Mushistonit

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Mushistonit
Von Mushistonit überzogener Kësterit auf Glimmer vom Berg Xuebaoding, Pingwu, Sichuan, China (Gesamtgröße der Probe: 60 mm × 45 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1982-068[1]

IMA-Symbol

Mhi[2]

Andere Namen

Zinn(IV)-kupfer(II)-hydroxid (engl. Tin IV-copper II hydroxide)[3]

Chemische Formel
  • Cu2+Sn4+(OH)6[1]
  • (Cu,Zn,Fe)Sn(OH)6[4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

IV/F.16-050[5]

4.FC.10
06.03.06.06
Kristallographische Daten
Kristallsystem kubisch
Kristallklasse; Symbol hexakisoktaedrisch; 4/m32/m[6]
Raumgruppe Pn3m (Nr. 224)Vorlage:Raumgruppe/224[4]
Gitterparameter a = 7,73 Å[4]
Formeleinheiten Z = 4[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 4 bis 4,5[5] (VHN100 = 240–254 kg/mm2[7])
Dichte (g/cm3) nicht definiert
Spaltbarkeit nicht definiert
Farbe bräunlichgrün bis malachitgrün, gelbbraun[7]
Strichfarbe nicht definiert
Transparenz durchscheinend
Glanz Glasglanz[7]

Mushistonit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ mit der idealisierten Zusammensetzung Cu2+Sn4+(OH)6[1] und damit chemisch gesehen ein Kupfer-Zinn-Hydroxid. Da in Mushistonitproben, die zur Analyse der Zusammensetzung herangezogen wurden, meist ein geringer Gehalt des Kupfers durch Zink und/oder Eisen ersetzt ist, wird die Formel oft auch mit (Cu,Zn,Fe)Sn(OH)6[4][7] angegeben.

Mushistonit kristallisiert im kubischen Kristallsystem, konnte bisher jedoch nur in Form feinkörniger, erdiger Mineral-Aggregate und krustiger Überzüge von bräunlichgrüner bis malachitgrüner oder gelblichgrüner bis gelbbrauner Farbe gefunden werden.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die synthetische Verbindung Zinn(IV)-kupfer(II)-hydroxid (engl. Tin IV-copper II hydroxide; CuSn(OH)6) war bereits seit 1975 durch die Studien des Jahn-Teller-Effekts und der Kristallstruktur des Hydroxids CuSn(OH)6 von Irène Morgenstern-Badarau bekannt.[3]

Als natürliche Mineralbildung wurde das Kupfer-Zinn-Hydroxid erstmals in der Lagerstätte „Mushiston“ etwa 35 km südlich von Pendzhikent in der Zeravshan Mountain Range (Provinz Sughd) in Tadschikistan entdeckt und 1978 durch N. K. Marshukova, G. A. Sidorenko und N. I. Chistyakova in einer Kurzbeschreibung erwähnt, allerdings ohne dem Mineral einen Namen zu geben. Zitiert wurde die Entdeckung 1980 in der Publikation der New Mineral Names im Fachmagazin American Mineralogist als „Unnamed analogue of schoenfliesite“ (deutsch: Unbenanntes Analogon von Schoenfliesit).[8]

Die vollständige Erstbeschreibung erfolgte durch N. K. Marschukowa, A. B. Pawlowskij und G. A. Sidorenko (russisch Н. К. Маршукова, А. Б. Павловский, Г. А. Сидоренко; englisch: N. K. Marshukova, A. B. Pavlovskii, G. A. Sidorenko), die das Mineral nach dessen Typlokalität benannten. Sie reichten ihre Untersuchungsergebnisse und den gewählten Namen 1982 zur Prüfung bei der International Mineralogical Association (interne Eingangs-Nr. der IMA: 1982-068[1]), die den Mushistonit (russisch Мушистонит, englisch Mushistonite) als eigenständige Mineralart anerkannte. Publiziert wurde die Erstbeschreibung 1984 im russischen Fachmagazin Sapiski Wsessojusnogo Mineralogitscheskogo Obschtschestwa (russisch Записки Всесоюзного Минералогического Общества)[9] und ein Jahr später bei der Auflistung der New Mineral Names im American Mineralogist.[10]

Die ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Mushistonit lautet „Mhi“.[2]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da der Mushistonit erst 1982 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. IV/F.16-050. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort der Abteilung „Hydroxide und oxidische Hydrate (wasserhaltige Oxide mit Schichtstruktur)“, wo Mushistonit zusammen mit Burtit, Natanit, Schoenfliesit, Vismirnovit und Wickmanit die die „Schoenfliesitgruppe“ mit der System-Nr. IV/F.16 bildet.[5]

Die von der IMA zuletzt 2009 aktualisierte[11] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Mushistonit dagegen in die neu definierte Abteilung der „Hydroxide (ohne V oder U)“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit von OH und/oder H2O sowie der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung und seinem Aufbau in der Unterabteilung „Hydroxide mit OH, ohne H2O; eckenverknüpfte Oktaeder“ zu finden ist, wo es ebenfalls zusammen mit Burtit, Natanit, Schoenfliesit, Vismirnovit und Wickmanit die „Schoenfliesitgruppe“ mit der System-Nr. 4.FC.10 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Mushistonit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Hydroxide und hydroxyhaltige Oxide“ ein. Hier ist er zusammen mit Burtit, Natanit, Schoenfliesit, Vismirnovit und Wickmanit in der „Wickmanitgruppe (Kubisch oder Trigonal, mit 2+-Kationen und Sn)“ mit der System-Nr. 06.03.06 innerhalb der Unterabteilung „Hydroxide und hydroxyhaltige Oxide mit (OH)3- oder (OH)6-Gruppen“ zu finden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mushistonit kristallisiert kubisch in der Raumgruppe Pn3m (Raumgruppen-Nr. 224)Vorlage:Raumgruppe/224 mit dem Gitterparameter a = 7,73 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[4]

Kristallstruktur von Mushistonit (synthetisch mit a = 7,586 Å)[3]
Farblegende: 0 _ Sn 0 _ Cu 0 _ O

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mushistonit ist schon in verdünnter Salzsäure leicht löslich.[10]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kësterit, vollständig von Mushistonit überkrustet Berg Xuebaoding, Pingwu, Sichuan, China (Größe: 1,4 × 1,3 × 1,3 cm)

Mushistonit bildet sich sekundär durch Verwitterung von Stannit in der Oxidationszone von Zinn-Lagerstätten. Als Begleitminerale können neben Stannit unter anderem noch Chalkopyrit, Galenit, Kassiterit, Pseudomalachit, Quarz und Sphalerit auftreten.

Von Mushistonit konnten bisher (Stand 2023) nur wenigen Proben an weniger als 10 Fundorten gefunden werden. Seine Typlokalität „Mushiston“ ist dabei der bisher einzige bekannte Fundort in Tadschikistan.

Weitere bisher bekannte Fundorte sind unter anderem die Lithium-Lagerstätte „Londonderry“ bei der ehemaligen Siedlung Nepean nahe Coolgardie in Westaustralien, die Lagerstätte „Huya“ am Berg Xuebaoding im Kreis Pingwu in China, Carrara in den Apuanischen Alpen der italienischen Provinz Massa-Carrara, die Kësterit-Lagerstätte im Arga-Ynnakh-Khai-Granitmassiv des Jana-Tals in der russischen Republik Sacha (Jakutien), ein ehemaliger Bergbauschacht bei Cínovec (deutsch Zinnwald) in Tschechien sowie die Gruben „Etta“ und „Peerless“ bei Keystone im Pennington County (South Dakota) in den Vereinigten Staaten von Amerika.[12]

Ein weiterer Fund in einem dolomitischen Marmor-Steinbruch bei Rędziny (deutsch Wüstenröhrsdorf bzw. Röhrsdorf) in der polnischen Landgemeinde Kamienna Góra gilt bisher als fraglich, da nicht bestätigt.[12][13]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Irène Morgenstern-Badarau: Effet Jahn-Teller et structure cristalline de l'hydroxyde CuSn(OH)6. In: Journal of Solid State Chemistry. Band 17, Nr. 4, 1976, S. 399–406, doi:10.1016/S0022-4596(76)80010-2 (französisch).
  • Н. К. Маршукова, А. Б. Павловский, Г. А. Сидоренко: Мушистонит (Cu,Zn,Fe)Sn(OH)6Новый Минерал олова. In: Записки Всесоюзного Минералогического Общества. Band 113, 1984, S. 612–617 (russisch, rruff.info [PDF; 899 kB; abgerufen am 19. März 2023] englische Übersetzung: N. K. Marshukova, A. B. Pavlovskii, G. A. Sidorenko: Mushistonite, (Cu,Zn,Fe)Sn(OH)6, a new tin mineral, In: Zapiski Vsesoyuznogo Mineralogicheskogo Obshchestva).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Mushistonite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Januar 2023, abgerufen am 19. März 2023 (englisch).
  2. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 19. März 2023]).
  3. a b c Irène Morgenstern-Badarau: Effet Jahn-Teller et structure cristalline de l'hydroxyde CuSn(OH)6. In: Journal of Solid State Chemistry. Band 17, Nr. 4, 1976, S. 399–406, doi:10.1016/S0022-4596(76)80010-2 (französisch).
  4. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 232 (englisch).
  5. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. David Barthelmy: Mushistonite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 19. März 2023 (englisch).
  7. a b c d Mushistonite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 57 kB; abgerufen am 19. März 2023]).
  8. Michael Fleischer, Louis J. Cabri, George Y. Yao, Adolf Pabst: New Mineral Names. In: American Mineralogist. Band 65, 1980, S. 1065–1070 (englisch, minsocam.org [PDF; 721 kB; abgerufen am 16. April 2023] „Unnamed analogue of schoenfliesite“ N. K. Marshukova, G. A. Sidorenko and N. I. Chistyakova: New Data on Minerals of the U.S.S.R., Bd. 27, 1978, S. 89–95 (auf russisch)).
  9. Н. К. Маршукова, А. Б. Павловский, Г. А. Сидоренко: Мушистонит (Cu,Zn,Fe)Sn(OH)6Новый Минерал олова. In: Записки Всесоюзного Минералогического Общества. Band 113, 1984, S. 612–617 (russisch, rruff.info [PDF; 899 kB; abgerufen am 19. März 2023] englische Übersetzung: N. K. Marshukova, A. B. Pavlovskii, G. A. Sidorenko: Mushistonite, (Cu,Zn,Fe)Sn(OH)6, a new tin mineral, In: Zapiski Vsesoyuznogo Mineralogicheskogo Obshchestva).
  10. a b Pete J. Dunn, James A. Ferraiolo, Michael Fleischer, Volker Gobel, Joel D. Grice, Richard H. Langley, James E. Shigley, David A. Vanko, Janet A. Zilczer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 70, 1985, S. 1329–1335 (englisch, rruff.info [PDF; 731 kB; abgerufen am 19. März 2023]).
  11. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 19. März 2023 (englisch).
  12. a b Fundortliste für Mushistonit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 19. März 2023.
  13. Mushistonite from Dolomitic marble quarry, Rędziny, Gmina Kamienna Góra, Kamienna Góra County, Lower Silesian Voivodeship, Poland. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 20. März 2023 (englisch).