Narco-Staat

Der Begriff Narco-Staat (von Spanisch narcotráfico: Drogenhandel) ist ein umstrittener Neologismus, der ein Land bezeichnet, dessen politische Institutionen in illegalen Drogenhandel verstrickt oder an diesem aktiv beteiligt sind und damit die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Drogenhandel sich zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor des Landes entwickelt. Dabei sind Mitglieder und Beamte der Regierung ein Teil des Netzwerkes des Drogenhandels und können durch ihre rechtlichen Befugnisse geschützt sein.

Die Verwendung des Begriffs begann in den späten 1980er Jahren, als man die inneren Konflikte und politischen Unruhen in den Kokain-Produzentenländern Peru, Kolumbien und Bolivien untersuchte und beschrieb. Heutzutage betreibt Kolumbien eine restriktivere Drogenpolitik.

Nach Ansicht des Geowissenschaftlers Pierre-Arnaud Chouvy vom Centre national de la recherche scientifique ist der Begriff „Narco-Staat“ eine unbrauchbare Vereinfachung, die den komplexen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umständen der einzelnen Staaten nicht gerecht wird.

Beispiele

Im Jahr 2006 wurde Afghanistan vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung als potenzieller „Narco-Staat“ eingeschätzt. Das Regime des syrischen Diktators Baschar al-Assad erwirtschaftet mit der Produktion und dem Schmuggel der synthetischen Droge Captagon jährlich über eine Milliarde US-Dollar. Dies entspricht einem großen Teil des offiziellen Staatshaushaltes von 2021.

Der US-amerikanische Sicherheitsforscher Paul Rexton Kan vom United States Army War College stufte im Jahr 2016 folgende Staaten als „Narco-Staaten“ ein:

Land	Drogen	Art	Zustand
Afghanistan	Opium, Heroin, Haschisch	Produzent	3!fortgeschritten
Bahamas	Marihuana, Kokain	Umschlagsplatz	1!beginnend
Belize	Marihuana, Kokain	Umschlagsplatz	4!ernst
Birma	Opium, Heroin, Methamphetamin	Produzent	3!fortgeschritten
Bolivien	Kokain	Produzent	5!kritisch
Kambodscha	Opium, Heroin, Methamphetamin	beides	4!ernst
Kolumbien	Kokain, Heroin, Marihuana	Produzent	5!kritisch
Ecuador	Kokain	Umschlagsplatz	2!in Entwicklung
El Salvador	Kokain, Heroin	Umschlagsplatz	4!ernst
Guatemala	Kokain, Heroin	Umschlagsplatz	5!kritisch
Guinea	Kokain	Umschlagsplatz	5!kritisch
Guinea-Bissau	Kokain	Umschlagsplatz	3!fortgeschritten
Haiti	Kokain, Heroin	Umschlagsplatz	4!ernst
Honduras	Kokain, Heroin	Umschlagsplatz	5!kritisch
Iran	Heroin, Haschisch	Umschlagsplatz	1!beginnend
Jamaika	Marihuana, Kokain	beides	4!ernst
Laos	Opium, Heroin, Methamphetamin	beides	4!ernst
Libanon	Marihuana, Heroin, Kokain, amphetaminartige Drogen	beides	2!in Entwicklung
Mali	Marihuana, Kokain, Heroin	beides	4!ernst
Mexiko	Marihuana, Kokain, Heroin, amphetaminartige Drogen	beides	4!ernst
Nigeria	Kokain, Heroin	Umschlagsplatz	4!ernst
Nordkorea	Heroin, Metamphetamin	Produzent	3!fortgeschritten
Pakistan	Opium, Heroin	Umschlagsplatz	4!ernst
Panama	Kokain, Heroin	Umschlagsplatz	1!beginnend
Papua-Neuguinea	Marihuana	Produzent	1!beginnend
Peru	Kokain	Produzent	5!kritisch
Senegal	Kokain, Heroin	Umschlagsplatz	2!in Entwicklung
Thailand	Heroin, amphetaminartige Drogen	Umschlagsplatz	2!in Entwicklung
Tadschikistan	Heroin	Umschlagsplatz	5!kritisch
Usbekistan	Opium, Heroin, Marihuana, Haschisch	Umschlagsplatz	4!ernst
Vietnam	Heroin, amphetaminartige Drogen	Umschlagsplatz	2!in Entwicklung

Literatur

• Paul Rexton Kan: Drug Trafficking and International Security. Rowman & Littlefield 2016, S. 48–69. (Online)
• Pierre-Arnauld Chouvy: The myth of the narco-state. In: Stewart Williams, Barney Warf (Hrsg.): Drugs, Laws, People, Place and the State. Routledge, 2017. (Online)

Weblinks

• Thomas Kleine-Brockhoff: Der "Narco-Staat" und seine Nachbarn, in Zeit-Online vom 5. April 1996.
• Brigitte Kramer: Mexiko kämpft gegen das Image vom Narco-Staat, in NZZ vom 6. November 2012.
• Josef Oehrlein: Venezuela : Ein neuer Narco-Staat?, in FAZ vom 25. September 2013.
• Uli Rauss: Afghanistan: Rekordernte im Narco-Staat, in Stern vom 23. September 2006.