Nikolaikirche (Wismar)

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Südansicht der Nikolaikirche
Grundriss der Nikolaikirche

Die Kirche St. Nikolai von Wismar wurde von 1381 bis 1487 als Kirche der Seefahrer und Fischer erbaut. Sie gilt als Meisterwerk der Spätgotik im nordeuropäischen Raum. Die Nikolaikirche ist als Teil der Wismarer Altstadt seit 2002 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes verzeichnet. Sie ist zur Zeit Eigentum der Stadt (siehe Geistliche Hebungen) und dient der Kirchgemeinde St. Nikolai im Kirchenkreis Wismar der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs.

Baubeschreibung

Das Bauwerk ist eine dreischiffige Basilika mit Einsatzkapellen, Chorumgang und Kapellenkranz und wurde im Stil der norddeutschen Backsteingotik errichtet. Sowohl dem nördlichen als auch dem südlichen Seitenschiff gliedern sich querhausartige Vorhallen an, die jedoch nicht direkt mit dem Hauptschiff verbunden sind und auch nicht dessen Höhe erreichen. Der Bau orientiert sich im Wesentlichen an der Ratskirche St. Marien von Wismar, die ebenso wie St. Nikolai die Urform der Lübecker Marienkirche aufgreift.

Der ursprüngliche Turm hatte eine Höhe von 120 m. Am 8. Dezember 1703 zerstörte ein Sturm den Spitzhelm des Turms. Teile des Spitzhelmes durchschlugen das Dach des Hauptschiffes und richteten große Zerstörungen an der Inneneinrichtung an. Erst 1867 war die Kirche wieder hergestellt.

Die vergleichsweise geringen Schäden an der Nikolai-Kirche im Bombenkrieg wurden 1946 bis 1948 im Wesentlichen behoben, das Dach 1962 bis 1963 erneuert.

Der gewaltige Baukörper von St. Nikolai bildet mit seinem hohen Kirchenschiff einen markanten Punkt in der Stadtsilhouette Wismars, zusammen mit den anderen beiden großen Kirchen St. Marien und St. Georgen.

Hauptschiff

Das Hauptschiff der Kirche St. Nikolai ist mit 37 Metern Gewölbehöhe das vierthöchste Kirchenschiff Deutschlands, wobei die Marienkirche in Lübeck nur um 1,5 m höher ist als die Nikolaikirche .

Hauptschiffgewölbe St. Nikolai

Die Betonung der Vertikalen mit hohen und dicht gestellten Arkaden zu den Seitenschiffen und kürzeren Fenstern im Obergaden verleiht dem Innenraum eine besondere Höhenwirkung. Dazu trägt ebenso die relativ geringe Breite des Hauptschiffes von nur 10,50 m bei.

St. Nikolai: Strebebögen

Strebewerk

Anders als bei anderen großen Sakralbauten der Spätgotik in Norddeutschland (z.B. Georgenkirche (Wismar), Marienkirche (Stralsund)) ist hier das Strebewerks präsent, außen gibt es 16 Strebebögen, die dem hochaufragenden Mittelschiff die notwendige Stabilität geben und auch als Zierde des Gebäudes dienen.

Giebel der Südhalle

Der Giebel der Südhalle weist einen für die Backsteingotik ungewöhnlich reichen Schmuck auf. Er ist durch Motivfriese gegliedert, die im Backstein eingefügt sind. Die einzelnen Figuren stellen die Mutter Gottes, den heiligen Nikolaus, Drachen, Löwen und Menschenköpfe dar. Oberhalb der Motivfriese befindet sich eine der Sonne nachempfundene Rosette aus Backstein. Der Schmuck gilt als Beleg, dass die Baumeister der Backsteingotik eine allgemein eher schlichte und nüchterne Wirkung ihrer Bauwerke erreichen wollten. Das klare Gesamtbild des ganzen Baukörpers mit seiner Struktur sollte in den Vordergrund treten.

Das Innere

Inneres nach Osten

Das Innere der Nikolaikirche ist geprägt vom Zusammenspiel sakraler Baukunst aus verschiedenen Epochen. Während die Architektur des Raumes und der Gebäudeteile gotisch sind, ist die Ausstattung weitgehend barock. Eine Renovierung und Neueinziehung der Gewölbe 1867 haben dazu geführt, dass nur noch einzelne Elemente der Originalfassung erhalten sind. Die Renovierung der zerstörten Ausstattungselemente erfolgte dann im Barockstil. Erwähnenswert sind ebenfalls die spätgotischen Wandmalereien.

Viele Teile der reichhaltigen Ausstattung stammen ursprünglich aus ehemaligen oder zerstörten Wismarer Kirchen. So wurde in der südlichen Vorhalle das Hochaltarretabel und das Triumphkreuz von 1430 aus St. Georgen untergebracht. Es war mit zehn Metern Breite bei geöffneten Flügeln das größte seiner Art im gesamten Ostseeraum. Auch in der Nordhalle befinden sich Relikte der Ausstattung von St. Marien und St. Georgen. Das gotische Gestühl im Chorumgang stammt ebenfalls aus St. Georgen.

Von April bis Oktober finden Führungen über dem Deckengewölbe statt.

Altar

Der Hauptaltar wurde 1774 gebaut und ist ein großartiges Zeugnis des Spätbarock. Interessant ist, dass der Sockel des Altaraufsatzes das Abendmahl darstellt. Die Spitze des Altars bildet eine triumphierende Christusstatue.

Orgel

Die Orgel vom Chorumgang aus gesehen

Die Orgel wurde erst 1985 eingebaut. Vorher befand sich die ab 1787 erbaute Orgel in der Freiberger Nikolaikirche in Sachsen. Das reichverzierte Instrument wurde von Johann Gottlob Mende geschaffen und verfügt über zwei Manuale und 28 Register.

I Hauptwerk C–e3
1. Bordun 16′
2. Principal 8′
3. Gemshorn 8′
4. Rohrflöte 8′
5. Octave 4′
6. Spitzflöte 4′
7. Quinte 3′
8. Octave 2′
9. Terz 13/5
10. Cornett IV (ab c1)
11. Mixtur IV
12. Trompete 8′
II Oberwerk C–e3
13. Principal 8′
14. Gedackt 8′
15. Salicional 8′
16. Quintatön 8′
17. Octave 4′
18. Rohrflöte 4′
19. Naßat 22/3
20. Octave 2′
21. Sifflöte 2′
22. Mixtur III
Pedal C–d1
23. Untersatz 32′
24. Principal 16′
25. Subbaß 16′
26. Octavbaß 8′
27. Octavbaß 4′
28. Posaunenbaß 16′

Glocken

Zu den Verlusten durch den Orkan von 1703 zählten auch die damals vorhandenen Glocken. Zwei neue wurden in Lübeck vom damaligen Ratsgießer Loranz Strahlborn gegossen; seine Große Glocke von 1732 gilt als die „klangschönste barocke Großglocke“[1] zwischen Hamburg und Stralsund. Drei weitere Glocken wurden im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen, darunter die zweitgrößte Glocke der Kirche, die Bürgerglocke von 1705. Als ihr Ersatz wurde 1963 in Apolda eine neu, etwas kleinere Glocke gegossen. Dafür wurden eine der noch erhaltenen Glocken aus St. Georgen und die Glocke des Schwarzen Klosters von 1501 eingeschmolzen.

Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer, Gussort
 
Masse
(kg)
Durchmesser
(mm)
Schlagton
(HT-1/16)
1 Große Glocke 1732 Lorenz Strahlborn, Lübeck 5560 1984 as0 +4,5
2 Wächterglocke 1727 Lorenz Strahlborn, Lübeck 1450 1370 es1 –5
3 Bügerglocke 1963 Schilling, Apolda 1080 ges1 +3

Maße

St. Nikolai: Südansicht
  • Turmhöhe: 64 m (ehemals 120 m)
  • Gesamtlänge: 85 m
  • Größte Breite: 58 m
  • Mittelschiff: 37 m x 10,5 m
  • Seitenschiffe: 18,5 m x 5,5 m
  • Wandstärke des Turmschaftes: 4,5 m
  • Wandstärke der Kapellen: 1,20 m
  • Umfang der Mittelschiffpfeiler: 8 m
  • Verbaute Steine: ca. 3 Millionen

Literatur

  • Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. II. Band: Die Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin. Schwerin 1898, Neudruck Schwerin 1992, S. 120 ff. ISBN 3910179061

Weblinks

Commons: Nikolaikirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Claus Peter: Die Glocken der Wismarer Hauptkirchen. Bestand und Quellen. In: Jahrbuch für Glockenkunde. Bd. 5/6 (1993/94), S. 69-94, hier S. 81–83.

Koordinaten: 53° 53′ 44″ N, 11° 27′ 55,9″ O