Ostdeutschland

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Ostdeutschland bezeichnet den Osten Deutschlands. Der Begriff hat mehrere geographische, politische als auch soziokulturelle Bedeutungen, die jedoch nicht alle deckungsgleich sind.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden als Ostdeutschland gemeinhin die östlich der Elbe gelegenen Teile Preußens bezeichnet (Ostelbien). Insbesondere waren damit die östlich der Oder gelegenen Landesteile Ostpreußen, Hinterpommern, Schlesien und die Provinz Posen gemeint. Nach 1945 hatte der Ausdruck eine doppelte Bedeutung, da nun vermehrt auch die Gebiete der SBZ und ab 1949 der DDR so genannt wurden, während die alte Bedeutung weiterhin im Gebrauch blieb. Sie spielte nicht zuletzt im Diskurs der Vertriebenenverbände und der ihnen angeschlossenen Kultureinrichtungen eine Rolle. Heutzutage wird Ostdeutschland im politischen und wirtschaftlichen Sinn als Synonym für die neuen Bundesländer gebraucht.

Bis 1945

Gebietsveränderungen des Deutschen Reiches von 1871 über 1919 und 1945 bis zur endgültigen Festlegung der Grenzen Deutschlands 1990 prägten auch den Begriff „Ostdeutschland“.

Bis 1919 wurde unter Ostdeutschland die Region östlich der Elbe, gelegentlich auch der Oder, verstanden. Diese zur historischen Germania Slavica zählenden Gebiete standen im Norden vornehmlich unter preußischem Einfluss. Durch den preußischen Landadel war sie protestantisch und konservativ geprägt. Mehrheitlich katholisch waren Oberschlesien und das unter dem Namen „Südpreußenannektierte Großpolen. Zwischen den beiden Weltkriegen bezeichnete der Begriff die Gebiete östlich der Oder ohne die an Polen abgetretenen Teile.[1] In diesem Zusammenhang wurde statt Ostdeutschland oft der geographische Begriff Ostelbien verwendet.

Nachkriegszeit

Nach 1945 und speziell nach der deutschen Teilung 1949 wandelte sich der Sprachgebrauch, und in Westdeutschland wurde offiziell der Begriff „deutsche Ostgebiete“ gebraucht, um auf die Ostgebiete des Deutschen Reiches zu verweisen. Im amtlichen Sprachgebrauch wurde die Anwendung des Begriffs Ostdeutschland auf die Deutsche Demokratische Republik (DDR) vermieden, was auch staats- und völkerrechtliche Gründe hatte.[2] Daneben gab es in der Bundesrepublik Deutschland die Begriffe Sowjetische Besatzungszone (SBZ) und später auch Mitteldeutschland als Ersatzwörter für den verpönten Begriff „DDR“, häufiger aber Zone, „drüben“, Sowjetzone, Ostzone, „DDR“ beziehungsweise „sogenannte DDR“. Erst mit der neuen Ostpolitik und den Verträgen mit Polen zur Oder-Neiße-Grenze wandelte sich auch die Bezeichnung von Ostzone zu DDR und Deutsche Demokratische Republik, in offizieller Verwendung nicht aber zu Ostdeutschland. Von Teilen der westdeutschen Presse jedoch wurde bereits in den ersten Jahren des Bestehens der Bundesrepublik der Begriff Ostdeutschland als Synonym für das Tabuwort „DDR“ benutzt.

Nach der Wiedervereinigung

Seit der deutschen Vereinigung 1990 wird das ehemalige Staatsgebiet der DDR als neue Länder, fünf neue Bundesländer, ehemalige DDR (Ex-DDR) oder rechtlich als Beitrittsgebiet[3] bezeichnet. Im Februar 2004 behaupteten die „Schlesischen Nachrichten“, die Bezeichnung „Ostdeutschland“ für die Ostgebiete des Deutschen Reiches sei aufgrund eines „Sprachgebots der Bundesregierung“ „tot“.[4]

Der Begriff Ostdeutschland für die neuen Länder wird in der Tagesschau und in Statistiken der Wirtschaft verwendet.[5][6] Auf der Basis der gemeinsamen Geschichte, Sprache und Kultur neigt man dazu, Mecklenburg als „Nordostdeutschland“ und Thüringen mit Teilen von Sachsen-Anhalt, Sachsen und/oder Hessen als „Mitteldeutschland“ zu unterscheiden.

Zum unterschiedlichen Sprachgebrauch

In Thüringen stößt es zuweilen auf Unverständnis, wenn die Bewohner von den Medien als „Ostdeutsche“ bezeichnet werden – mit dem Verweis auf die geographische Lage in der Mitte Deutschlands. So liegt beispielsweise Erfurt westlicher als Regensburg und München, außerdem auch Eisenach westlich des geographischen Mittelpunktes Deutschlands und rund 220 Kilometer weiter westlich als Passau. Bewohner der einzelnen Gebiete empfinden sich insofern mehr als Zugehörige zu einer bestimmten, geographisch umrissenen und historisch gewachsenen Region, statt als Angehörige von zwei ehemals durch den „Eisernen Vorhang“ getrennten Teilen Deutschlands. Der Sprachgebrauch Ostdeutschland wird von ihnen auch als Zeichen eines natürlichen Prozesses des Zusammenwachsens von ehemals zwei Staaten gesehen. Aus diesem Grund bezieht sich der Begriff im Sprachgebrauch besonders bei der älteren Bevölkerung auf die politische Ebene des wiedervereinigten Deutschlands.

Anlehnend an den (inzwischen im RBB aufgegangenen) Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) wird gelegentlich nur das Gebiet der Länder Brandenburg, Berlin (und zum Teil Mecklenburg-Vorpommern und Teile Sachsen-Anhalts) als (Nord-)Ostdeutschland angesehen.

Auch der Begriff Mitteldeutschland ist in Gebrauch. Korrekt erscheint dieser Begriff in der Orientierung erstrangig auf die sprachlichen Unterschiede in Nord-Süd-Richtung (zum Beispiel oberdeutscher, mitteldeutscher und niederdeutscher Sprachraum) sowie historisch wirtschaftlich in alle Himmelsrichtungen (Mitteldeutsches Chemiedreieck, heute Metropolregion Mitteldeutschland). Der Mitteldeutsche Rundfunk hat sich in diesem Sinne benannt.
In rechtsextremen Kreisen ersetzt „Mitteldeutschland“ in der Regel den Begriff „Ostdeutschland“, um so auf vermeintliche Ansprüche auf die früheren Ostgebiete des Deutschen Reiches (Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie) hinzuweisen, die von dieser Seite her erhoben werden.

Laut einem Reiseführer der Süddeutschen Zeitung gehören „alle Regionen und Städte, die östlich von München, Nürnberg, Wolfsburg oder Lübeck liegen,“ zu Ostdeutschland.[7]

Im englischen Sprachraum ist die Bezeichnung „Eastern Germany“ üblich, wohingegen „East Germany“ die ehemalige DDR und „former eastern territories of Germany“ oder „the historical Eastern Germany“ die heute zu Polen beziehungsweise Russland gehörenden ehemaligen deutschen Ostgebiete (Schlesien, Hinterpommern, Neumark, Westpreußen, Ostpreußen, Danzig sowie Posen) bezeichnet.

Einzelnachweise

  1. Der neue Brockhaus, Wiesbaden 1975, Band- und Seitenzahl fehlen.
  2. Richtlinien des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, 1961.
  3. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - In der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754, 1404, 3384), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. April 2013 (BGBl. I S. 610) m.W.v. 9. April 2013
  4. Herbert Hupka: Fortschreitende Ausgrenzung Schlesische Nachrichten. 15. Februar 2004
  5. Wirtschaftsförderung Neue Bundesländer (Memento vom 21. März 2008 im Internet Archive).
  6. Vgl. auch BVerfGE 102, 68 (96); 102, 254 (304, 333); 104, 126 (148); 107, 218 (246, 253); 110, 177 (186); 112, 368 (399); 113, 167 (226, 248); 116, 96 (125); 117, 272 (297).
  7. Süddeutsche Zeitung: Ostdeutschland

Weblinks