechs das Erwachsenenalter erlebten:

Mehr zur Familie Mendelssohn.

Sonstiges

Im Oktober 2007 trafen sich 240 Nachfahren von Mendelssohn aus den USA, Tschechien, Kanada, Deutschland, Frankreich, England und Spanien in der Jägerstraße 51. In der Jägerstraße 51 stand für viele Jahre das Bankhaus der Familie.[1]

Werke


Neuausgaben

  • Leben und Charakter des Sokrates. Hrsg. v. Raphael Baer. Verlag Bär, Niederuzwil 2007. ISBN 978-3-9523212-3-2
  • Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele. Hrsg. v. Dominique Bourel. Meiner, Hamburg 1979. ISBN 978-3-7873-0468-4
  • Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum. Hrsg. v. Michael Albrecht. Meiner, Hamburg 2005. ISBN 978-3-7873-1692-2
  • Ästhetische Schriften, hrsg. von Anne Pollok; Meiner Verlag; 1.Aufl. 2005 ISBN 978-3-7873-1759-2

Literatur

  • M. Kayserling. Moses Mendelssohn, sein Leben und seine Werke. Nebst einem Anhange ungedruckter Briefe. Leipzig, 1862.
  • Cord-Friedrich Berghahn: Moses Mendelssohns „Jerusalem“. Ein Beitrag zur Geschichte der Menschenrechte und der pluralistischen Gesellschaft in der Aufklärung. Tübingen: Niemeyer, 2001. ISBN 3-484-18161-3.
  • Heinz Knobloch: Herr Moses in Berlin, Auf den Spuren eines Menschenfreundes. 6. Auflage. Morgenbuch-Verlag, Berlin 1993. ISBN 3-371-00356-6 . (Erstveröffentlichung 1979)
  • Michael Albrecht: Moses Mendelssohn: 1729 - 1786, das Lebenswerk eines jüdischen Denkers der deutschen Aufklärung. Ausstellung in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Acta Humaniora, Weinheim 1986. ISBN 3-527-17800-7.
  • Ingrid Lohmann: Über die Anfänge bürgerlicher Gesprächskultur - Moses Mendelssohn (1729-1786) und die Berliner Aufklärung. In: Pädagogische Rundschau 46 (1992) 1, 35-49. Online verfügbar: http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/Personal/Lohmann/Publik/ilmm.htm
  • Britta L. Behm: Moses Mendelssohn und die Transformation der jüdischen Erziehung in Berlin. Eine bildungsgeschichtliche Analyse zur jüdischen Aufklärung im 18. Jahrhundert. Jüdische Bildungsgeschichte in Deutschland, Band 4. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann Verlag 2002. ISBN 3-8309-1135-1
  • Thomas Lackmann: Das Glück der Mendelssohns - Geschichte einer deutschen Familie. 1. Auflage. Aufbau-Verlag, Berlin 2005. ISBN 3-351-02600-5. (Erstveröffentlichung)
  • Stephen Tree: Moses Mendelssohn. Rowohlt Verlag, Reinbek 2007. ISBN 3-499-50671-8. (Erstveröffentlichung)
  • Dominique Bourel: Moses Mendelssohn. Begründer des modernen Judentums. Eine Biographie. Aus dem Französischen von Horst Brühmann, Ammann Verlag, Zürich 2007, ISBN 978-3-250-10507-7. Das Buch erhielt den Deutsch-frz. Parlamentspreis für herausragende wissenschaftliche Arbeiten 2004

Weblinks

Commons: Moses Mendelssohn – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Werke von Moses Mendelssohn bei Zeno.org.

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Kohrt: Eine große Familie. Berliner Zeitung, 15. Oktober 2007

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