Pfungstadtbahn

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Koordinaten: 49° 48′ 46,8″ N, 8° 37′ 30,4″ O

Darmstadt-Eberstadt–Pfungstadt
Bombardier Itino der Vias
nach der Abfahrt in Pfungstadt
Bombardier Itino der Vias
nach der Abfahrt in Pfungstadt
Streckennummer (DB):3543
Kursbuchstrecke (DB):650.1
Streckenlänge:1,761 km
Spurweite:1435 mm (Normalspur)
Streckenklasse:D4
Maximale Neigung: <15 
Minimaler Radius:>190 m
Höchstgeschwindigkeit:60 km/h
Zweigleisigkeit:nein
von Frankfurt (Main)
0,045 Darmstadt-Eberstadt
nach Heidelberg
Anst Pfungstädter Brauerei Hildebrand
1,806 Pfungstadt

Die Pfungstadtbahn ist eine eingleisige Stichstrecke, die von der Bahnstrecke Frankfurt am Main–Heidelberg abzweigt.

Geografische Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Strecke verlässt die Hauptstrecke im Darmstadt-Eberstadt in westlicher Richtung und erreicht ohne weitere, dazwischen liegende Betriebsstellen nach 1,761 km den Haltepunkt Pfungstadt im Osten der gleichnamigen Stadt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausfahrt einer T3 aus dem Gelände der Pfungstädter Brauerei, ca. 1914
Der ehemalige Anschluss der Brauerei 2011, gleiche Perspektive wie 1914. Ab der in Blickrichtung rechten Fahrbahn wurde das Gleis entfernt.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Pfungstädter Industriellen Wilhelm Büchner (für seine Ultramarinfabrik) und Justus Hildebrand (für seine Pfungstädter Brauerei) forcierten seit Mitte des 19. Jahrhunderts den Bau der Strecke. Verschiedene Trassenalternativen wurden erwogen, so auch die Weiterführung in einem Bogen nach Bickenbach, was aber aus Kostengründen verworfen wurde. Seit 1864 war 22 Jahre lang über dieses Projekt diskutiert worden.

Die Strecke wurde schließlich von den Großherzoglich Hessischen Staatseisenbahnen errichtet. Die Hauptstrecke war damals eine Kondominalbahn unter Verwaltung der Main-Neckar-Eisenbahn-Gesellschaft (MNB). Da für die Staatsbahn ein eigener Betrieb auf der nicht einmal zwei Kilometer langen Strecke unwirtschaftlich war, schloss sie im November 1886 ein Abkommen mit der MNB, wonach die Staatsbahn das Personal im Bahnhof Pfungstadt und das zum Unterhalt und der Sicherung der Eisenbahninfrastruktur stellte, außerdem Lokomotiven und Personenwagen beschaffte. Die MNB dagegen stellte das Fahrpersonal und führte den Fahrbetrieb durch. Dafür erhielt sie 5 % der erzielten Brutto-Einnahmen, mindestens aber 1200 Mark. Tatsächlich überwiesen wurden der MNB von 1887 bis 1893 etwa 1800 Mark, 1895 waren es 3500 Mark.[1]

Betrieb und Stilllegung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 20. Dezember 1886 fand die Einweihung statt, anlässlich derer Pfungstadt die Stadtrechte verliehen erhielt. Die Strecke erwies sich als wirtschaftlicher Erfolg sowohl für die Bahn als auch für den Industriestandort. 1897 ging die Hessische Staatsbahn in der Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft auf, 1902 wurde die MNB als Kondominalbahn aufgelöst und die beteiligten Staaten übernahmen die jeweils in ihrem Land gelegenen Streckenabschnitte. Soweit die ehemalige MNB im Großherzogtum Hessen und in Preußen verlief, kamen diese Strecken nun auch zur Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft. Sowohl die ehemalige MNB-Stammstrecke als auch die Pfungstadtbahn unterstanden nun der preußisch-hessischen Eisenbahn- und späteren Reichsbahndirektion Mainz.

Die Pfungstadtbahn war die kürzeste Kursbuch-Strecke der Deutschen Reichsbahn. Das Anschlussgleis auf das Gelände der „Blaufabrik“ wurde in den 1930er Jahren demontiert. 1934 wurden Fahrten außerhalb des Berufsverkehrs aufgegeben und Reisende auf die Postbusse der Kraftpost verwiesen.[2]

Am 30. April 1955 wurde der Personenverkehr durch die Deutsche Bundesbahn eingestellt, der Güterverkehr (überwiegend Holz und Zuckerrüben) rollte noch bis zum 31. Mai 1997. Nach Ende der Zuckerrübenabfuhr Anfang der 1990er Jahre war der nur noch gering.[3] Die Kursbuchstreckennummer bei Einstellung des Personenverkehrs war 315d.

Wiederinbetriebnahme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Bahnhof Darmstadt-Eberstadt
Das Gleis der Pfungstadtbahn, das in Darmstadt-Eberstadt nach Pfungstadt abzweigt

Neubau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Darmstadt-Dieburger Nahverkehrsorganisation (DADINA) beschloss, die stillgelegte Strecke wieder in Betrieb zu nehmen und in die Odenwaldbahn zu integrieren. Die zunächst für Dezember 2007 vorgesehene Reaktivierung verzögerte sich wegen notwendiger signaltechnischer Änderungen im Darmstädter Hauptbahnhof und Schwierigkeiten mit einem Bahnübergang in Pfungstadt.[4] Der niveaugleiche Bahnübergang unmittelbar vor dem Streckenende wurde saniert und nicht – wie zwischenzeitlich überlegt – durch eine Unterführung ersetzt oder durch eine Streckenverkürzung überflüssig. Die Kosten für die Reaktivierung der Strecke trugen der Bund und das Land Hessen. Die Gesamtkosten waren mit 7 Mio. Euro angesetzt, davon entfielen allein 4,2 Mio. Euro auf die Herrichtung der 1,8 km langen Strecke durch die DB Netz AG.[5] Die jährlichen Betriebskosten von geschätzten 900.000 EUR teilen sich der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und die DADINA. Die Inbetriebnahme der Verbindung hat mit dem Fahrplanwechsel 2011/2012 am 11. Dezember 2011 stattgefunden.[6][7]

Betriebsprogramm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Betrieben wird die Strecke durch das Eisenbahnunternehmen VIAS, welches auch die in Darmstadt beginnende Odenwaldbahn befährt. Jeder zweite Zug der Odenwaldbahn, der den Darmstädter Hauptbahnhof erreicht, fährt weiter nach Pfungstadt. Allerdings haben diese in Darmstadt zur Anschlussgewährung einen Aufenthalt von etwa 20 Minuten. Die Zwischenkurse pendeln nur zwischen Darmstadt Hbf und Pfungstadt. Beide Linien sind auch fahrplanmäßig getrennt: Während die Odenwaldbahn bei Wiederinbetriebnahme der Pfungstadtbahn als RMV-Linie 65 (inzwischen RB 81 bzw. RE 80) verkehrte, hat die Pfungstadtbahn die Liniennummer 66 erhalten. Im Kursbuch der Deutschen Bahn wird die Strecke unter der Nummer 650.1 geführt.

Die Fahrzeit bis Pfungstadt beträgt mit Halt in Darmstadt Süd und Darmstadt-Eberstadt zwölf Minuten.[8]

Anlässlich einer Bestellung von vier weiteren Triebwagen für die Odenwaldbahn hatte der Rhein-Main-Verkehrsverbund im November 2007 bereits ein zusätzliches Fahrzeug des Typs „Itino“ für die Verlängerung nach Pfungstadt vorgesehen.[9]

Der Verband Pro Bahn kritisierte den dünnen Takt am Wochenende sowie den frühen Betriebsschluss am Abend als „halbherziges Angebot“.[10][11][12]

Haltepunkt Pfungstadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haltepunkt Pfungstadt im Dezember 2011

Der Bahnhof (49° 48′ 22,5″ N, 8° 36′ 28,6″ O) wurde zeitgleich mit der Bahnstrecke eröffnet. Dies nahm Großherzog Ludwig IV. von Hessen-Darmstadt zum Anlass, Pfungstadt Stadtrechte zu verleihen.[13] Bis Mitte Mai 1930 war der Bahnhof Pfungstadt zugleich Lokomotivbahnhof.[14] Das ursprüngliche Empfangsgebäude wurde nach Einstellung des Personenverkehrs abgerissen.

Für die Reaktivierung wurde auf dem Gelände des historischen Bahnhofs ein neuer, einfach ausgestatteter Haltepunkt mit einem 140 Meter langen Bahnsteig errichtet.[6] Mittels einer Buswendeschleife und eines Park-and-ride-Parkplatzes wird der Anschluss an den örtlichen Verkehr hergestellt.[15] Von den Gesamtkosten von 2,8 Millionen Euro übernahm das Land Hessen 170.000 Euro, den Rest teilten sich Stadt und Bund.[6]

Der Haltepunkt wird stündlich über Darmstadt Süd und Darmstadt-Eberstadt an den Darmstadt Hauptbahnhof angebunden.[16]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Valentin Liebig: Die Nebenbahn vom Viadukt Eberstadt nach Pfungstadt. In: Die Bahn und ihre Geschichte = Schriftenreihe des Landkreises Darmstadt-Dieburg 2 (Hrsg.: Georg Wittenberger / Förderkreis Museen und Denkmalpflege Darmstadt-Dieburg).Darmstadt 1985, S. 36–39.
  • Werner Kohlmann: 125 Jahre Nebenbahn Eberstadt-Pfungstadt = Die Geschichte des Bahnhofs Pfungstadt von der Planung über die Eröffnung 1886 bis zur Wiederinbetriebnahme 2011. (Hrsg.: Eigenverlag in Zusammenarbeit Stadtarchiv Pfungstadt, Pfungstadt 2011, 264 S.)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Pfungstadtbahn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ferdinand Scheyrer: Geschichte der Main-Neckar-Bahn. Denkschrift zum fünfzigsten Jahrestag der Eröffnung des Betriebs der Main-Neckar-Bahn am 1. August 1846. Darmstadt 1896. Reprint: Verlag Wolfgang Bleiweis, Schweinfurt 1996. ISBN 3-928786-46-6, S. 99.
  2. Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 27. Oktober 1934, Nr. 52. Bekanntmachung Nr. 590, S. 248.
  3. U. Kramer und M. Brodkorb: Abschied von der Schiene – Güterstrecken 1980 bis 1993. Stuttgart 2008. ISBN 978-3-613-71346-8, S. 83.
  4. Pro Bahn Starkenburg: Pfungstadtbahn verzögert sich. (PDF) In: Fahrgastzeitung. 2007, S. 20f., abgerufen am 17. September 2011.
  5. Eurailpress: Pfungstadt bekommt wieder Bahnanschluss (Memento vom 27. Februar 2011 im Internet Archive)
  6. a b c Endspurt für die Pfungstadtbahn (Memento vom 1. Dezember 2011 im Internet Archive). In: echo online, 29. November 2011. Abgerufen am 12. Dezember 2011.
  7. Pfungstadt hat wieder Bahnanschluss. In: Eisenbahnjournal Zughalt.de, 12. Dezember 2011. Abgerufen am 12. Dezember 2011
  8. Fahrplanauskunft des Rhein-Main-Verkehrsverbundes. Abgerufen am 12. Dezember 2011
  9. Vier neue Itinos.In: Eisenbahn-Revue International 5/2010, S. 212.
  10. Fahrplan der Pfungstadtbahn ab Dezember 2011 (Memento vom 19. Juli 2011 im Internet Archive)
  11. Pro Bahn Starkenburg: Getrübte Freude über Pfungstadt-Bahn. 30. Juni 2011, archiviert vom Original am 11. Januar 2011; abgerufen am 17. September 2011.
  12. Thomas Bach: In zwölf Minuten zum Hauptbahnhof. echo online, 16. September 2011, archiviert vom Original am 14. April 2015; abgerufen am 17. September 2011.
  13. pfungstadt.de: Stadtleben (Memento vom 27. September 2011 im Internet Archive), abgerufen am 17. September 2011
  14. Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion in Mainz vom 17. Mai 1930, Nr. 25. Bekanntmachung Nr. 345, S. 155.
  15. Pfungstadt wird wieder ans Schienennetz angeschlossen (Memento vom 29. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
  16. Web-Bahnhofstafel. Abgerufen am 29. Mai 2022.