Musikinstrumentenkunde

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Aerophone (Piccolotrompete, „Standard“ B-Trompete u. Basstrompete)

Musikinstrumentenkunde oder Instrumentenkunde, auch Organologie (von altgriechisch ὄργανον, Instrument und altgriechisch λόγος, Kunde von), ist ein Fachbereich der Musikwissenschaft, welches mittels natur- und geisteswissenschaftlicher Methoden der Erforschung, der Dokumentation und der Lehre über Musikinstrumente dient. Als akademisch eingerichtetes Fach bezeichnet Kunde unter anderem die Sammlung von Beschreibungen (Organografie) von Instrumenten, deren Spielweisen, deren Entwicklung im Laufe der Zeit sowie alle Versuche zur Klassifizierung von Musikinstrumenten.[1]

Instrumentenkunde schließt alle historischen und modernen (rezenten) Musikinstrumente ein, sowohl jene der europäisch geprägten Kunstmusiktradition, der Volks- und Popularmusik als auch alle modernen und alten klangerzeugenden Instrumente außereuropäischer Musiktraditionen. Letzteres wird auch als Ethno-Organologie bezeichnet.[2]

Der Fokus und die Forschungsmethoden sind vielfältig. Die Lehre vom Einsatz der Instrumente in Kompositionen und Arrangements (die Instrumentation) nennt man Instrumentationslehre oder Instrumentationskunde. In Überschneidung mit der musikalischen Akustik werden in der technischen Instrumentenkunde der Aufbau und die daraus resultierenden Klangeigenschaften untersucht. Organologen sind überwiegend an Musikinstrumentenmuseen, Musikhochschulen und Universitäten aktiv. Auch viele Hersteller von Musikinstrumenten betreiben Forschungen.

Geschichte und Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. klassifizierten die Chinesen die Instrumente nach dem verwendeten Material. (Stein, Bambus, Seide etc.). Im europäischen Mittelalter gab es eine Einteilung nach der Art des Musikgenres (mit/ohne Gesang, zum Tanz etc.). In der Neuzeit wurde bereits nach der Art der Tonerzeugung unterteilt, jedoch systematisch inkonsequent. (Blasinstrumente, Streichinstrumente, Zupfinstrumente…) siehe auch Instrumentenfamilien.

Die bis heute weltweit verwendete Hornbostel-Sachs-Systematik stammt vom Wiener Erich Moritz von Hornbostel und dem Berliner Curt Sachs, die an der „Sammlung alter Musikinstrumente bei der Staatlichen Hochschule für Musik zu Berlin“ arbeiteten. Sie selbst bezeichneten es als einen Versuch, die weltweit existierenden Musikinstrumente in ein System zu bringen. Veröffentlicht wurde sie 1914 in der Zeitschrift für Ethnologie. Sie basiert grundlegend auf dem System von Victor-Charles Mahillon, dem Kurator des Museums des Brüsseler Konservatoriums, aus dem Jahr 1888.[3] 1940 ergänzte sie Sachs um die Gruppe der Elektrophone. Die Hauptgruppen der Hornbostel-Sachs-Systematik basieren überwiegend auf der Art der Tonerzeugung, dem Tonerzeuger (Oszillator), bei der Gruppe der Chordophone jedoch auf der Form des Resonanzkörpers und der Anordnung der Saiten. Eine wesentliche Differenzierung in Untergruppen erfuhr die Hornbostel-Sachs-Systematik 2011 durch das Projekt Musical Instrument Museums Online (MIMO), wobei eine vierte Hauptgruppe bei den eigentlichen Blasinstrumenten (Membranopipes) und eine Untergruppe (Sucked trumpets) bei den Trompeten hinzukamen.

  1. Idiophone
    1. Schlagidiophone
    2. Zupfidiophone
    3. Reibidiophone
    4. Blasidiophone
  2. Membranophone
    1. Schlagtrommeln
    2. Zupftrommeln
    3. Reibtrommeln
    4. Ansingtrommeln (Mirlitone)
  3. Chordophone
    1. Einfache Chordophone oder Zithern
    2. Zusammengesetzte Chordophone
  4. Aerophone
    1. Freie Aerophone
    2. (Eigentliche) Blasinstrumente
  5. Elektrophone
    1. Elektromechanische Musikinstrumente
    2. Elektronische Musikinstrumente
    3. Digitale Musikinstrumente

Besonders für die Verwendung in der Musikethnologie wurden zeitweilig gänzlich andere Klassifizierungsansätze diskutiert, etwa das von Herbert Heyde 1975 vorgeschlagene „natürliche System der Musikinstrumente“ oder das ebenso komplexe, die Klangqualität miteinbeziehende System von Mantle Hood, 1971. Seit der Digitalisierung sind auch virtuelle Musikinstrumente Teil der Forschung.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Laurence Libin: Organology. In: Ders. (Hrsg.): The Grove Dictionary of Musical Instruments. Oxford University Press, Oxford/New York 2001
  • Sibyl Marcuse: A Survey of Musical Instruments. Harper & Row, New York 1975
  • John Henry van der Meer: Instrumentenkunde. In: Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), Sachteil 4, Bärenreiter/Metzler, Kassel/Stuttgart 1996, Sp. 951–970, ISBN 3-7618-1105-5
  • Curt Sachs: Real-Lexikon der Musikinstrumente, zugleich ein Polyglossar für das gesamte Instrumentengebiet. Julius Bard, Berlin 1913 (Digitalisat).
  • Curt Sachs: Handbuch der Musikinstrumente. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1920, 2. Auflage: Breitkopf und Härtel, Leipzig 1930; Neudruck der 2. Auflage: Olms, Hildesheim 1967.
  • Erich Valentin (Begründer): Handbuch der Musikinstrumentenkunde. (1954) Bosse, Regensburg 2004.
  • Josef Focht, Heike Fricke, Camilo Salazar Lozada (Hrsg.): Georg Kinskys nie gedruckte Geschichte der Blasinstrumente. Hollitzer Verlag, Wien 2023 (FRAKTAL, Band 1), ISBN 978-3-99094-092-1

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. John Henry van der Meer: Instrumentenkunde. In: Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). 4,. Jahrgang. Bärenreiter/Metzler, Kassel/Basel 1996, ISBN 3-7618-1105-5, S. 951–970.
  2. Stanley Sadie (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Musical Instruments. Macmillan, London 1984; Hans Fischer: Schallgeräte in Ozeanien. Bau und Spieltechnik – Verbreitung und Funktion. (= Sammlung Musikwissenschaftlicher Abhandlungen, Band 36). Heitz, Straßburg 1958.
  3. Erich M. von Hornbostel, Curt Sachs: Systematik der Musikinstrumente. Ein Versuch. In: Zeitschrift für Ethnologie 46, 1914, S. 553–590 (Digitalisat).