Nationalversammlung (Burkina Faso)

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Nationalversammlung (Burkina Faso)
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Basisdaten
Sitz: Ouagadougou
Legislaturperiode: fünf Jahre[1]
Erste Sitzung: 17. Juni 1992[2]
Abgeordnete: 127[1]
Aktuelle Legislaturperiode
Letzte Wahl: 29. November 2015
Vorsitz: Präsident, Alassane Bala Sakandé (seit 2015)[3]
Website
www.assembleenationale.bf

Die Nationalversammlung (Assemblée Nationale) ist das Parlament im Einkammersystem des westafrikanischen Staates Burkina Faso. Sie setzt sich aus 111 Abgeordneten zusammen. Nach gewaltsamen Protesten in Folge einer angestrebten Verfassungsänderung durch den langjährigen Präsidenten Blaise Compaoré wurde sie aufgelöst und durch ein Übergangsparlament, den Nationalen Übergangsrat (Conseil national de la transition) bis zu den Wahlen 2015 ersetzt.[4]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor der Unabhängigkeit des Staates Burkina Faso war das Territorium unter dem Namen Obervolta eine französische Kolonie. Somit wurde am 23. März 1948 mit dem Conseil Général de la Haute-Volta eine erste Volksvertretung eingerichtet. Diese Einrichtung bestand zehn Jahre, für zwei Legislaturperioden, und wurde schließlich im Jahr 1958 in Vorbereitung auf die zu erwartende Unabhängigkeit des Gebietes in Assemblée constituante et législative (Verfassungsgebende und Legislative Versammlung) umbenannt.

Es folgte am 5. August 1960 die Unabhängigkeit und daraus die Gründung der Ersten Republik mit der Assemblée Nationale als Volksvertretung. Seitdem wurde die Arbeit des Parlamentes bereits dreimal durch Staatsstreiche unterbrochen, jedoch immer wieder aufgenommen. Bis zum Jahr 2014 tagte die vierte Nationalversammlung in der Vierten Republik Burkina-Fasos.[2]

Zwischenzeitlich, von 1995 bis 2002 war es das Unterhaus in einem Zweikammersystem, seit der Abschaffung des Oberhauses ist es die einzige Kammer. Dies wurde formal mit einer Verfassungsänderung am 11. Juni 2012 wieder rückgängig gemacht, jedoch bisher nicht umgesetzt.[5]

Parlamentsgebäude[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gebäude der Nationalversammlung bis 2015 (wurde 2015 in Brand gesetzt)

Das Parlament hat seinen Sitz in der Hauptstadt Ouagadougou. Es befindet sich im Stadtteil Koulouba, wo auch der ehemalige Präsidentenpalast und einige Botschaften, sowie zahlreiche Verwaltungsgebäude angesiedelt sind.[6] Die Distanz zum nahegelegenen Internationalen Flughafen beträgt rund 1,5 Kilometer.

Nach Protesten bezüglich einer geplanten Verfassungsänderung des damaligen Präsidenten, welche die Amtszeitbegrenzung aufheben und dem Amt mehr Rechte zusichern sollte, wurde das Gebäude der Nationalversammlung vor der entscheidenden Abstimmung von Anhängern der Oppositionsparteien, welche zu Demonstrationen um die Nationalversammlung aufriefen, gestürmt und anschließend in Brand gesetzt.[4]

Vorschläge für die Weiterverwendung des Gebäudes reichen von einer Sanierung und Wiederverwendung als Parlamentsgebäude bis hin zur Errichtung eines Museums um dem Aufstand zu gedenken.[7]

Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie in vielen Parlamenten üblich organisieren sich die gewählten Mitglieder der Nationalversammlung Burkina Fasos nicht in Parteien, sondern in Fraktionen. Die großen Parteien bilden dabei ihre eigenen Fraktionen, die Vertreter der kleinen Parteien schließen sich entweder einer bestehenden Fraktion an oder formieren zusammen eine eigene, die den Mindestanforderungen von zehn Mitgliedern entsprechen muss.[8]

Wahl[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sitzverteilung der Übergangsfraktionen
8
16
21
13
13
16 21 13 13 
Insgesamt 71 Sitze
  • PP.: 8
  • FDS.: 16
  • RPF.: 21
  • FVR.: 13
  • OSC.: 13

PP.: Fraktion der politischen Parteien
FDS.: Verteidigungs- und Sicherheitskräfte
RPF.: Vertreter des Staatsoberhauptes
FVR.: Forces Vives des Régions
OSC.: Organisation der Zivilgesellschaft

Die letzte Wahl zur Nationalversammlung fand am 22. November 2020 statt, bei der die 127 Abgeordneten gewählt wurden.

Nach dem Putsch am 24. Januar 2022 wurde ein Übergangsparlament bestimmt, das aus 71 Abgeordneten bestand. Das Übergangsparlament wurde am 30. September 2022 aufgelöst.

Legislaturperioden und Vorsitz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit der Unabhängigkeit des Landes hat die Nationalversammlung 10 Legislaturperioden absolviert. Zwischenzeitlich wurde ihre Arbeit durch Staatsstreiche unterbrochen, jedoch wurde die Ordnung immer wiederhergestellt.

Nr. Republik Legislatur Präsident Amtszeit Partei Bemerkungen
1 Erste Republik Begnon-Damien Kone 1960–1965 RDA[9] Putsch am 3. Januar 1966
2 Zweite Republik Joseph Ouedrago November 1970–Oktober 1974 RDA Putsch am 8. Februar 1974
3 Dritte Republik Gérard K. Ouedrago 1978 – 25. November 1980 RDA Putsch am 25. November 1980
4 Vierte Republik 1. Legislaturperiode Bognessan Arsène Yé Juni 1992 – Juni 1997 CDP Ende der Legislatur
5 2. Legislaturperiode Mélégué Maurice Traoré Juni 1997 – Juni 2002 CDP Ende der Legislatur
6 3. Legislaturperiode Roch Marc Kaboré Juni 2002 – Juni 2007 CDP Ende der Legislatur
7 4. Legislaturperiode Roch Marc Kaboré Juni 2007 – Juni 2012 CDP Ende der Legislatur
8 5. Legislaturperiode Soungalo Ouattara Juni 2012 – Oktober 2014 CDP Auflösung des Parlaments
9 Übergangsparlament
10 7. Legislaturperiode Roch Marc Kaboré 29. November 2015 – 24. Januar 2022 CDP Militärputsch am 24. Januar 2022
11 8. Legislaturperiode
12 Übergangsparlament Paul-Henri Sandaogo Damiba 2. März 2022 – 30. September 2022 MPSR* Putsch am 30. September 2022
13 Ibrahim Traoré seit 30. September 2022 MPSR*
Quelle: Website der Nationalversammlung (Geschichte)
* 
Bei der MPSR handelt es sich um keine politische Partei, sondern um die Revolutionsbewegung des Militärs, welche die Junta führt

Übergangsparlament[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Auflösung des Parlaments, der Absetzung des Präsidenten und der Entlassung der Regierung übernahm das Militär am 1. Oktober unter dem Gardeoffizier Isaac Zida die Macht, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Er setzte vorübergehend die Verfassung außer Kraft und unterzeichnete am 16. November eine Übergangscharta, welche Parlaments-/ und Präsidentschaftswahlen für den 11. Oktober 2015[10] festlegte. Der Diplomat Michel Kafando wurde zum Übergangspräsident ernannt und der Grundstein für ein Übergangsparlament, dem Nationalen Übergangsrat (Conseil national de la transition) gelegte.

Dieses Parlament tagte erstmals am 27. November 2014 und setzt sich aus 90 Abgeordneten zusammen. Die Sitze wurden auf die verschiedenen Teile des öffentlichen und politischen Lebens verteilt. So entfallen auf die politischen Parteien insgesamt 40 Sitze, wovon 10 auf die ehemalige Regierungspartei Congrès pour la démocratie et le progrès des langjährigen Präsidenten Blaise Compaoré und 30 auf die Oppositionsparteien entfallen. Außerdem gehen 25 Sitze an die Zivilgesellschaft und 25 Sitze an das Militär.[11] Die Leitung obliegt dem von den Abgeordneten gewählten Präsidenten Moumina Chériff Sy, welcher als Schriftsteller und Journalist dem Lager der Zivilgesellschaft entstammt.[12]

Die Versammlung tagt zurzeit nicht in den Räumlichkeiten der Nationalversammlung, sondern in dem rund zwei Kilometer entfernten Hotel der Abgeordneten (l’hôtel du député).[7] Ende des Monats Juli 2015 wurde bekannt, dass die Abgeordneten eine Verfassungsänderung planen, welche die Amtszeit zukünftiger Staatspräsidenten auf maximal 10 Jahre begrenzen würde, um eine Wiederholung des gegenwärtigen Zustandes zu vermeiden. Die Bevölkerung wird darüber in einem Referendum befragt werden.[13]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Verfassung von Burkina Faso, gültig bis zum Jahr 2014, abgerufen im August 2015.
  2. a b Historique, Website der Nationalversammlung, abgerufen im August 2015.
  3. Bureau A.N, Website der Nationalversammlung, abgerufen am 30. Dezember 2018.
  4. a b Demonstranten setzen Parlament in Ouagadougou in Brand., Zeit-Online, 30. Oktober 2014, abgerufen am 18. Dezember 2023.
  5. Informationen über die Nationalversammlung, Website der Inter-Parlamentarischen-Union, abgerufen im August 2015.
  6. Kontakt, Website der Nationalversammlung, abgerufen im August 2015.
  7. a b Burkina Faso : initiative pour transformer l’ancien parlement en musée, Website der Jeune Afrique, abgerufen im August 2015.
  8. Überblick zur Parlamentsorganisation Burkina Fasos auf der Website der Assemblée parlementaire de la francophonie (frz.)
  9. KONE Bégnon-Damien, Senat der Französischen Republik, abgerufen im August 2015.
  10. Présidentielle 2015, Website des Nachrichtenmagazins lefaso.net, abgerufen im August 2015.
  11. Ein würdevoller Übergang, Website der TAZ.de, abgerufen im August 2015.
  12. Organisation de la société civil@1@2Vorlage:Toter Link/www.cnt.bf (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., Website des Übergangsparlaments, abgerufen im August 2015.
  13. Parlament in Burkina Faso will Amtszeit des Präsidenten begrenzen, Website der Zeit-Online, abgerufen im August 2015.