Oskar Walzel

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Oskar Walzel um 1912

Oskar Franz Walzel (* 28. Oktober 1864 in Wien; † 29. Dezember 1944 in Bonn) war ein österreichisch-deutscher Literaturwissenschaftler. Als Professor für Neuere deutsche Literatur wirkte er in Bern, Dresden und Bonn.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oskar Walzel wurde als Sohn des Feuilletonisten, Librettisten und kurzzeitigen künstlerischen Leiters des Theaters an der Wien Camillo Walzel geboren. Er studierte an den Universitäten Wien und Berlin, wurde 1887 promoviert und habilitierte sich in seiner Geburtsstadt 1894. 1897 erhielt er eine Berufung an die Universität Bern, 1907 wurde er Nachfolger von Adolf Stern an der Technischen Hochschule Dresden und ging 1921 an die Universität Bonn. 1933 wurde er emeritiert, hielt aber weiterhin Vorlesungen.

Grabstein von Oskar Walzel auf dem Bonner Südfriedhof

1936 entzog der Rektor der Universität Bonn Walzel die Venia Legendi wegen „jüdischer Versippung“. Er starb 1944 unter nicht ganz geklärten Umständen während eines Bombenangriffs. Er wurde auf dem Bonner Südfriedhof beigesetzt. Seine jüdische Ehefrau wurde im gleichen Jahr nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.[1]

Wissenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit seiner Schrift Wechselseitige Erhellung der Künste (1917) versuchte Walzel, einen interdisziplinären Ansatz in den Geisteswissenschaften anzuregen. Seine Freundschaft mit dem Kunstwissenschaftler Heinrich Wölfflin führte ihn zu einer Unterscheidung „tektonischer“ und „atektonischer“ Leitmotive in der Dichtung, die sich an Wölfflins kunsttheoretische Terminologie anlehnte.

Walzels Ideen sind etwa noch in der Dramentheorie lebendig (geschlossene und offene Form im Drama). In jüngster Zeit werden sie von der Medienwissenschaft wieder diskutiert.

Zu Oskar Walzels Schüler gehörten die Schriftstellerin Maria Waser, der Literaturwissenschaftler Harry Maync, der Schriftsteller Hermann Gschwind, der später für sein Engagement für die deutsch-türkischen Beziehungen in den 1950er Jahren bekannt gewordene Schweizer Journalist und Publizist Max Rudolf Kaufmann[2] und die Publizistin und Frauenrechtlerin Helene Stöcker.[3] Helene Stöcker schrieb über ihn: „Walzel war einsichtig genug, seine Studierenden nicht nur als seine Schüler, sondern als selbständige Menschen zu behandeln. Man konnte freier und offener mit den eigenen Überzeugungen herausrücken, als es sonst zwischen Lehrer und Schüler möglich ist“.[4]

Walzels Nachlass befindet sich in der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn und im Deutschen Literaturarchiv Marbach.

Porträtskulptur, um 1920, von Rudolf Wulfertange im Nachlass Oskar Walzels (Universitäts- und Landesbibliothek Bonn)

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sächsische Medaille Bene merentibus (1914)
  • Ritterkreuz des Sächsischen Verdienstordens (1915)

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Deutsche Romantik, 1908
  • Leitmotive in Dichtungen, 1917
  • Die deutsche Dichtung seit Goethes Tod, 1920
  • Gehalt und Gestalt im Kunstwerk des Dichters, 1923
  • Das Wortkunstwerk, 1926
  • Friedrich Lienhard †. Eine Würdigung seines Lebenswerkes, in: Westfälisches Volksblatt Nr. 125, 5. Mai 1929, S. 2.
  • Florenz in deutscher Dichtung, Köln 1937
  • Wachstum und Wandel. Lebenserinnerungen. Erich Schmidt Verlag, Berlin 1956

Herausgeber[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stolperstein für Hedwig Walzel vor dem ehemaligen Wohnsitz der Familie in der Reuterstraße 114, verlegt 2002[5]

In der Bonner Südstadt ist seit 1978 eine Straße nach Walzel benannt.[6]

Seit 2002 erinnert ein Stolperstein vor seinem ehemaligen Wohnsitz an seine ermordete Ehefrau.[7]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Festgabe für Oskar Walzel, überreicht von seinen Schülern zur Feier des 65. Geburtstages. Bonn 1929, Nachlass Walzel II, Universitäts- und Landesbibliothek Bonn.
  • Peter Goßens: Oskar Walzel. In: Christoph König (Hrsg.), unter Mitarbeit von Birgit Wägenbaur u. a.: Internationales Germanistenlexikon 1800–1950. Band 3: R–Z. de Gruyter, Berlin/New York 2003, ISBN 3-11-015485-4, S. 1980–1983.
  • Klaus Naderer: Oskar Walzels Ansatz einer neuen Literaturwissenschaft. Bonn 1994. ISBN 3-928799-12-6
  • Werner Brück: Wie erzählt Poussin? Proben zur Anwendbarkeit poetologischer Begriffe aus Literatur- und Theaterwissenschaft auf Werke der bildenden Kunst. Versuch einer „Wechselseitigen Erhellung der Künste“. Norderstedt 2014, ISBN 978-3-7357-7877-2.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Oskar Franz Walzel – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Teilnachlass Oskar Walzel. Findbuch. Hrsg. von der Universität Bonn, bearbeitet von Letitia Mölck und Birgit Schaper. Bonn 2007, S. 3.
  2. Max Rudolf Kaufmann: Erlebnisse in der Türkei vor 50 Jahren. In: Zeitschrift für Kulturaustausch, hrsg. vom Institut für Auslandsbeziehungen, Band 12, 1962, S. 237–241
  3. Helene Stöcker: Lebenserinnerungen. Die unvollendete Autobiographie einer frauenbewegten Pazifistin. Hrsg. von Reinhold Lütgemeier-Davin und Kerstin Wolff. Boehlau Verlag, Köln 2015, S. 76 f.
  4. Helene Stöcker: Lebenserinnerungen. Hrsg. von Reinhold Lütgemeier-Davin und Kerstin Wolff. Böhlau, Köln 2015, S. 76 f., s. auch 97.
  5. Stolperstein bei openstreetmap.org auf OpenStreetMap
  6. Oskar-Walzel-Straße im Bonner Straßenkataster
  7. Katalog der bisher in Bonn verlegten Stolpersteine (Stand: 2016). (PDF) Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus – An der Synagoge e. V., abgerufen am 23. Juni 2018 (pdf-Datei).