Plymouth Colony

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Karte von Plymouth Colony mit den Siedlungsnamen

Plymouth Colony war eine von separatistischen Kongregationalisten und Anglikanern 1620 auf dem Boden des heutigen US-Bundesstaates Massachusetts gegründete englische Kolonie. Die religiösen Überzeugungen der Separatisten, deretwegen sie in England verfolgt worden waren, prägten das soziale und rechtliche System der Kolonie (Mayflower-Vertrag). Die Amerikaner feiern jedes Jahr am Thanksgiving Day die Erinnerung an das erste Erntedankfest der Pilgerväter.[1]

Vorgeschichte

William Bradfords Abschrift des Mayflower-Vertrags

Um der Verfolgung durch die anglikanische Staatskirche zu entgehen, wanderte 1600 eine Gruppe von Separatisten unter der Führung von Pastor John Robinson, William Bradford und William Brewster, einem Kirchenältesten, aus Scrooby (Nottinghamshire) in die Niederlande aus, zuerst nach Amsterdam, dann nach Leiden. Dort genossen sie zwar Glaubensfreiheit, durften aber nur schlecht bezahlte Arbeit verrichten. Außerdem fürchteten sie, ihre Kinder würden sich ihren Eltern entfremden. Deshalb kehrte ein Teil der Separatisten 1619 vorübergehend nach England zurück. Mit einem Landpatent der London Virginia Company versehen, gelangten sie einige Monate später mit dem Schiff „Mayflower“ vor die nordamerikanische Küste. An Bord waren auch anglikanische Auswanderer, die von den Separatisten „Fremde“ (Strangers) genannt wurden. Da ein starker Sturm die Landung in Virginia verhinderte, das Landpatent aber nur für diese Kolonie Gültigkeit hatte, fürchteten einige „Fremde“, sie würden in der neuen Kolonie nicht fair behandelt werden. Deshalb verfassten 41 Kongregationalisten vor der Landung bei Cape Cod (Dezember 1620) den Mayflower-Vertrag (Mayflower Compact), der festlegte, dass die Kolonie nach gerechten und für alle Bewohner in gleicher Weise gültigen Gesetzen regiert werden sollte.[1]

Anfänge, Wachstum und Ende der Selbständigkeit der Kolonie

Das erste Thanksgiving in der Plymouth Colony – Gemälde von Jennie Augusta Brownscombe (1914)

In ihrer Siedlung Plymouth starb im Winter 1620/1621 fast die Hälfte der Kolonisten, obwohl sie von benachbarten Indianern Nahrungsmittel erhielten. Trotzdem entstanden Spannungen zwischen beiden Gruppen. Ein Friedensvertrag wurde geschlossen, und gemeinsam wurde im Oktober 1621 das erste Erntedankfest (Thanksgiving) gefeiert. Durch den starken Zuzug von weiteren Engländern kam es in der Folgezeit zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Siedlern und der Urbevölkerung. Das Ende der auf etwa 7000 Bewohner angewachsenen Plymouth Colony kam 1691, als sie auf königliche Anweisung mit der wesentlich größeren Massachusetts Bay Colony vereinigt und einem aus England entsandten Gouverneur unterstellt wurde.[2][1][3]

Religion

Die separatistischen Kongregationalisten waren eine Gruppierung innerhalb der puritanischen Bewegung in England. Puritaner im engeren Sinn, wie sie beispielsweise ab 1628 in der Massachusetts Bay Colony siedelten, blieben innerhalb der anglikanischen Kirche, wollten diese aber von allen “katholischen” Strukturelemente wie etwa der Verwendung des Lateinischen im Gottesdienst und liturgischer Gewänder, vor allem aber vom Bischofsamt “reinigen” (purify). Dagegen hatten sich die Separatisten vollständig von der Kirche von England getrennt. Theologisch unterschieden sie sich nur unwesentlich von den Puritanern. Beide Gruppen waren entschiedene Calvinisten.[4] [5] Geprägt von der calvinistischen Föderaltheologie, waren sie überzeugt, dass Gott mit ihnen einen Bund oder Vertrag (covenant) geschlossen und sie auch untereinander zu einer Gemeinschaft von Erwählten und Erlösten zusammengeführt hatte. Aus Dankbarkeit und Gehorsam fühlten sie sich verpflichtet, ein Leben zu führen, wie es ihrer Ansicht nach die Bibel vorschrieb: Fleiß, Sparsamkeit, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein, Verzicht auf Luxus und übermäßige Ausgelassenheit. Aber sie wussten auch durchaus Feste zu feiern, z.B. Thanksgiving.[6] Es herrschte strenge Kirchenzucht. Alle Kolonisten, auch die Anglikaner, waren zum Gottesdienstbesuch verpflichtet.

Nach kongregationalistischer Auffassung untersteht jede Kirchengemeinde (congregation; daher der Begriff Kongregationalismus) unmittelbar Gott bzw. Christus und wird von ihm regiert.[7] Die Laien sind den Geistlichen gleichgestellt.[8] Die Kirchengemeinden haben eine demokratische Struktur. Pfarrer, Lehrer und Kirchenälteste (Presbyter; Kirchengemeinderäte), also Laien, werden von der Gemeinde gewählt und sind dieser gegenüber verantwortlich.[9] Diese Kirchenregierung war theologisch durch Martin Luthers Lehre vom Priestertum aller Gläubigen und Johannes Calvins Kirchenordnung ermöglicht worden, der zufolge die Kirchenältesten gleichberechtigt an der Leitung der Gemeinde beteiligt sind.[10][11] Da Pastor Robinson mit einem Teil der Gemeinde in den Niederlanden geblieben war, leitete der Kirchenälteste William Brewster die Separatisten in Plymouth, bis 1629 der neu aus England immigrierte Pastor Ralph Smith diese Aufgabe übernahm.[12] Als immer mehr Einwanderer ankamen, wuchs wegen akuten Pfarrermangels die Bedeutung der Laien noch stärker. Oft waren sie es, die neue Kirchengemeinden gründeten, Gottesdienste hielten und das Fortbestehen der Gemeinden gewährleisteten.[13]

Recht und Verwaltung

Der Mayflower-Vertrag, ein Gesellschaftsvertrag, bildete die Verfassung der Kolonie. Nach dem Modell gestaltet, das die Kongregationalisten für die Gründung neuer Kirchengemeinden verwendeten, sicherte er „gerechte“ und für alle Bewohner der Plymouth Colony in „gleicher Weise“ gültige Gesetze (“just and equal laws”) zu.[14] Die Kongregationalisten übertrugen die in ihren Kirchengemeinden praktizierte repräsentative Demokratie auch auf die Regelung der weltlichen Angelegenheiten ihres Gemeinwesens. Sie waren überzeugt, dass die Demokratie die von Gott gewollte Regierungsform war.[15] Wahlberechtigt waren die „Freien“ (freemen), d.h. die erwachsenen männlichen Siedler, die wirtschaftlich unabhängig waren und einen guten Leumund hatten; anfangs gehörten dazu auch eine Reihe von „Fremden“. Später wurde ein religiöser Test eingeführt, um insbesondere zu verhindern, dass Quäker den Status als freemen erlangen konnten. Die „Freien“ bildeten die „Generalversammlung“ (General Court), die durch Wahl jeweils für ein Jahr einen Gouverneur und seine sieben „Assistenten“ bestimmten. Wiederwahl war möglich. William Bradford war fünfmal Gouverneur (insgesamt 28 Jahre) und Edward Winslow dreimal. Die Generalversammlung war Legislative und Judikative, der Gouverneur bildete zusammen mit seinen Assistenten die Exekutive.[16] Diese Gewaltenteilung folgte einer Empfehlung Calvins, der, um den Missbrauch politischer Macht zu verhindern oder zumindest zu minimieren, ein System sich gegenseitig ergänzender und kontrollierender Staatsorgane vorgeschlagen hatte.[17][18]

Die Gesetze, die die Generalversammlung auf der Grundlage des Mayflower-Vertrags erließ, bildeten eine Mischung aus englischem Common Law und Rechtsvorschriften der Bibel. Sie wurden 1636 im Book of Laws kodifiziert.[19] Als die Siedler 1625 die Schulden, die sie bei einer englischen Aktiengesellschaft zur teilweisen Finanzierung der Überfahrt gemacht hatten, getilgt hatten, waren sie alleinige Eigentümer der Kolonie. Da weder eine englische Handelsgesellschaft noch der König oder das Londoner Parlament Einfluss auf die Kolonie ausübten, war diese eine repräsentative Demokratie, de facto eine Republik ("self-rule").[20]

Mit der Zeit wurden weitere Ortschaften (towns) gebaut und drei Landkreise (counties) eingerichtet, deren Bewohner ebenfalls in der Generalversammlung vertreten waren.

Wirtschaft und Bildungswesen

Die Bewohner der Plymouth Colony lebten hauptsächlich vom Pelzhandel und der Landwirtschaft. Angebaut wurden Pflanzenarten wie Mais, Kürbisse und Kartoffeln, die die Siedler von der Urbevölkerung übernahmen. Zudem wurden die in Europa üblichen Nutzpflanzen und -tiere eingeführt.[21] Aus topographischen Gründen und wegen der relativ dichten Besiedlung des Gebiets durch Ureinwohner konnte kein Großgrundbesitz entstehen, so dass es zu keinen größeren sozialen Unterschieden kam. Nur sehr wenige Familien konnten sich Sklaven leisten.[22]

Den Reformatoren war es wichtig, dass jedes Gemeindeglied die Bibel selbständig lesen konnte. In den ersten Jahren waren in der Kolonie die Eltern verpflichtet, ihre Kinder Lesen und Schreiben zu lehren. Später wurden öffentliche Schulen eingerichtet. Es bestand Schulpflicht sowohl für Jungen als auch für Mädchen.[23]

Geschichtliche Bedeutung

Jedes Jahr erinnern sich die Amerikaner am vierten Donnerstag im November, dem Thanksgiving Day, an das erste von englischen Auswanderern auf amerikanischem Boden gefeierte Erntedankfest und an die Anfänge ihrer Nation. Die Kolonie wurde Gegenstand von Filmen und Erzählungen. Beispielsweise lehnt sich Nathaniel Hawthornes Roman “The Scarlet Letter” (Der scharlachrote Buchstabe) an die Geschehnisse in der Plymouth Colony und der Massachusetts Bay Colony an.[24]

Literatur

  • James Deetz, Patricia Scott Deetz: The Times of Their Lives: Life, Love, and Death in Plymouth Colony. W. H. Freeman and Co., New York, N.Y. 2000, ISBN 0-7167-3830-9.
  • Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte. 11. Aufl., Tübingen 1957.
  • Clifton E. Olmstead: History of Religion in the United States. Prentice-Hall Inc., Englewood Cliffs, N.J. 1960, Library of Congress Catalog Card No. 60-10355.
  • Nathaniel Philbrick: Mayflower: A Story of Courage, Community, and War. Penguin Group, New York, N.Y. 2006, ISBN 0-670-03760-5.
    • deutsch von Norbert Juraschitz: Mayflower: Aufbruch in die Neue Welt. Blessing, München 2006, ISBN 978-3-89667-229-2.
  • Allen Weinstein, David Rubel: The Story of America: Freedom and Crisis from Settlement to Superpower. DK Publishing, New York, N.Y. 2002, ISBN 0-7894-8903-1.

Weblinks

Commons: Plymouth Colony – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Allen Weinstein, David Rubel: The Story of America: Freedom and Crisis from Settlement to Superpower. DK Publishing Inc., New York, N.Y. 2002, ISBN 0-7894-8903-1, S. 60-61
  2. Nathaniel Philbrick: Mayflower: A Story of Courage, Community, and War. Penguin Group, New York, N.Y. 2006, ISBN 0-670-03760-5.
  3. Clifton E. Olmstead, History of Religion in the United States. Prentice-Hall, Englewood Cliffs N.J. 1960, S. 64–69.
  4. M. Schmidt: Kongregationalismus. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Band  III, Spalte  1767–1771.
  5. Clifton E. Olmstead: History of Religion in the United States, S. 62 ff
  6. Clifton E. Olmstead: History of Religion in the United States, S. 68.
  7. M. Schmidt: Pilgerväter. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. 3. Aufl., Band V, Spalte 384.
  8. Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte, 11. Aufl., Tübingen 1957, S. 380.
  9. Clifton E. Olmstead: History of Religion in the United States, S. 64.
  10. B. Lohse: Priestertum. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Band V, Spalte 579 f.
  11. Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte, S. 325.
  12. Clifton E. Olmstead: History of Religion in the United States, S. 67
  13. Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte, S. 425
  14. Allen Weinstein, David Rubel: The Story of America, S. 61.
  15. M. Schmidt: Pilgerväter. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Band V, Spalte 384
  16. Christopher Fennell: Plymouth Colony Legal Structure. digital
  17. Jan Werda: Calvin. In: Evangelisches Soziallexikon, 3. Aufl., Stuttgart 1958, Spalte 210.
  18. Clifton E. Olmstead: History of Religion in the United States, S. 10.
  19. Christopher Fennell: Plymouth Colony Legal Structure. 1998.
  20. Clifton E. Olmstead: History of Religion in the United States, S. 65, 67.
  21. Charles C. Chartier: Livestock in Plymouth Colony, digital
  22. James Deetz, Patricia Scott Deetz: The Times of Their Lives: Life, Love, and Death in Plymouth Colony. W. H. Freeman and Co., New York, N.Y. 2000.
  23. Nathaniel Philbrick: Mayflower: A Story of Courage, Community, and War. 2006, S. 136 ff.
  24. Walter F. Schirmer, Arno Esch: Kurze Geschichte der englischen und amerikanischen Literatur. 1977, dtv Wissenschaftliche Reihe, Tübingen, ISBN 3-423-04291-5, S. 260

Koordinaten: 41° 50′ 42″ N, 70° 44′ 19,3″ W