People of Color

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People of Color (Singular: Person of Color; wörtlich „Menschen von Farbe“), oft als PoC abgekürzt, auch BPoC (Black and People of Color) oder BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color), ist ein Begriff aus dem anglo-amerikanischen Raum und beschreibt Personen oder Gruppen, die vielfältigen Formen von Rassismus ausgesetzt sind und die die „gemeinsame, in vielen Variationen auftretende und ungleich erlebte Erfahrung [teilen], aufgrund körperlicher und kultureller Fremdzuschreibungen der weißen Mehrheitsgesellschaft als ‚anders‘ und ‚unzugehörig‘ definiert zu werden.“[1][2][3][4][5]

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Ausdruck people of color, erstmals 1781 verwendet, wurde in der Kolonialzeit durch die Bezeichnung free people of color vorgeprägt. Dieser Begriff bezeichnete freigelassene Sklaven und stand für eine damals ungewöhnliche Konstellation in den USA von schwarzen Land- und Sklavenbesitzern. Ebenso verfügten beispielsweise die gens de couleur libres in den französischen Kolonien zum Teil über einen großen gesellschaftlichen Einfluss und Land- und Sklavenbesitz, waren aber im Vergleich zur weißen Oberschicht immer noch „rechtlich unterprivilegiert“.[6] Alice Dunbar-Nelson beschrieb 1917 für Louisiana, dass der Ausdruck people of color (ursprünglich gens de couleur) ausschließlich für gemischte Nachkommen von weißen Siedlern und schwarzen Sklaven üblich war, während er für Schwarze selbst nicht verwendet wurde.[7]

Martin Luther King verwendete 1963 den Begriff citizens of color.[2][8] Der Begriff people of color bekam Bedeutung in der Black-Power-Bewegung und der Gründung der Black Panther Party in den USA.[6] Von Theoretikern wie Frantz Fanon beeinflusst, benutzten Aktivisten den Begriff people of color in den späten 1970er und 80er Jahren.[9] Er wurde auch in Zusammenhang mit den amerikanischen Sundown towns verwendet, also den Städten, die sich als „komplett weiß“ rühmten. Das Akronym BIPoC soll die spezifischen Erfahrungen schwarzer und indigener Menschen betonen.[10]

PoC in Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff Person of Color wird auch in Deutschland von einigen politischen Gruppen und Aktivisten sowie in postkolonialen Diskurszusammenhängen in den Sozialwissenschaften verwendet.[6][11] Im Deutschen gibt es keine Übersetzung für den Begriff. Direkte Übersetzungen, zum Beispiel Farbiger, sind mit rassistischer Geschichte verbunden. Daher wird die Selbstbezeichnung Person of Color auch im Deutschen geläufiger.[12] Vereinzelt finden sich auch Wortneuschöpfungen nach dem Muster Substantiv + of Color, wie z. B. Studierende of Color.[13]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei den Schwarzen Nordamerikas trifft der Ausdruck auf eine gemischte Rezeption. Traditionell wurden in den USA Fragen der „Rasse“ (race) vor allem über den Gegensatz schwarz–weiß definiert[14], wodurch andere Gruppen wie die Latinos Mexikos zeitweise genötigt wurden, sich entweder als schwarz oder weiß zu bezeichnen.[15] Während einige Afroamerikaner in der neuen Kategorisierung einen Ansatz sehen, durch den sich unterdrückte Gruppen untereinander solidarisieren können, lehnen andere „People of Color“ als Selbstzuschreibung ab.[16] Hauptgrund ist, dass sie in einer neuen, umfassenderen Dichotomie als eigene Gruppe mit ihren spezifischen Erfahrungen, die weitaus schlimmer gewesen seien als diejenigen anderer marginalisierter Gruppen, nicht mehr ausreichend gewürdigt würden („unintentionally trivializes the black ethos“[17]).

Die US-amerikanische Juristin Meera E. Deo rät in den USA zur Verwendung von people of color statt „BIPoC“. Anstatt marginalisierte Gruppen zu solidarisieren, würden durch den neuen Begriff wieder zwei Gruppen, Indigene und Schwarze, in den Fokus gerückt. Das führe erstens zu einer Hierarchisierung anstelle der angestrebten Solidarisierung („oppression olympics“). Zweitens würden durch den Begriff gerade diese Gruppen unter Umständen unsichtbar gemacht: Wird etwa von den besonderen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie oder von Polizeigewalt auf „BIPoC“ berichtet, lenke das davon ab, dass es eigentlich um die Auswirkungen auf Schwarze gehe und spezifisch zur indigenen Bevölkerung nahezu keine Daten vorliegen – diese würden also nur vordergründig mit angesprochen, aber in der Sache umso sicherer ignoriert.[18] Auch dass viele Menschen die Abkürzung BIPoC nicht verstünden, wurde kritisiert.[19][20]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Anne Broden, Paul Mecheril: Rassismus bildet: bildungswissenschaftliche Beiträge zu Normalisierung und Subjektivierung in der Migrationsgesellschaft. transcript Verlag, 2014., S. 144 ff.
  2. a b William Safire: On Language; People of Color. In: The New York Times. 20. November 1988, ISSN 0362-4331 (nytimes.com).
  3. Grada Kilomba: Plantation Memories: Episodes of Everyday Racism. 1. Auflage. Unrast, Münster 2008, ISBN 978-3-89771-485-4.
  4. Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Pesche, Susan Arndt: Mythen, Masken und Subjekte: Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. 2. Auflage. Unrast, Münster 2009, ISBN 978-3-89771-440-3.
  5. Kien Nghi Ha, Nicola Lauré al Samarai, Sheila Mysorekar: re/visionen – Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland. 2. Auflage. Unrast, 2016, ISBN 978-3-89771-458-8 (In den 1960er Jahren erhielt der Begriff ‚People of Color‘ in den USA – beeinflusst durch die weltweiten Befreiungskämpfe anti-kolonialer Revolutionäre  – neue politische Impulse. Inspiriert durch die Anfangserfolge der Black Panther zielten diese radikalen Bewegungen auf Selbstbehauptung und interkommunale Ansätze für die politische Zusammenarbeit. Aufbauend auf diese Erfahrungen wurde People of Color zu einer gemeinsamen Selbstbezeichnung, die Solidarität unter allen rassistisch Diskriminierten herstellt und quer zur rassistischen Politik des Teilens und Herrschens verläuft.).
  6. a b c Kien Nghi Ha: ‘People of Color’ als Diversity-Ansatz in der antirassistischen Selbstbenennungs- und Identitätspolitik. In: migration-boell.de. migration-boell.de, abgerufen am 28. Dezember 2019.
  7. Alice Dunbar-Nelson: People of Color in Louisiana, part 1. Journal of Negro History 1 (4), 1917, S. 361–376.
  8. The Black Press at 150. In: The Washington Post. 18. März 1977.
  9. Are Immigrants and Refugees People of Color? In: colorlines.com. Colorlines, archiviert vom Original; abgerufen am 24. April 2016.
  10. Constance Grady: Why the term “BIPOC” is so complicated, explained by linguists. 30. Juni 2020, abgerufen am 7. November 2020 (englisch).
  11. Kien Nghi Ha (Hrsg.): re/visionen: postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland. Münster 2007; bibliographischer Nachweis
  12. Tigran Petrosyan: Antirassistische Sprache: Schwarz ist keine Farbe. In: Die Tageszeitung: taz. 21. August 2020, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 26. September 2020]).
  13. Referat für Schwarze Studierende und Studierende of Color | AStA FU Berlin. Abgerufen am 7. November 2020.
  14. Juan F. Perea: The Black/White Binary Paradigm of Race: The “Normal Science” of American Racial Thought. California Law Review 85 (5), 1997 (LatCrit: Latinas/os and the Law: A Joint Symposium by “California Law Review” and “La Raza Law Journal”), S. 1213–1258.
  15. Natalia Molina: “In A Race All Their Own”: The Quest to Make Mexicans Ineligible for U.S. Citizenship. Pacific Historical Review 79 (2), 2010, S. 167–201.
  16. Roy L. Brooks, Kirsten Widner: In Defense of the Black/White Binary: Reclaiming a Tradition of Civil Rights Scholarship. Berkeley Journal of African-American Law and Policy 12 (1), 2010, S. 107–144.
  17. Roy L. Brooks, Kirsten Widner: In Defense of the Black/White Binary: Reclaiming a Tradition of Civil Rights Scholarship. Berkeley Journal of African-American Law and Policy 12 (1), 2010, S. 107–144, Zit. im Abschnitt Conclusions auf S. 142.
  18. Meera E. Deo: Why BIPOC fails. Virginia Law Review 107: 115-142. Volltext
  19. Sandra E. Garcia: Where Did BIPOC Come From? In: The New York Times. 17. Juni 2020, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 15. November 2021]).
  20. Ulrich Thiele: Sarah-Lee Heinrich – „Die Agenda 2010 war ein Fehler“. In: Cicero. Abgerufen am 15. November 2021.