Landkreis Niederbarnim

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Wappen vom Niederbarnim

Der Landkreis Niederbarnim, ursprünglich Kreis Niederbarnim, bis ins 19. Jahrhundert auch Niederbarnimscher Kreis genannt, war ein Landkreis, der bis 1952 in der preußischen Provinz Brandenburg und im Land Brandenburg der SBZ bzw. DDR bestand. Die Bezeichnung Niederbarnim wurde 1412 erstmals erwähnt und bezeichnete von 1451 (Aufteilung des Barnim in „Hohen Barnim“ (Oberbarnim) und „Niederbarnim“) bis 1952 eine regionale Verwaltungseinheit.

Der Landkreis umfasste fast das ganze Umland Berlins nördlich der Spree. Bis zur Gründung von Groß-Berlin am 1. Oktober 1920 gehörten zahlreiche heutige Stadtteile Berlins zu diesem Landkreis. Sein Pendant auf der südlichen Spreeseite war der Kreis Teltow. Beide Landkreise profitierten in extremem Maße von der Suburbanisierung der in enge Stadtgrenzen eingezwängten Hauptstadt. Die an Berlin angrenzenden Gemeinden wuchsen in wenigen Jahren von Dörfern zu Vorstädten mit fünfstelliger Einwohnerzahl heran. Anders als viele der im Kreis Teltow gelegenen Gemeinden waren die Niederbarnimer Vororte überwiegend von Arbeitern bewohnt und hatten ein niedriges Steueraufkommen.

Heute ist das ehemalige Kreisgebiet aufgeteilt auf die Berliner Bezirke Spandau, Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinickendorf, Mitte, Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick, sowie die Brandenburger Landkreise Barnim, Oberhavel, Märkisch-Oderland und Oder-Spree.

Verwaltungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Preußen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der nachmittelalterlichen Zeit bildete sich in der Mark Brandenburg eine Gliederung in Kreise heraus. Einer dieser historischen Kreise war der Niederbarnimsche Kreis bzw. Kreis Niederbarnim.[1] Bis zur Franzosenzeit wurde auch die Stadt Berlin mit zum Kreis Niederbarnim gerechnet.[2][3]

Entwicklung des Kreisgebietes

Im Zuge der preußischen Provinzialbehörden-Verordnung vom 30. April 1815 und ihrer Ausführungsbestimmungen wurde der Kreis (ohne die Stadt Berlin) Teil des Regierungsbezirks Potsdam in der Provinz Brandenburg. Im Regierungsbezirk Potsdam erfolgte mit Wirkung zum 1. April 1817 eine Kreisreform, durch die der Kreis Niederbarnim um mehrere Orte vergrößert wurde:[4][5]

Das Landratsamt des Kreises verblieb im Nieder-Barnimer Kreishaus in Berlin NW 40 am Friedrich-Karl-Ufer 5.

Einige an Berlin angrenzende Orte des Kreises gehörten bis zum 1. Januar 1822 zum Regierungsbezirk Berlin, der mit diesem Tage aufgelöst wurde. Damit gehörte nunmehr das gesamte Kreisgebiet zum Regierungsbezirk Potsdam.

Zum 1. Januar 1861 wurden die Orte Moabit (6500 Einwohner) sowie Wedding und Gesundbrunnen (zusammen rund 10.000 Einwohner) nach Berlin eingemeindet.

Zum 1. April 1908 wurde die Stadt Lichtenberg, die am 15. November 1907 das Stadtrecht erhalten hatte, zur kreisfreien Stadt erhoben und schied damit aus dem Kreis Niederbarnim aus. Lichtenberg hatte zu diesem Zeitpunkt bereits rund 68.000 Einwohner und wuchs in den folgenden zwölf Jahren auf 145.000 Einwohner.

Am 1. April 1912 wurde die Landgemeinde Boxhagen-Rummelsburg aus dem Kreis Niederbarnim in die Stadt Lichtenberg eingemeindet. Diese änderte noch im gleichen Jahr ihren Namen in Berlin-Lichtenberg.

Das Kreisgebiet 1905

Groß-Berlin-Gesetz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 1. Oktober 1920 wurden mit dem „Groß-Berlin“-Gesetz 29 Landgemeinden und 14 Guts- und Forstbezirke des Kreises in die neu gebildeten Stadtbezirke Berlins eingegliedert (Gemeinden über 1000 Einwohner mit Einwohnerzahl 1919):

Die Bezirke Reinickendorf, Pankow, Weißensee und Lichtenberg entstanden ganz aus ehemaligen Niederbarnimer Gebietsteilen. Das Gebiet der Bezirke Köpenick und Treptow gehörte zuvor überwiegend zum Kreis Teltow, das von Friedrichshain gehörte – außer Stralau – zuvor schon zu Berlin.

Republik und Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zum 30. September 1929 fand im Kreis Niederbarnim entsprechend der Entwicklung im übrigen Preußen eine Gebietsreform statt, bei der nahezu alle bisher selbstständigen Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden.

Das Landratsamt sollte 1938 nach Bernau verlegt werden; es verblieb jedoch bis Kriegsende in Berlin.

Der Kreis Niederbarnim umfasste am 1. Januar 1945

Heutige Aufteilung des Niederbarnims

DDR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gesetz über die Änderung zur Verbesserung der Kreis- und Gemeindegrenzen vom 28. April 1950 brachte zum 1. Juli 1950 umfangreiche Gebietsänderungen:

Mit dem „Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe im Lande Brandenburg“ vom 25. Juli 1952 wurde der Landkreis Niederbarnim aufgelöst und auf die neugeschaffenen Kreise Oranienburg, Bernau und Strausberg aufgeteilt.

Einwohnerentwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr Einwohner Quelle
1750 0018.8541 [2]
1800 0032.5501 [2]
1816 033.846 [7]
1846 066.719 [8]
1871 088.654 [9]
1890 188.297 [10]
1900 293.025 [10]
1910 445.265 [10]
1925 138.783 [10]
1933 180.941 [10]
1939 232.106 [10]
1946 222.992 [11]
1 
Ohne Berlin; mit Berlin 108.377 (1750) bzw. 204.673 (1800) Einwohner

Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kommunalverfassung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Kreis Niederbarnim gliederte sich in Städte, in Landgemeinden und – bis zu deren nahezu vollständiger Auflösung im Jahre 1929 – in Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 sowie der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 wurde zum 1. April 1935 das Führerprinzip auf Gemeindeebene durchgesetzt. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.

Landräte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reichstagsabgeordnete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 bildete der Kreis Niederbarnim den 6. Wahlkreis im Regierungsbezirk Potsdam der preußischen Provinz Brandenburg für den deutschen Reichstag. Die seit 1908 kreisfreie Stadt Lichtenberg gehörte auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Landkreis weiterhin zu diesem Wahlkreis. Mit der Wahl zur Nationalversammlung 1919 wurden die bisherigen Wahlkreise aufgehoben.

Abgeordnete des Wahlkreises 6 (Niederbarnim) des Regierungsbezirks Potsdam
Reichstagswahl Abgeordneter Partei
3. März 1871 Carl von Treskow Konservative Partei
10. Januar 1874 Ulrich von Saint-Paul-Illaire Freikonservative Partei
10. Januar 1877 Emanuel Mendel Fortschrittspartei
30. Juli 1878 Emanual Mendel Fortschrittspartei
27. Oktober 1881 Arnold Lohren Freikonservative Partei
28. Oktober 1884 Arnold Lohren Freikonservative Partei
21. Februar 1887 Arnold Lohren Freikonservative Partei
20. Februar 1890 Arthur Stadthagen Sozialdemokraten
15. Juni 1893 Arthur Stadthagen Sozialdemokraten
16. Juni 1898 Arthur Stadthagen Sozialdemokraten
16. Juni 1903 Arthur Stadthagen Sozialdemokraten
25. Januar 1912 Arthur Stadthagen Sozialdemokraten
12. Januar 1912 Arthur Stadthagen Sozialdemokraten
März 1918 (Nachwahl) Rudolf Wissell Sozialdemokraten

Städte und Gemeinden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stand 1945[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Kreis Niederbarnim gehörten 1945 die folgenden Städte und Gemeinden an:

Außerdem bestanden 1945 noch die vier Forst-Gutsbezirke Barnimer Heide, Oranienburger Heide, Rüdersdorfer Heide und Schorfheide.

Vor 1945 aufgelöste Gemeinden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben den Eingemeindungen nach Berlin im Rahmen des Groß-Berlin-Gesetzes verloren bis 1945 im Kreis Niederbarnim noch weitere Gemeinden ihre Selbstständigkeit:

Namensänderungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Dalldorf wurde am 6. Oktober 1905 in Wittenau umbenannt.
  • Kalkberge wurde am 21. Juli 1934 in Rüdersdorf bei Berlin umbenannt.
  • Petershagen (Ostbahn) war die frühere Bezeichnung von Petershagen bei Berlin
  • Werlsee wurde am 16. Juli 1934 in Grünheide (Mark) umbenannt.
  • Die Berliner Vorortgemeinden Friedrichsfelde, Heinersdorf, Hermsdorf, Hohenschönhausen, Lichtenberg, Niederschönhausen, Oberschöneweide, Pankow, Rosenthal, Reinickendorf und Treptow erhielten 1912 den Namenszusatz „Berlin-“. Die Gemeinde Französisch Buchholz wurde in Berlin-Buchholz umbenannt.

Heutige Begriffsverwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Trotz seiner 1952 erfolgten vollständigen Auflösung als administrative Einheit hat sich der Begriff „Niederbarnim“ bis heute in anderen Bereichen gehalten, besonders in der Gegend um Bernau:

Niederbarnimer Eisenbahn

Niederbarnimer Wasser- und Abwasserzweckverband

DRK-Kreisverband Niederbarnim

Kneippverein Niederbarnim

Montessorischule Niederbarnim in Panketal

Sportgemeinschaft Empor Niederbarnim in Bernau

Tierschutzverein Niederbarnim

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Beiträge zur Geschichte des Bergbaues in der Provinz Brandenburg, Hermann Cramer, Halle 1872–1889, Band 5, Reprint, (Faksimile), ISBN 978-3-88372-004-3, Potsdam 2011.
  • Kalender für den Kreis Niederbarnim, Wilhelm Möller, Oranienburg 1914–1942 (Beiträge zur Geschichte, zu Land und Leuten, sowie aktuelle Berichterstattungen; Digitalisate).
  • Claudia Wilke: Die Landräte der Kreise Teltow und Niederbarnim im Kaiserreich. Potsdam 1998, ISBN 3-930850-70-2.
  • Klaus Nietmann (Hrsg.) & Brigitta Heine (Hrsg.): Kreise und Landräte des Barnim. 18. Jahrhundert bis Gegenwart. Barnimer Historische Forschungen, Band 1. be.bra wissenschaft verlag, 1. Aufl. edition 2015.
  • Torsten Hartisch: „Zum Landrat nicht geeignet“. Leitendes Personal der zentralen, regionalen und lokalen Verwaltungsdienststellen in Brandenburg 1945-1952. Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, Band 78, 1. Edition (2022). Digitalisat

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Landkreis Niederbarnim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Niederbarnim – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ingo Materna, Wolfgang Ribbe (Hrsg.): Brandenburgische Geschichte. Akademie Verlag, Berlin 1995, ISBN 3-05-002508-5, Grenzen und Verwaltungsgliederung, S. 32 ff. (Digitalisat [abgerufen am 5. Mai 2016]).
  2. a b c Friedrich Wilhelm August Bratring: Statistisch-topographische Beschreibung der gesammten Mark Brandenburg. Band 2. Friedrich Maurer, Berlin 1805, Kap. Kreis Niederbarnim, S. 142 ff. (Digitalisat).
  3. Anton Friedrich Büsching: Erdbeschreibung. Band 8. Bohn, Hamburg 1791 (Digitalisat).
  4. Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam. Kreiseinteilung des Regierungsbezirks Potsdam. Band 1816, Nr. 12. Potsdam, S. 103 (Digitalisat [abgerufen am 5. Mai 2016]).
  5. Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam. Inkrafttreten der neuen Kreiseinteilung des Regierungsbezirks Potsdam. Band 1817, Nr. 7. Potsdam, S. 51 (Digitalisat [abgerufen am 5. Mai 2016]).
  6. Statistisches Bundesamt: Gemeinden 1994 und ihre Veränderungen seit 01.01.1948 in den neuen Ländern. Metzler-Poeschel, Stuttgart 1995, ISBN 3-8246-0321-7.
  7. Christian Gottfried Daniel Stein: Handbuch der Geographie und Statistik des preußischen Staats. Vossische Buchhandlung, Berlin 1819, Der Regierungsbezirk Potsdam, S. 197 (Digitalisat [abgerufen am 5. Mai 2016]).
  8. Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau’s in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. S. 313 (Digitalisat).
  9. Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Brandenburg und ihre Bevölkerung 1871
  10. a b c d e f Michael Rademacher: Landkreis Niederbarnim. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  11. Volkszählung 1946