Naltrexon

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. August 2016 um 16:45 Uhr durch MBq (Diskussion | Beiträge) (Die 3 letzten Textänderungen von 62.156.151.10 wurden verworfen: bitte mit quellenangabe). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Strukturformel von Naltrexon
Allgemeines
Freiname Naltrexon
Andere Namen
  • IUPAC: (5R,9R,13S,14S)-17- Cyclopropylmethyl- 3,14-dihydroxy-4,5- epoxymorphinan-6-on
  • Latein: Naltrexonum
Summenformel
  • C20H23NO4 (Naltrexon)
  • C20H23NO4·HCl (Naltrexon·Hydrochlorid)
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
PubChem 5360515
DrugBank DB00704
Wikidata Q409587
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N07BB04

Wirkstoffklasse

Opioidantagonist, Antidot

Wirkmechanismus

Kompetitive Hemmung aller Opioidrezeptoren

Eigenschaften
Molare Masse 341,40 g·mol−1
Schmelzpunkt
  • 168–170 °C (Naltrexon)[1]
  • 274–276 °C (Naltrexon·Hydrochlorid)[2]
Löslichkeit

Wasser: 1,63 g·l−1 (25 °C)[1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze[3]
Toxikologische Daten

551 mg·kg−1 (LD50Mauss.c.)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Naltrexon ist ein verschreibungspflichtiger Arzneistoff und wie Naloxon ein reiner Opioidantagonist, der als kompetitiver Antagonist an allen Opioidrezeptoren wirkt.

Anwendung

Opioidabhängigkeit

Naltrexon ist in Deutschland zur medikamentösen Unterstützung bei der psychotherapeutisch oder psychologisch geführten Entwöhnungsbehandlung Opioid-Abhängiger nach einer erfolgten Opioid-Entgiftung zugelassen. Nach systematischen Übersichtsarbeiten u.a. der Cochrane Collaboration ist allerdings die Datenlage für die Erhaltungstherapie bei Opioid-Abhängigen bislang unzulänglich, während es Belege für eine Wirksamkeit bei der Behandlung Alkoholabhängiger gibt.[4][5][6]

Gelegentlicher Cannabiskonsum scheint bei opioidabhängigen Personen im Gegensatz zu keinem oder andauerndem Konsum den Verbleib in einem Naltrexonprogramm zu begünstigen.[7]

Alkoholabhängigkeit

In den USA und zahlreichen europäischen Ländern ist Naltrexon bereits zur Alkoholrückfallprävention zugelassen. Unter dem Handelsnamen Adepend® (50 mg) wurde in Deutschland die Zulassung zur Reduktion des Rückfallrisikos, Unterstützung der Abstinenz und Minderung des Verlangens nach Alkohol (Craving) als Teil einer umfassenden Therapie am 17. Mai 2010 an das Pharmaunternehmen Desitin erteilt. Die Markteinführung erfolgte am 1. August 2010. Es ist damit das einzige Naltrexon-Präparat in Deutschland mit der Indikation Rückfallprophylaxe bei Alkoholabhängigkeit.[8]

Die Datenlage bei jüngeren Alkoholikern ist begrenzt.[9]

Andere

Off-Label wird Naltrexon mit Erfolg bei der Behandlung von selbstschädigendem Verhalten bei dissoziativen Störungen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen eingesetzt.[10] Auch bei selbstschädigendem Verhalten im Rahmen von Autismus und mentalen Entwicklungsstörungen wurde ein Nutzen von Naltrexon gesehen.[11]

Nebenwirkungen

Naltrexon kann ein akutes Entzugssyndrom auslösen, wenn der Behandelte vor Beginn der Therapie nicht mindestens sieben Tage opiatfrei ist. Es wird deshalb empfohlen, vor Behandlungsbeginn durch eine Urinprobe oder einen Test mit Naloxon die Opiatfreiheit zu überprüfen.

Als sehr häufige Nebenwirkungen sind Schlafstörungen, Angstzustände und gesteigerte Erregbarkeit beschrieben. Auch Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Kopfschmerzen treten sehr häufig auf. Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion geboten.

Bei gleichzeitiger Verwendung von Opiaten kann es zu einer Überdosierung und dadurch zu verstärkter, potentiell tödlicher Atemdepression kommen.

Abhängigkeit bzw. Toleranzentwicklungen sind bei Naltrexonbehandlungen bisher nicht beobachtet worden.

Wechselwirkungen

Während der Einnahme von Naltrexon sollten keine opioidhaltigen Medikamente (wie Codein oder Loperamid) eingenommen werden. In Notfallsituationen können Opioid-Analgetika nicht in der gleichen Weise wirksam sein, die Dosis muss erhöht werden. Dies kann zu Komplikationen führen.

Pharmakologische Eigenschaften

150 mg Naltrexon pro Tag blockieren den Effekt von 25 mg Heroin für circa 72 Stunden. Die Halbwertszeit der Opiatrezeptoren-Blockade liegt im Allgemeinen zwischen 72 und 108 Stunden. Bei einer Dosis von 50 mg pro Tag, jeden zweiten Tag eingenommen, sind nach 48 Stunden immer noch 70–80 % der Opiatrezeptoren blockiert.

Low Dose Naltrexone (LDN)

Eine Pilotstudie zur Wirksamkeit bei multipler Sklerose mit 40 Teilnehmern aus dem Jahr 2008 von Gironi et al. zeigte nach 6 Monaten eine signifikante Reduktion der Spastik, nur ein Patient zeigte eine fortschreitende neurologische Degenerierung. Die Autoren der Studie kamen zu dem Ergebnis, dass LDN für MS-Patienten sicher in der Verwendung und gut verträglich sei.[12]

Handelsnamen

Monopräparate: Adepend (D), Dependex (A), Ethylex (A), Naltrexin (A, CH), Nemexin (D, A), Revia (A) sowie Generika (D, A)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Eintrag in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar).
  2. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 1101–1102, ISBN 978-0-911910-00-1.
  3. a b c Datenblatt Naltrexone hydrochloride bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  4. Lobmaier P, Kornør H, Kunøe N, Bjørndal A: Sustained-release naltrexone for opioid dependence. In: Cochrane Database Syst Rev. Nr. 2, 2008, S. CD006140, doi:10.1002/14651858.CD006140.pub2, PMID 18425938.
  5. Minozzi S, Amato L, Vecchi S, Davoli M, Kirchmayer U, Verster A: Oral naltrexone maintenance treatment for opioid dependence. In: Cochrane Database Syst Rev. Nr. 1, 2006, S. CD001333, doi:10.1002/14651858.CD001333.pub2, PMID 16437431.
  6. Adi Y, Juarez-Garcia A, Wang D, et al.: Oral naltrexone as a treatment for relapse prevention in formerly opioid-dependent drug users: a systematic review and economic evaluation. In: Health Technol Assess. 11. Jahrgang, Nr. 6, Februar 2007, S. iii–iv, 1–85, PMID 17280624 (hta.ac.uk).
  7. Wilfrid Noel Raby, PhD, MD, Kenneth M. Carpenter, PhD, Jami Rothenberg, PhD, Adam C. Brooks, PhD, Huiping Jiang, PhD, Maria Sullivan, MD, Adam Bisaga, MD, Sandra Comer, PhD, and Edward V. Nunes, MD: "Intermittent Marijuana Use Is Associated with Improved Retention in Naltrexone Treatment for Opiate-Dependence" Am J Addict. 2009 Jul–Aug; 18(4): 301–308. doi:10.1080/10550490902927785; PMC 2753886 (freier Volltext).
  8. Anton RF: Naltrexone for the management of alcohol dependence. In: The New England Journal of Medicine. 359. Jahrgang, Nr. 7, August 2008, S. 715–721, PMID 18703474, PMC 2565602 (freier Volltext).
  9. Minozzi S, Amato L, Davoli M: Detoxification treatments for opiate dependent adolescents. In: Cochrane Database Syst Rev. Nr. 2, 2009, S. CD006749, doi:10.1002/14651858.CD006749.pub2, PMID 19370651.
  10. Gottfried Fischer, Peter Riedesser (2003): Lehrbuch der Psychotraumatologie. Ernst Reinhardt Verlag, S. 246.
  11. Symons FJ, Thompson A, Rodriguez MC: Self-injurious behavior and the efficacy of naltrexone treatment: a quantitative synthesis. In: Ment Retard Dev Disabil Res Rev. 10. Jahrgang, Nr. 3, 2004, S. 193–200, doi:10.1002/mrdd.20031, PMID 15611982.
  12. Gironi M, Martinelli-Boneschi F, Sacerdote P, Solaro C, Zaffaroni M, Cavarretta R, Moiola L, Bucello S, Radaelli M, Pilato V, et al.: A pilot trial of low-dose naltrexone in primary progressive multiple sclerosis. In: Multiple Sclerosis. 14. Jahrgang, Nr. 8, 2008, S. 1076–1083, doi:10.1177/1352458508095828 (sagepub.com).