Naturtonreihe

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Harmonische Reihe auf einer Saite

Die Naturtonreihe ist eine stufige Tonfolge, die erklingt, wenn ein schwingendes Medium (beispielsweise: Luftsäule bei Aerophonen, Saite bei Chordophonen) entlang der Schwingungsknoten in aufsteigender Reihenfolge unterteilt wird. Das Phänomen der Naturtonreihe ist physikalisch bedingt und die Intervalle zwischen den Tönen der Reihe sind dadurch fest vorgegeben.

Ein Naturton enthält als seine tiefste Frequenz einen Teilton des jeweiligen Mediums.

Redundanz und Hierarchie (z. B. die Dominanz des Grundtones bzw. seiner Oktaven sowie Quinte) liegen in der Natur des Tones selbst: Jeder natürliche Ton ist ein aus Teiltönen (Partialtönen, Obertönen, Naturtönen) zusammengesetzter Klang.

Frequenzbeziehungen

Die spielbare Tonreihe einer Naturtrompete in C (ca.240 cm lang): Die Zahlen in der oberen Zeile sind die Nummerierung der Naturtöne. Zum Anhören (MIDI)
Skizzierte Stehende Welle des (von oben nach unten) 1.; 2.; 3.; 4. und 5. Naturtons in einem konischen Blechblasinstrument

Die Frequenzen der in einer gegebenen Luftsäule erzeugbaren stehenden Wellen sind ganzzahlige Vielfache der tiefsten möglichen Frequenz (Grundfrequenz), die somit gleichzeitig der 1. Naturton ist.

Das musikalische Intervall einer Oktave entspricht einer Verdopplung der Frequenz. Somit liegen folgende Töne der Naturtonreihe jeweils im Oktavabstand zueinander:

  • 1, 2, 4, 8, 16, ...
  • 3, 6, 12, 24, ...
  • 5, 10, 20, 40, ...
  • 7, 14, 28, 56, ...

Beispiel: Die folgende Tabelle gibt über dem Grundton von 66 Hz (ca. entsprechend dem nebenstehenden Notenbeispiel) die darauf folgenden Naturtöne an.

Naturton
 
Ton 
 
Frequenz
 
Frequenzverhältnis zum Grundton (zum vorhergehenden Ton) Harmonischer Abstand zum Grundton
1. Naturton (Grundton) C 66 Hz 1:1 Prime
1. Oktave
2. Naturton
c0 132 Hz 2:1 (2:1 Oktave)) Oktave
3. Naturton g0 198 Hz 3:1 (3:2 Quinte) Oktave + reine Quinte (Duodezime)
2. Oktave
4. Naturton
c1 264 Hz 4:1 (4:3 Quarte) 2 Oktaven
5. Naturton e1 330 Hz 5:1 (5:4 große Terz)) 2 Oktaven + große Terz
6. Naturton g1 396 Hz 6:1 (6:5 kleine Terz) 2 Oktaven + reine Quinte
7. Naturton ≈ b1 462 Hz 7:1 siehe Naturseptime 2 Oktaven + Naturseptime
3. Oktave
8. Naturton
c2 528 Hz 8:1 3 Oktaven
9. Naturton d2 594 Hz 9:1 (9:8 großer Ganzton) 3 Oktaven + große Sekunde
10. Naturton e2 660 Hz 10:1 (10:9 kleiner Ganzton) 3 Oktaven + große Terz
11. Naturton ≈ fis2 726 Hz 11:1 siehe Alphorn-Fa 3 Oktaven + Alphorn-Fa
12. Naturton g2 792 Hz 12:1 3 Oktaven + reine Quinte
13. Naturton ≈ gis2 858 Hz 13:1 3 Oktaven + (≈)kleine Sexte
14. Naturton ≈ b2 924 Hz 14:1 3 Oktaven + Naturseptime
15. Naturton h2 990 Hz 15:1 3 Oktaven + große Septime
4. Oktave
16. Naturton
c3 1056 Hz 16:1 (16:15 kleine Sekunde) 4 Oktaven
...

Nach dem Grundton kommen (erst nach einer Oktave) in der ersten Oktave die Naturtöne 2 und 3,

in der zweiten Oktave die Naturtöne 4, 5, 6 und 7*,

in der dritten Oktave die Naturtöne 8, 9, 10, 11*, 12, 13* , 14* und 15,

in der vierten Oktave 16 Natürtöne,

in der fünften Oktave 32 Naturtöne ...

(*: außerhalb der diatonischen Tonleiter.)

Je höher die erreichte Oktaven, um so enger liegen die Naturtöne und um so mehr davon liegen außerhalb der diatonischen Tonleiter.

Zu den Bezeichnungen der entsprechenden Register im Orgelbau siehe: Aliquotregister.

Musizierpraxis

Blechblasinstrumente

Der 1. Naturton ist nur in wenigen Fällen sauber intonierend verwendbar (Flügelhorn, Kuhlohorn, manche Trompete), bei dem Naturhorn in F wird bis zum 24. Naturton beblasen.

Die in der oben stehenden Tabelle als diatonisch bezeichneten Naturtöne (1., 2., 3., 4., 5., 6., 8., 9., 10., 12., 15., ...) ergeben eine Intonation in der reinen Stimmung.

Oft ist einfache Jagdmusik so zusammengesetzt, dass sie mit diatonischen Naturtönen auskommt. Beim Alphorn werden manchmal noch die Naturseptime und sogar das (für an klassische Musik gewöhnte Ohren ungewöhnlich klingende) Alphorn-Fa gespielt.

Die übrigen Töne der diatonischen und chromatischen Tonleiter kann man nur mit Ventilen spielen, nicht jedoch zum Beispiel beim Naturhorn, Naturtrompete und Barocktrompete. Jedoch ist durch verschiedene Anblastechniken manchmal eine Korrektur der "unreinen" Naturtöne möglich. Bei Hörnern ist auch eine Korrektur durch Stopfen (Einführen der Hand in die Stürze) möglich.

Holzblasinstrumente

Die Naturtöne sind hier beim Überblasen von Bedeutung. Auf offenen Flöten und Rohrblattinstrumenten mit konischer Röhre kann auf alle Naturtöne überblasen werden, praktisch wird meist maximal bis zum 4. Naturton überblasen. Eine Ausnahme bilden Obertonflöten (offene Flöten ohne Grifflöcher oder Klappen), auf denen nur die Naturtonreihe spielbar ist. Auf diesen Instrumenten wird bis zum 8. Naturton oder noch höher überblasen. Auf gedackten Flöten und Rohrblattinstrumenten mit zylindrischer Röhre kann nur auf die ungeradzahligen Naturtöne überblasen werden, praktisch wird nur auf den 3. und den 5. Naturton überblasen, da ein Überblasen auf den 7. Naturton nicht nur sehr schwierig ist, sondern auch zu Intonationsproblemen führt, da dieser Ton deutlich von dem entsprechenden diatonisch oder gleichstufig gestimmten Ton abweicht.

Saiteninstrumente

Auf Saiteninstrumenten werden höhere Naturtöne als der Grundton durch eine spezielle Spielweise, das Flageolett, erzeugt.

Orgel

In der Orgel sind die Naturtöne in Form von einzelnen Pfeifenreihen, den Oktavregistern und Aliquotregistern realisiert, die in den unterschiedlichsten Kombinationen eingesetzt werden.

Musiktheorie und Kultur

Die Existenz von Naturtönen oder Obertönen wird seit langer Zeit zu einer wissenschaftlichen Erklärung und Begründung von Tonsystemen der Musik herangezogen. Ein ästhetisches System soll dabei also naturwissenschaftlich legitimiert werden. Die erste dieser Theorien wird Pythagoras zugerechnet, dies war vor rund 2500 Jahren. Einen der letzten Versuche dieser Art findet man bei Paul Hindemith in seiner Unterweisung im Tonsatz. Schon Pythagoras war aber klar, dass kein musikalisches Tonsystem konstruiert werden kann, das einerseits den Verhältnissen von ganzen Zahlen (den Obertönen, letztlich rationalen Zahlen) und andererseits der Forderung nach der Gleichwertigkeit der Tonschritte (dies erfordert mathematisch geometrische Folgen, also irrationale Verhältnisse) Rechnung trägt. Das moderne, westliche System mit 12 Tönen in gleichschwebender Stimmung ist ein Kompromiss, aber keine Lösung. Deswegen gibt es daneben eine Vielzahl von Stimmungen, die versuchen, die Rauhigkeiten auf andere Weise zu minimieren.

Musikinstrumententechnik, Elektrotechnik und Akustik

Es muss festgestellt werden, dass die sog. "natürlichen Obertöne" mit ihren ganzzahligen Verhältnissen sich nur in einer äußerst künstlich bereiteten Situation – nämlich in hochentwickelten mechanischen Musikinstrumenten, die eindimensionale Schwingungen bevorzugt entwickeln – einstellen, und auch da nur in Näherung. Mechanische Klangerzeuger, wie sie jedes Kind mit Gummibändern zusammenbaut, zeigen, wie dies im anderen Extrem – also schon eher "natürlich" – klingt. Nur elektronische Klangerzeuger erlauben es, ganzzahlige Verhältnisse in Perfektion zu erzeugen, worauf prompt dieser – nun der Musiktheorie nach ideale – Klangcharakter von Musikern negativ bewertet wird.

Mathematisch bleibt hinzuweisen, dass sinusförmige Schwingungen nur dann sinusförmig sind, wenn sie unendlich lange andauern und andauern werden. Die Sinusfunktion erstreckt sich beidseitig in die Unendlichkeit und ein Abschneiden der Dauer führt mathematisch zu etwas Anderem, dem Wellikel, einer zeitlich begrenzten Welle. Diese besitzt aber keine scharf voneinander abgegrenzten Obertöne mehr, sondern ein verschmiertes Frequenzband. In psychoakustischer Konsequenz ergeben sich beim Abschneiden von langandauernden, statischen Sinustönen oder Sinustongemischen breitbandige Artefakte. Bei kurzandauernden Vorgängen solcher Art – wie sie bei allen Instrumenten auftreten, bei denen nicht stets Energie nachgereicht wird, also vor allem den Zupf- und Schlaginstrumenten (auch dem Klavier) – ist die Grundvoraussetzung des Dauertones noch nicht einmal mehr in Näherung gegeben.

In der Kultur der Ingenieurwissenschaften ging man meistens von der Situation aus, dass Vorgänge langandauernd und langsam veränderlich sind (bei der Modulation eines Radiosenders ist dies der Fall). Nur dann ergeben die Fouriertransformation und die daraus implizit im Artikel folgenden Begriffe einen Sinn. Erst in den letzten Dekaden hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass bei schnell veränderlichen und kurz andauernden Vorgängen die Wavelet-Transformation Anwendung finden muss, worauf Begriffe wie etwa Frequenz neu gedeutet werden müssen.

Musik beinhaltet wesentlich solche Vorgänge. Insofern ist auch aus dieser Sicht Kritik an überkommenen Vorstellungen zu üben.

Literatur

  • Michael Dickreiter: Handbuch der Tonstudiotechnik. 6. Auflage, K.G. Saur Verlag KG, München, 1997, ISBN 3-598-11320-X

Siehe auch

Weblinks