Nordsamische Sprache

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Nordsamisch (davvisámegiella)

Gesprochen in

Norwegen, Schweden, Finnland
Sprecher 15.000–25.000
Linguistische
Klassifikation

Uralisch

Finno-ugrisch
Finnopermisch
Wolgafinnisch
Finnosamisch
Samisch
  • Nordsamisch
Offizieller Status
Amtssprache in als Minderheitensprache anerkannt in einzelnen Gemeinden in Finnland, Norwegen und Schweden
Sprachcodes
ISO 639-1

se

ISO 639-2

sme

ISO 639-3

sme

Verbreitungsgebiet des Nordsamischen (Nr. 5) im samischen Sprachraum

Nordsamisch (auch Saamisch, Sámi; Eigenbezeichnung davvisámegiella) ist die mit Abstand größte Sprache aus der Gruppe der samischen Sprachen. Damit gehört sie zur finno-ugrischen Sprachfamilie. Nordsamisch wird von 15.000 bis 25.000 Samen im norwegischen, schwedischen und finnischen Teil Lapplands gesprochen.

Nordsamisch ist in den Gemeinden Kåfjord, Karasjok, Kautokeino, Lavangen, Nesseby, Porsanger und Tana in Norwegen, Arjeplog, Gällivare, Jokkmokk und Kiruna in Schweden sowie Enontekiö, Inari, Sodankylä und Utsjoki in Finnland als Minderheitssprache anerkannt und im Verkehr mit Behörden zugelassen.

Rechtschreibung

1979 wurde eine einheitliche nordsamische Orthografie festgelegt.[1] Zuvor hatte es in jedem Land einen eigenen Rechtschreibestandard gegeben. Die offizielle Orthografie wurde zuletzt 1985 geändert. Das Nordsamische wird in einer Variante des lateinischen Alphabets geschrieben, das über folgende 29 Buchstaben verfügt:

A/a Á/á B/b C/c Č/č D/d Đ/đ E/e F/f G/g H/h I/i J/j K/k L/l M/m N/n Ŋ/ŋ O/o P/p R/r S/s Š/š T/t Ŧ/ŧ U/u V/v Z/z Ž/ž

Bei folgenden Buchstaben unterscheidet sich die Aussprache von dem Lautwert in der IPA-Lautschrift: A ​[⁠ɑ⁠]​, Á ​[⁠a⁠]​, C ​[⁠ts⁠]​, Č ​[⁠⁠]​, Đ ​[⁠ð⁠]​, Š ​[⁠ʃ⁠]​, Ŧ ​[⁠θ⁠]​, Z ​[⁠dz⁠]​, Ž ​[⁠⁠]​.

Phonologie

Das Nordsamische verfügt über fünf bzw. sechs Vokale, da in Lehnwörtern ebenso <y> vorkommt. Das <a> tritt in einfacher Länge (<a>) und in doppelter Länge (<á>) auf:

i: ungerundeter, geschlossener vorderer Vokal.

y: gerundeter, geschlossener vorderer Vokal.

e: ungerundeter, halbgeschlossener vorderer Vokal.

á: ungerundeter, offener zentraler Vokal.

a: ungerundeter, offener hinterer Vokal.

u: gerundeter, geschlossener hinterer Vokal.

o: gerundeter, halbgeschlossener hinterer Vokal.

Konsonanten

Das Nordsamische kennt die folgenden 26 Konsonanten:

  Bilabial Labiodental Dental Alveolar Postalveolar Palatal Velar Glottal
Plosive p, b     t, d   c, ɟ k, g  
Nasale m     n   ɲ ŋ  
Vibranten       r        
Frikative   f, v θ, ð s       h
Approximanten           j    
Laterale       l   ʎ    
Affrikate       ts, dz ,      

Grammatik

Stufenwechsel

Wie das Finnische oder das Estnische, so kennt auch das Nordsamische einen Stufenwechsel. Im Unterschied zum Finnischen, wo hauptsächlich die Plosive involviert sind, sind beim Stufenwechsel im Nordsamischen wesentlich mehr Konsonanten, bzw. Konsonantenverbindungen beteiligt. Außerdem, im Unterschied zum Finnischen, werden nicht zwei, sondern drei Konsonantenquantitäten unterschieden.

Der Stufenwechsel spielt vor allem in der Flexionsmorphologie eine wichtige Rolle. So werden bei vielen Wörtern Nominativ Singular und Genitiv / Akkusativ Singular nur durch den Stufenwechsel unterschieden. Die folgende Tabelle exemplifiziert den Stufenwechsel bei den labialen Plosiven und bei Konsonantenverbindungen mit diesen:

Typ starke Stufe schwache Stufe
hpp : hp báhppa 'Priester' báhpa 'des Priesters'
hp : b giehpa 'Ruß' gieba 'des Rußes'
bb : pp spábba 'Ball' spáppa 'des Balles'
bm : pm biebmu 'Essen' biepmu 'des Essens'
pm : m rápmi 'Lob' rámi 'des Lobes'
đb : đbb beađbi 'Schulterblatt' beađbbi 'des Schulterblattes'
ib : ibb láibi 'Brot' láibbi 'des Brotes'
ip : ipp biipu 'Pfeife' biippu 'der Pfeife'
lb : lbb silba 'Silber' silbba 'des Silbers'
lp : lpp skoalpa 'Sumpfdotterblume' skoalppa 'der Sumpfdotterblume'
mb : mbb bumbá 'Truhe' bumbbá 'der Truhe'
mp : mpp lámpá 'Lampe' lámppá 'der Lampe'
rb : rbb skárba 'Peitsche' skárbba 'der Peitsche'
rp : rpp soarpa 'Schaum' soarppa 'des Schaumes'
sp : spp ráspa 'Raspel' rásppa 'der Raspel'
šp : špp rušpi 'Karotte' rušppi 'der Karotte'
vp : vpp gávpi 'Geschäft' gávppi 'des Geschäftes'
ibm : imm áibmu 'Luft' áimmu 'der Luft'
lbm : lmm čuolbma 'Knoten' čuolmma 'des Knotens'
rbm : rpm čorbma 'Faust' čorpma 'der Faust'

Analoges gilt auch für andere Plosive, bzw. generell andere Konsonanten. Der Nom. Sg. áhčči 'Vater' hat als Gen. Sing. áhči, der Nom. Sg. eadni 'Mutter' einen Gen. Sg. eatni, neben einem Nominativ sávdnji 'Naht' steht ein Genitiv sávnnji, neben einem Nominativ muohta 'Schnee' in der schwachen Stufe steht ein Genitiv muohttaga in der starken Stufe. Auch beim Verbum sind diese Alternationen vorhanden: Zum Infinitiv juhkat 'trinken' existiert eine 1. Person Singular im Präsens jugan 'ich trinke', zum Infinitiv doaivut 'hoffen' eine 1. P. Sg. Präs. doaivvun 'ich hoffe'.

In manchen Fällen können sogar alle drei Quantitätsstufen alternieren. Dies tritt beispielsweise bei manchen Verben auf, zum Beispiel: oađ'đi '(ihr beide) schlaft!' : oađđit 'schlafen' : oađán 'ich schlafe'. Aber auch zwischen jiegŋái 'vereist, gefroren', jiekŋa 'Eis' und jieŋa 'des Eises' ist eine dreifache Quantitätsopposition vorhanden.

Kasus

Das Nordsamische kennt sieben Kasus: Nominativ, Genitiv, Akkusativ, Lokativ, Illativ, Komitativ und Essiv. Der Genitiv und Akkusativ sind formengleich, daher wird die Anzahl der Kasus teils auch mit sechs angegeben.

Nomen

Das Nomen flektiert in zwei Numeri, dem Singular und dem Plural. Im Unterschied zu den Pronomina und den Verben ist hier also kein Dual vorhanden. Es werden zudem verschiedene Nominatypen unterschieden: Nomina mit gerader Silbenanzahl, Nomina mit ungerader Silbenanzahl und kontrahierte Nomina. In der folgenden Übersichtstabelle werden diese exemplarisch dargestellt. Die Zuordnung ist dabei wie folgt: Nomina mit gerader Silbenanzahl: guolli 'Fisch', beaivvádat 'Sonnenschein'; Nomina mit ungerader Silbenanzahl: duottar 'Berg, Tundra, Fjell', beana 'Hund'; kontrahierte Nomina: boazu 'Rentier', geavŋŋis 'große Stromschnelle, Wasserfall'.

Kasus Singular Plural
Nom. guolli beaivvádat duottar beana boazu geavŋŋis guolit beaivvádagat duoddarat beatnagat bohccot geavgŋát
Gen. / Akk. guoli beaivvádaga duoddara beatnaga bohcco geavgŋá guliid beaivvádagaid duoddariid beatnagiid bohccuid geavgŋáid
Lok. guolis beaivvádagas duoddaris beatnagis bohccos geavgŋás guliin beaivvádagain duoddariin beatnagiin bohccuin geavgŋáin
Ill. gullái beaivvádahkii duoddarii beatnagii bohccui geavgŋái guliide beaivvádagaide duoddariidda beatnagiidda bohccuide geavgŋáide
Kom. guliin beaivvádagain duoddariin beatnagiin bohccuin geavgŋáin guliiguin beaivvádagaiguin duoddariiguin beatnagiiguin bohccuiguin geavgŋáiguin
Ess. guollin beaivvádahkan duottarin beanan boazun geavŋŋisin guollin beaivvádahkan duottarin beanan boazun geavŋŋisin

Daneben wird zwischen einer absoluten Deklination und einer possessiven Deklination unterschieden, wobei bei letzterer Personalsuffixe an das Substantiv im jeweiligen Kasus angehängt werden. So bedeutet guos'si lediglich 'Gast', während guos'sán 'mein Gast', guos'sát 'dein Gast' usw. bedeutet.

Pronomina

Die Personalpronomina kommen in drei Numeri vor: Singular (Einzahl), Dual (Zweizahl) und Plural (Mehrzahl).

Person Nordsamisch Deutsch
1. Sg. mun ich
2. Sg. don du
3. Sg. son er/sie
1. Du. moai wir beide
2. Du. doai ihr beide
3. Du. soai sie beide
1. Pl. mii wir
2. Pl. dii ihr
3. Pl. sii sie

Verb

Das nordsamische Verb wird in drei Personen und drei Numeri (Singular, Dual, Plural) konjugiert. Es kennt zwei einfache (Vergangenheit und Nicht-Vergangenheit) und zwei zusammengesetzte (Perfekt, Plusquamperfekt) Tempora sowie vier Modi (Indikativ, Imperativ, Konditional und Potential). Wie die anderen samischen Sprachen, das Finnische und das Estnische verwendet das Nordsamische ein Verneinungsverb.

Intransitive Verben[2]

Man kann drei Klassen von intransitiven Verben unterscheiden:

1. Bei intransitiven Verben, die Witterungsphänomene beschreiben, wird kein Subjekt benutzt:

  1. arvit „regnen“ arvá „Es regnet“
  2. bieggat „windig sein“ bieggá “Es ist windig”
  3. muohta “Schnee” muohttá „Es schneit“
  4. leat čoaskkis “kalt sein” lea čoaskkis „Es ist kalt“

2. intransitive Verben, die ein Subjekt nehmen:

  1. nohkkat „ins Bett gehen“ čohkkat „sitzen“
  2. girdit „fliegen“ eallit „leben“

3. intransitive Verben, die ein Subjekt und ein Komplement nehmen:

  1. mannat „gehen“
  2. boahtit „kommen“,
  3. mátkkoštit „reisen“

Transitive Verben[3]

1. transitive Verben, die ein Objekt nehmen:

  1. goarrut „nähen“
  2. gullat „hören“,
  3. čuohppat „schneiden“
  4. diehtit „wissen“

2. transitive Verben, die ein Objekt und ein Komplement nehmen:

  1. doalvut „nehmen“
  2. addit „geben“

Literatur zum Nordsamischen

Lehrbücher

  • Hans-Hermann Bartens: Lehrbuch der saamischen (lappischen) Sprache. Buske, Hamburg 1989, ISBN 978-3-87118-885-5.
  • Bettina Dauch: Samisch für Lappland. Wort für Wort (= Kauderwelsch. Band 192). 1. Auflage. Reise Know-How Verlag Rump, Bielefeld 2005, ISBN 978-3-89416-360-0.
  • Pekka Sammallahti: The Saami Languages. An Introduction, Davvi Girji, Kárášjohka 1998
  • Pekka Sammallahti: Saamic. In: Daniel Abondolo (Hrsg.): The Uralic Languages, Routledge, London / New York 1998

Wörterbücher

  • Klaus Peter Nickel, Pekka Sammallahti: Sámi-duiskka sátnegirji. Saamisch-Deutsches Wörterbuch, Davvi Girji, Kárášjohka 2006
  • Pekka Sammallahti: Sámi-suoma-sámi sátnegirji. Saamelais-suomalais-saamelainen sanakirja, Girjegiisá Oy, Ohcejohka 1993
  • Klaus Peter Nickel, Pekka Sammallahti: Duiskka-sámi sátnegirji. Deutsch-Saamisches Wörterbuch, Davvi Girji, Kárášjohka 2008

Zeitungen

Außerdem gibt es die in Finnland, Schweden und Norwegen erscheinende Zeitung Ávvir.

Nordsamisches Schrifttum

Titelblatt des ersten auf nordsamisch gedruckten Buches, Kopenhagen 1728

Als erstes auf nordsamisch gedrucktes Buch gilt eine Übersetzung des Katechismus von Martin Luther aus dem Jahre 1728. Der Autor dieser Übersetzung war Morten Lund, ein dänischer Priester, der als Missionar in Overhalla tätig war. Er legte großen Wert darauf, mit den Samen, ihre Muttersprache zu sprechen, und hat sie intensiv gelernt. Seine samische Übersetzung des Katechismus von Martin Luther mit dem Titel Doktor Marten Lutter Utza Katekismusaz war bereits 1724 fertiggestellt, ist aber erst vier Jahre später als zweisprachige Ausgabe in Kopenhagen erschienen.[4]

Erste Grammatik des Nordsamischen wurde 1748 von Knud Leem veröffentlicht,[5]

Als erstes weltliches Buch in nordsamisch gilt das bekannte ebenfalls zweisprachig 1910 in Kopenhagen erschienene Buch von Johan Turi Muitalus sámiid birra, das auch auf Deutsch bereits zwei Jahre später als „Erzählung von dem Leben der Lappen“ erschienen ist.

Einzelnachweise

  1. Gáldu: Language – the Map of Reality
  2. http://www.glottopedia.de/index.php/Nord-Saami
  3. http://www.glottopedia.de/index.php/Nord-Saami
  4. Åke Jünge: Sameskole og samemisjon i Indre Namdalen for 250 år sidan. In: Samisk skolehistorie, Bd. 5, Davvi Girji : Kárášjohka 2011 (norw.)
  5. Norges Samemisjon - en kortfattet historisk oversikt (norw.)

Weblinks